Roboter-Busse und Akku-Züge für Niederösterreich

- hochgeladen von Oswald Hicker
Ein Roboter-Bus für Wiener Neustadt, ein Akku-Zug für das Kamptal. Verkehrslandesrat Ludwig Schleritzko auf Mission Zukunft in Berlin.
Der Campus Charite in Berlin ist ein weitläufiges, durch Schranken vom Rest der Stadt abgetrenntes Spitalsareal. Schlendernde Studentengruppen, Radler, Liefer-LKW und Krankenwagen mit Patienten sind auf den wuseligen Straßen zwischen den Klinikgebäuden unterwegs. Und ein quietschgelber Kleinbus. Von außen wirkt das Gefährt etwas plump. Das Wort „plump" würde Heike Müller von den Berliner Verkehrsbetrieben aber nie in den Mund nehmen. „Knuffelig" klingt auf Berlinerisch viel sympathischer. Aber die Berliner Verkehrsbetriebe haben den Sechssitzer auch nicht des Designs wegen in Betrieb. Es geht um die inneren Werte. Denn das schachtelförmige Gefährt kann völlig alleine Fahrgäste über einen 1,2 Kilometer langen Rundkurs mit sechs Stationen befördern. Vollgespickt mit Sensoren, Kameras und Rechenleistung ist es der erste selbstfahrende Bus im Betrieb der Bundesdeutschen Hauptstadt. Akkubetrieben schafft die High-Tech-Kiste Tempo 40 und soll so fahrerlos den öffentlichen Verkehr revolutionieren. Theoretisch.
Die Praxis ist noch etwas ernüchternder. Seit Frühjahr läuft das Projekt „STIMULATE" im Probebetrieb. STIMULATE ist eine sehr ausgefuchste Abkürzung. Wofür sie genau steht kann aber niemand beantworten. An diesem schönen Septembertag zählen sich auch Verkehrslandesrat Ludwig Schleritzko und Journalisten zu den Testpersonen. Ab geht die Fahrt und man sieht sofort: 40er ist das keiner. „Unsere Fahrzeuge sind aus Sicherheitsgründen auf 12 Stundenkilometer gedrosselt", erklärt Heike Müller. Theoretisch. Denn schon nach wenigen Metern hält der Knuffelige Busroboter wieder an. Irgendetwas hat ihn irritiert. Was genau? Weiß man nicht. Vielleicht ein herabfallendes Blatt einer Platane am Straßenrand, vielleicht ein Fußgänger, der in fernerem Respektsabstand rasch die Straße quert. „Unsere Fahrzeuge sind sehr defensiv eingestellt. Sicherheit geht vor." sagt Heike Müller.
Sicherheit ist auch der Grund warum trotzdem ein Fahrer an Bord ist. Busfahrer in abgefahrenen, autonomen Bussen sehen aber anders aus als im LUP in St. Pölten. Die Dame ist Mitte 20, trägt T-Shirt, Jeans und Converse. Lenkrad gibt es keines, sondern einen „Controler". „Wie Playstation" sagt die Fahrerin und drückt den kleinen Joystick mit dem Daumen wieder nach vorne, und das Gerät setzt seine Fahrt im Schleichmodus fort. Bis zur ersten Haltestelle. So geht das weiter. Stop and Go ohne viel Verkehr. „Sie sehen schon, das Projekt ist wirklich noch am Anfang. Zu Fuß wären wir wohl schneller". sagt Heike Müller.
Tatsächlich. Durch die Heckscheibe sieht man einen genervten jungen Mann, der seit geraumer Zeit mit seinen genagelten Schuhen hinter dem „knuffeligen" Bus herschlendert. Immer wieder setzt er zum Überholen an, aufgrund der engen Gasse und eines entgegenkommenden LKW geht das aber nicht. Als sich die Straße wieder weitet, schreitet er flugs vorbei und kurz darauf sieht man sein Hinterteil am Horizont verschwinden. Weg ist er. Klassisch „versaugt" hätten wir in unserer Moped-Zeit gesagt.
