Mehrfach befangener Bürgermeister als Kommissär?

Wer führt die Geschäfte von Ganz Mürzzuschlag, wenn es fast ein halbes Jahr lang wegen der Zwangsfusion keine demokratisch gewählte Gemeindevertretung gibt? Diese Frage stand im Mittelpunkt der Mürzzuschlager Gemeinderatssitzung vom 26. Juni 2014, über welche die Mürzzuschlager Bevölkerung im amtlichen Mitteilungsblatt erst im September informiert wird.

Die letzte Ausgabe des Amtsblattes, das seit einiger Zeit von der Mürz-Agentur betreut wird, war nämlich schon eine Woche vor der Gemeinderatssitzung erschienen, weil man das Sommerveranstaltungsprogramm nicht schnell genug unter die Leute bringen konnte. Diese Amtsblatt-Ausgabe widmete ungleich mehr dem Veranstaltungsgeschehen, als der politischen Willensbildung. Ein anonymer Kommentator lästerte auch über die „Da tut sich ja nix“ Einstellung mancher Stadtbewohner. Wer aber darauf reagieren wollte, und auf die angeführte Mail-Adresse klickte, bekam vom postmaster die Antwort „does not exist“.

In der Fragestunde der Gemeinderatssitzung stellte Franz Rosenblattl (KPÖ) fest, dass hier der Schwanz mit dem Hund wachelt. Er denke, die Gemeindezeitung diene in erster Linie dazu, um Information der Gemeindeverwaltung sowie des Gemeinderates der Bevölkerung zuzuführen. Dieser Aufgabe wurde die Gemeindezeitung in den letzten Jahren immer weniger gerecht mit ihrem Fokus auf Veranstaltungen.

Auch Arnd Meißl (FPÖ) betonte, dass es sich hier um ein Amtsblatt handle und Richard Thonhauser (GRÜNE) gab zu bedenken, dass es naheliegender wäre, die Ausgaben dieser Gemeindezeitung nicht unter „Amtsblatt“ sondern unter „Kommunales Marketing“ zu verbuchen.

Die Bestellung eines Regierungskommissärs

Neben zahlreichen einstimmigen Beschlüssen und einer Kontroverse über das Alkoholverbot vor der Volksschule und möglicherweise auch auf anderen Plätzen, stand die Empfehlung für eine Kommissärsbestellung im Mittelpunkt der Sitzung. Bürgermeister Karl Rudischer hatte sich schon im Vorfeld um ein Einvernehmen mit den anderen Fraktionen bemüht:

„Liebe Kollegen,
wie ihr wisst, werden die Gemeinden Ganz und Mürzzuschlag so wie viele andere Gemeinden mit Ende des Jahres aufgelöst. Für die Zeit bis zur Angelobung des neu gewählten Gemeinderates und Bürgermeisters wird vom Land ein Regierungskommissär bestellt und ist vorgesehen, aus jeder wegfallenden Gemeinde eine Person als Beirat zu bestellen.
Seitens des Landes wurde uns mitgeteilt, dass die Gemeinden einen Vorschlag für diese beiden Funktionen beibringen können, ob Ganz das machen wird, kann ich nicht sagen, vermutlich nicht, da sie ja die Gemeindefusion grundsätzlich ablehnen und Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof gegen das Landesgesetz eingebracht haben. Auch wenn es auf den ersten Blick eigentümlich erscheint, ist für den Vorschlag des Regierungskommissärs kein GR-Beschluss notwendig, für den Vorschlag des Beirates schon. Aus rechtlicher Sicht ist es dann doch verständlich, da der Regierungskommissär eben vom Land bestellt bzw. bestimmt wird, ein Beirat wird jedoch vom jeweils wegfallenden Gemeinderat entsandt. Grundsätzlich wird auch vorgeschlagen, derzeit amtierende Bürgermeister von größeren Gemeinden für den Regierungskommissär zu nominieren, grundsätzlich kann das aber jede natürliche Person sein, die unter Umständen auch nicht dem Gemeinderat angehört. Allerdings sollte diese Person entsprechende Kenntnis und Erfahrung haben.
Meine Fraktion und ich würden daher vorschlagen, dass wir in der nächsten GR-Sitzung den Antrag einbringen, mich als Regierungskommissär dem Land vorzuschlagen (dies aus Transparenzgründen, wie gesagt, ein Beschluss ist nicht erforderlich, jedoch selbstverständlich möglich) und Vizebürgermeister Gstättner als Beirat zu nominieren. Der Ordnung halber muss ich noch ausführen, dass der Beirat, gemäß seinem Namen, beratend tätig sein wird, jedoch kein Stimmrecht oder offizielle Befugnis inne hat. Auch der Regierungskommissär hat nur die für den reibungslosen Ablauf der Gemeindearbeit erforderlichen Anordnungen zu treffen und Beschlüsse zu fassen und wird nicht die Kompetenz haben, weitreichende Entscheidungen für die zukünftige Gemeinde treffen zu können. Ich hätte auch nicht vor, in dieser Zeit „verrückte Dinge“ anzuordnen und natürlich auch zu verantworten.“

