„Essen gegen das Vergessen“
Im Pflegeheim Kindberg setzt man auf Spermidin

Kostprobe im Kindberger Pflegeheim: Mario Weghofer, Aribert Wendzel, Emmerich Pesl, Reinhart Jarisch, Eva Schmitz und Christian Sander.  | Foto: Denise Ganster
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Demenz lässt sich durch richtige Ernährung verlangsamen. Das "Wundermittel" Spermidin hilft dabei. Umgesetzt wird das ab sofort in der Küche des Kindberger Pflegeheimes.

KINDBERG. Keine Ahnung von Spermidin? Das kann sich rasch ändern. Spermidin ist in regionalen Lebensmitteln wie Weizenkeimen, Kürbiskernen und Pilzen enthalten. Eine Pilotstudie der FH Wiener Neustadt in Kooperation mit Reinhart Jarisch vom Floridsdorfer Allergiezentrum („Wiener Demenz Studie“) erbrachte den Nachweis, dass sich Spermidin-reiche Ernährung positiv auf die geistige Fitness von Menschen in Pflegeheimen auswirkt. Allein schon zwei Esslöffel Weizenkeime pro Tag können mithelfen, Demenz zu verlangsamen. 

Auch das Kindberger Bezirkspensionistenheim setzt ab sofort auf Ernährung, die mit Spermidin angereichert ist. "Wir bringen Spermidin ohne großen Aufwand in der Alltagsküche unter, sei es beim Frühstücksgebäck, in der Schnitzlpanier, in Suppen und sogar in Nachspeisen", verrät Küchenchef Mario Weghofer.

Für die Lieferung des Spermidin-reichen Frühstücksgebäcks konnte die Kindberger Bäckerei Pesl als Kooperationspartner gewonnen werden. Dass dieses besondere Gebäck auch von nicht im Pflegeheim wohnhaften Personen direkt in Kindberg bezogen werden kann, war Heimleiterin Eva Schmitz vor allem deshalb so wichtig, damit auch die Kundinnen und Kunden von Essen auf Rädern, die ebenfalls von der Kindberger Heimküche kulinarisch versorgt werden, in den Genuss dieser gesundheitsfördernden Maßnahme kommen können: „Nach 25 Jahren in der Pflegeheimbranche weiß ich nur zu gut, welche Belastung eine Demenzerkrankung nicht nur für den Betroffenen selbst, sondern für die gesamte Familie und letzten Endes auch für unser Pflegepersonal im Alltag darstellt. Wenn wir mit unserem Projekt auch nur einigen Menschen den schmerzlichen Weg ins Vergessen ersparen können, ist es jeden Aufwand wert.“

Experimentierfreudige Backstube

Emmerich Pesl von der gleichnamigen Bäckerei hat selbst viel mit Weizenkeimen herumexperimentiert, das viel Spermidin enthält. "Weizenkeime verhalten sich völlig konträr zu jedem herkömmlichen Backtriebmittel und sind eine Herausforderung für jede Backstube. Die Kunst dabei ist, dass das Produkt seine übliche Konsistenz nicht verliert", so der experimentierfreudige Bäckermeister. Im Pesl-Gebäck findet man Weizenkeime in den Langsemmeln sowie im Vollkornbrot und wird auch im Geschäft angeboten. Übrigens: Die Bäckerei Pesl ist auch für den Regionalitätspreis 2024 nominiert. Dazu abstimmen kann man auf meinbezirk.at/regionalitätspreis.

Bürgermeister Christian Sander zeigt sich begeistert von diesem vielversprechenden Küchenprojekt, mit dem gleich mehrere Zielgruppen angesprochen werden. „Den Heimbewohnern wird mit dem neuen gesunden Ernährungskonzept mehr Lebensqualität geschenkt und unsere Kunden von Essen auf Rädern können langfristig mit einer Spermidin-reichen Ernährung den Einzug in ein Pflegeheim wenn schon nicht verhindern, so doch zumindest zeitlich etwas hinauszögern. In Anbetracht der angespannten Lage in unserem Gesundheitssystem braucht es genau solche innovativen Ideen und zukunftsweisenden Projekte."

Im Pflegeheim Kindberg werden in der Frischküche täglich rund 200 Essensportionen produziert. | Foto: Koidl
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Ergänzend zur Einführung einer Spermidin-reichen Ernährung im Kindberger Pflegeheim gab es auch einen Vortrag der beiden Studienautoren Reinhart Jarisch und Aribert Wendzel  zum Thema Spermidin und die positiven Effekte, die in der „Wiener Demenz Studie“ wissenschaftlich nachgewiesen werden konnten. Erkenntnisse aus dieser Studie hat Aribert Wendzel als damalige Leiter in den "Gepflegt-Wohnen-Heimen" Hart bei Graz und Sinablkirchen einfließen lassen.

Keinerlei Nebenwirkungen

"Innerhalb nur weniger Monate verbesserten sich die Werte beim Mini-Mental-Status-Test im Durchschnitt um 3 bis 5 Punkte, wobei Personen mit leichter bis mittlerer Demenz stärker profitierten als Personen mit bereits schweren kognitiven Veränderungen. Und das lediglich durch die Einführung von Spermidin-reichem Frühstücksgebäck. Die Gedächtnisleistung der Bewohnerinnen und Bewohner hat sich nachhaltig verbessert", erklärt Wendzel. Und Jarisch ergänzt: "Es handelt sich dabei durchwegs um regionale Lebensmittel und im Gegensatz zu Medikamenten gibt es hierbei keinerlei Nebenwirkungen." Beide hoffen jedoch, dass es bei den Pesl-Weckerln doch zu Nebenwirkungen kommt: "Und zwar, dass das Gebäck fleißig gekauft wird."

Mittlerweile gibt es auch schon ein "Spermidin-Kochbuch", erschienen im Kneipp-Verlag und geschrieben vom Studien-Autor Reinhart Jaritsch selbst.

Reinhart Jarisch hat nicht nur die "Wiener Demenz Studie" mit verfasst, sondern auch gleich ein Kochbuch darüber geschrieben. | Foto: Styria Verlag
  • Reinhart Jarisch hat nicht nur die "Wiener Demenz Studie" mit verfasst, sondern auch gleich ein Kochbuch darüber geschrieben.
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Und so lässt sich das BrainFit-Konzepts in der Küche des Pflegeheims Kindberg umsetzen:
• Mit Weizenkeimen angereichertes Gebäck (Brot, Semmeln) von der Bäckerei Pesl;
• Hausintern gebackenes Sonntagsbrot mit Weizenkeimen;
• Integration von Weizenkeimen in den allgemeinen Speiseplan der Frischküche (in Cremesuppen, Kuchen, Panaden, Süßspeisen, Beilagen etc.);
• Förderung der Mitarbeitergesundheit, indem sie über das Mitarbeiteressen von dieser gesundheitsfördernden Maßnahme profitieren.
• Einbeziehung der Essen-auf-Räder-Kunden in das Konzept, da sie jene Zielgruppe sind, die lt. der Wiener Demenz-Studie erheblich von einer Spermidin-reichen Kost profitieren würden.
• Multiplikatorwirkung durch die Weitergabe der Information über die Studie und den Projektverlauf an Mitarbeiter, Angehörige und Interessenten.

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