Brief an einen Freund jenseits von diesseits
Ich fang ein neues „Leben an . . .“, stand auf dem bereits fertigen Konzept der Einladung zum 80. Geburtstag von Helmut Max Zoidl.
Lieber Helmut!
Als wir am Samstag nach Deiner Einlieferung ins Spital miteinander telefoniert haben, konnte ich noch nicht ahnen, dass dies unser letztes Gespräch sein würde. Ich habe Dich am nächsten Tag, wie versprochen, besucht, doch Du hast in der Nacht davor wohl schon beschlossen, keine Besuche mehr zu empfangen, Dein Leben Revue passieren zu lassen und die letzten Schritte Deines Weges alleine anzutreten. Eine Woche später, am Samstag, 14. September, wussten alle, dass Du bereits dort angekommen bist, wohin wir alle einmal gehen. Spätnachts bist Du hinausgegangen ins Licht der Dunkelheit, hast Deine Schätze eingetauscht, für eine Handvoll Erde.
Ich habe mich immer davor gefürchtet, solche Zeilen schreiben zu müssen. Jetzt ist es so weit und ich weiß, dass jedes Wort meines Nachrufes nur ein Versuch bleibt und nicht annähernd das wiedergeben kann, was Du für mich und für viele andere Menschen verkörpert hast. Du hast in den nahezu 80 Jahren Deines Lebensweges tiefe Spuren hinterlassen. Dein stets wachsamer Blick reichte weit über Deinen ideologischen Tellerrand und die Grenzen Deiner eigenen Interessen hinaus. Du warst immer ein großzügiger Gastgeber, tolerant - ein Philanthrop, der die Schwächen der anderen akzeptiert und die eigenen ungeniert gelebt hat, so, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt. Du warst für mich die Inkarnation des Lebens, hast keine Sekunde davon verschenkt, weil Du wusstest, wie wertvoll es ist. Die Tage waren für Dich immer zu kurz und so hast Du auch die Nacht zum Tag gemacht und damit nur wenige Stunden Deines Lebens wirklich verschlafen, was sich in Deinen beeindruckenden Lebensleistungen spiegelt.
Du bist schon immer Deinen eigenen Weg gegangen und „My Way“ von Frank Sinatra wurde Dir zur Lebenshymne, die Du in geselliger Runde immer wieder auch selbst interpretiert hast. Du hast es verstanden, Deine Schwächen zu Deinen Stärken zu machen, wo Du am Werk warst, hat es immer auch „gemenschelt“.
Wenn ich Dir als gutmeinender Freund den Rat gegeben habe, im Alter etwas leiser zu treten, hast Du geantwortet: „Worauf soll ich warten?“ Deine Unvernunft war nichts als logische Vernunft. Du hast bis zuletzt gelebt und Dich nicht frühzeitig zu den lebenden Toten gesellt. Du hast Deinem Körper und Deinem Geist das Letzte abverlangt, so lange, bis es einfach nicht mehr ging. Du hättest in einem Schaukelstuhl wahrscheinlich neunzig werden können. Aber das war für Dich keine Option.
Ich durfte Dich mehr als 30 Jahre auf Deinem Lebensweg begleiten. Während dieser Zeit ist eine tiefe Freundschaft zwischen uns gewachsen. Ich erinnere mich gerne an unsere vielen schönen gemeinsamen Stunden und Deinen Spruch: „Stundenweise kann das Leben verdammt schön sein!“ Besonders wichtig war Dir zeitlebens auch die Nähe zu den einfachen, kleinen Leuten. Für Deine Mitarbeiter warst Du „Chef und Kumpel“ zugleich, wie Kollege Josef Fröhlich von der Kleinen Zeitung in seinem Nachruf so treffend schrieb. Wer Dich als Freund kennenlernen durfte, konnte sich glücklich schätzen. Wer Dich zum Gegner hatte, musste Dich fürchten. Du bist kompromisslos zu Deiner Meinung gestanden und hast keinen Konflikt gescheut, wenn es galt, sie zu vertreten.
Du hast mein Leben und das vieler anderer ungemein bereichert. Du hast eine Lücke hinterlassen, die niemand schließen kann. Du wirst fehlen. Deinen Lieben in der Familie, Deinen vielen Freunden und Bekannten und vielleicht sogar Deinen Feinden, denen Du tapfer die Stirn geboten hast.
Danke für alles!
Dein Freund Wolfgang
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