FPÖ, KPÖ und GRÜNE konnten sich im Gemeinderat dieser Vorgangsweise nicht anschließen. Arnd Meißl wies darauf hin, dass es ein Interessenskonflikt sei, wenn ein im Wahlkampf stehender Bürgermeister ohne demokratische Kontrolle als Kommissär amtiere. Außerdem sei auch innerhalb dieser Zeit Karl Rudischer als Architekt in Bauvorhaben der Stadt involviert. Von der FPÖ werde der Wunsch auf Bestellung eines Beamten an das Land ergehen.

Richard Thonhauser kritisierte, dass in dieser wichtigen Frage das Volk nicht gefragt werde und Franz Rosenblattl stellte fest, dass die Opposition für ein halbes Jahr ausgeschaltet sei. Erwähnung fanden auch Anträge, die im Landtag von FPÖ und GRÜNEN gegen diese Vorgangsweise eingebracht wurden.

Bei der Abstimmung im Mürzer Gemeinderat wurden der Antrag, Bürgermeister Karl Rudischer als Kommissär vorzuschlagen und Vizebürgermeister Franz Gstättner als Beirat zu nominieren mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP angenommen. Gegenstimmen kamen von FPÖ, KPÖ und Grünen.

Wenn ich mir als ehemaliger Vorsitzender des Prüfungsausschusses abschließend eine persönliche Meinung erlaube, dann empfinde ich diese hauptsächlich vom Land geschaffene Situation demokratiepolitisch für höchst bedenklich. Da es auch ein halbes Jahr ohne Haushaltsbeschluss zu wirtschaften gilt, kenne ich in Mürzzuschlag ohnehin nur einen Beamten, der es als Kommissär schaffen könnte, aber der zählt schon seine Tage bis zur Pension!

Push-Nachrichten auf dein Handy
MeinBezirk.at auf Facebook verfolgen
Die Woche als ePaper durchblättern
Newsletter deines Bezirks abonnieren

1 Kommentar

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

Anzeige
"Josh" wird bei den ersten "Mürzhofner Spring Vibes" in Kindberg am 8. Mai auf der Bühne stehen.  | Foto: Michael Strini
4

"Mürzhofner Spring Vibes"
Der Countdown zur Premiere läuft

Der Countdown zu den ersten "Mürzhofner Spring Vibes" am 8. Mai 2024 läuft und damit auch der Countdown zum Auftritt von "Josh" in Kindberg. Mit dabei an diesem Abend ist auch Singer-Songwriter Alexander Eder sowie Moderator und DJ "Daniel Düsenflitz". Karten sind noch in allen Kategorien erhältlich. KINDBERG. "Cordula Grün", "Expresso & Tschianti", "Martina" oder "Ich gehör repariert": Hits hat der österreichische Musiker "Josh" schon einige. Derzeit auf Deutschland-Tournee, gibt der Sänger am...

  • Stmk
  • Mürztal
  • Angelina Koidl
Anzeige
In Kapfenberg wird in Bahnhofsnähe um 25 Millionen Euro eine Stadtquartierlösung umgesetzt. | Foto: Grünbichler Immobilien
3

Bauen & Wohnen 2024
So viel kostet Wohnen im Bezirk Bruck-Mürzzuschlag

Was zahlt man aktuell eigentlich fürs Wohnen im Bezirk Bruck-Mürzzuschlag? Ein Blick in die aktuelle Preisentwicklung auf dem Immobilienmarkt. BRUCK-MÜRZZUSCHLAG. Die Region entlang des Mürztales wird durch den Südbahn-Korridor durch die Fertigstellung des Koralm- und Semmeringbasistunnels eine weitere Aufwertung erfahren. Rund um die Bahnhöfe Kapfenberg, Bruck und auch Mürzzuschlag haben Projektentwickler Großes vor. Zum Erwähnen wären die Projekte “Q4 Kapfenberg”, eine Quartierlösung mit...

  • Stmk
  • Bruck an der Mur
  • Markus Hackl

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.