Nach 20 Minuten sind die 1,2 Kilometer vorüber. Adrenalinkick löst so eine Fahrt beim Gast nicht aus. „Sie müssen bedenken: Wir sammeln hier wertvolle Daten. Das System lernt ständig dazu." sagt Heike Müller. Wie nehmen eigentlich die Bediensteten der BVB den knuffeligen, gelben Kollegen auf? Was sagen Betriebsräte und Gewerkschaften? „Natürlich wird das genau beobachtet. der Großteil unserer Bediensteten sind ja Fahrer. Aber wir arbeiten eng mit den Personalvertretern zusammen. Das ist aber kein Problem, da ja Fahrer in den autonomen Bussen anwesend sein müssen" sagt Heike Müller. Theoretisch. Denn ab April soll der Testbetrieb ohne Begleitpersonal fortgesetzt werden.
Schon Bald wird ein baugleiches Modell dieses Busses auch in Niederösterreich unterwegs sein. Während der Landesausstellung in Wiener Neustadt werden Besucher das autonome Fahrerlebnis selbst testen können. Ist das System auch eine reale Alternative für den Öffi-Verkehr in Niederösterreich? Landesrat Schleritzko: „Noch steckt die Technik in den Kinderschuhen. Aber die Entwicklung schreitet rasant voran. Ich könnte mir vorstellen, dass derartige Minibusse eine Lösung für die Letzte Meile sind. Also etwa auf schwach ausgenutzten Strecken Menschen aus Umlandgemeinden zu Verkehrsknotenpunkten zu transportieren." Würde der Verkehrslandesrat sein Leben einem derartigen Roboter-Bus anvertrauen? „Ja. Wir sind mit dem Flugzeug gekommen. Das fliegt bereits fast die gesamte Strecke auf Autopilot. Also ist das kein Problem für mich. Allerdings ist es gut zu wissen, dass im Notfall jemand da ist, der das Steuer in die Hand nehmen kann."
Von der Zukunft des Straßenverkehrs geht es zur Zukunft des Schienenverkehrs. Auf der Fahrt von der Charite zur Eisenbahn-Fachmesse „Innotrans" merkt man den Unterschied. Der indischstämmige Taxifahrer schlängelt seinen Kleinbus gekonnt durch den Stoßverkehr Berlins. Sein Betriebsmodus ist nicht defensiv eingestellt. Darum erscheint die Delegation aus Niederösterreich auch pünktlich am Messegelände. Hersteller aus aller Welt präsentieren hier die neuesten Entwicklungen am Schienensektor. Eine riesige Peep-Show für ferrosexuelle Pufferküsser, wie man sich in der Eisenbahnbranche augenzwinkernd bezeichnet.
Hier kann man bereits heute bestaunen, was morgen auf den Schienennetzen der Welt unterwegs ist. So wie der Cityjet ECO der Firma Siemens. Äußerlich ist der Triebwagen nicht von einem normalen Cityjet, wie er in Niederösterreich bereits im Einsatz ist, zu unterscheiden. Im Inneren aber schlägt ein grünes Herz. Denn der ECO soll den Dieselstinkern auf unseren Nebenbahnen den Todesstoß versetzen. Denn der Zug ist ein Hybrid. Auf elektrifizierten Strecken fährt er wie jeder andere Zug, ohne Oberleitung bewegen ihn Akkus. Elektrisch, geräuscharm ohne Abgase. Verkehrslandesrat Schleritzko: „Das wäre eine perfekte Lösung für die Kamptal- oder die Aspangbahn. Durch den Betrieb mit Akku und Fahrstrom könnte man hier neue Direktverbindungen in die Zentren schaffen, ein Umsteigen wäre nicht mehr nötig."
Derzeit laufen die letzten Verhandlungen mit Siemens. Läuft alles nach Plan könnten schon bald 35 Akku-Züge im Verkehrsverbund Ost-Region in Betrieb gehen. Schleritzko: „Das hätte einen weiteren Vorteil. Es wäre ein weiterer Beitrag zum Klimaschutz. Mit den Garnituren könnten die 600.000 Fahrgäste, die täglich den Öffi-Verkehr in Niederösterreich nutzen, noch umweltfreundlicher unterwegs sein als bisher."




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