Parlament Wien
Blick ins "Herz der österreichischen Demokratie"
Am 12. Jänner öffnete das Parlament nach dem Umbau seine Pforten. Bis zu drei Stunden Wartezeiten nahmen Besucher bei den Tagen der offenen Tür (Samstag und Sonntag) in Kauf, um sich das Hohe Haus, das um 352,2 Millionen Euro saniert wurde, von innen anzusehen. Wir waren mitten drin statt nur dabei. Ein Erlebnisbericht.
NÖ / WIEN. Ein Meer aus Regenschirmen vor dem Parlament am Sonntag: Der Tag der offenen Tür, der sowohl Samstag als auch Sonntag von 10 bis 17 Uhr angeboten wurde, haben nicht nur die Wiener genützt, um in die geschichtsträchtigen Räumlichkeiten zu kommen.
Auch wir haben uns unter die Besucher gemischt. Unter ist sowieso vollkommen übertrieben, denn die Schlange war lang. 10.39 Uhr waren wir vor Ort.
Aber – wer nun glaubt, dass wir da auch bereits im Gebäude waren, der irrt gewaltig. Im Gegenteil wir mussten uns am Ende der Schlange – im Norden des Gebäudes, am Rathausplatz – anstellen. Und es ging ganz gut dahin. Bei Nieselregen. Die Frisur unter der Haube sitzt.
Links, rechts, links... in Richtung Rampe
Spätestens auf der Ostseite kennt man dann die anderen Gäste rund um einen. Die ersten kurzen Gespräche werden geführt. Vorfreude ist ja bekanntlich die schönste Freude und im Schritttempo ging es in Richtung Rampe. Dann war aber Schluss mit lustig. Und vor allem mit den Schritten. Beobachtet von der Polizei und den Sicherheitsleuten vor Ort, die die Besucher baten, die gesamte Breite der Rampe auszunützen. Die ersten Strategen entpuppten sich, die Überlegungen, auf welcher Seite man schneller ins Gebäude kommt, wurden angestellt. Eine Lösung dafür? Keine Ahnung. Jedenfalls wurde es – je weiter wir nach oben in Richtung Eingang kamen – zunehmend enger.
Nordlichter, Kürbiscracker und Schätzungen
Studenten tauschten sich über Erasmus, Norwegen und die Nordlichter aus. Aber auch über Malaysia und die türkische Küche. Ihnen schien die Wartezeit nichts auszumachen. Anders bei einer Dame, der die Kälte schon ins Gesicht geschrieben war und die ihre Kürbiskerncracker immer wieder sorgfältig in ihre Tasche steckte.
Der Regen wurde stärker, die ersten Schätzungen, wann wir das Parlament betreten laut gesagt. Von 12.30 oder 13.30 war die Rede. Das machte die Situation nicht unbedingt besser, dennoch – aufgeben war keine Option mehr. Zumindest nicht für den Großteil. Einige taten es doch. Manch einer schüttelte den Kopf und runzelte die Stirn.
Wie gern wär man auf der Couch
Dann tauchte die Frage auf, wie wohl die Sicherheitskontrollen ablaufen. Schirme und Taschen – wohin damit. Und dann plötzlich Aufregung: Das Messer vom Schwammerl-Suchen befindet sich eventuell noch im Rucksack. Oder sogar sicher. Kein Problem, dies wurde beim Eingang abgegeben. So wie auch die zahlreichen Regenschirme und Trinkflaschen.
Endlich haben wir schon mal die Sicht auf den Eingang und auf das rote Band, das von den Securitys etappenweise geöffnet wurde. Und zwar exakt für 50 Menschen. Gib mir den Autoschlüssel, ich halt es nicht mehr aus, mir ist so kalt ... Nein, nur ein Scherz natürlich. Wie gemütlich wär es jetzt auf der Couch? Wir bleiben standfest. Im wahrsten Sinne des Wortes.
Gearbeitet wird im "Stehen"
Für Schlüssel und Handy ging es dann ab aus der Hosentasche in die Handtasche oder die Jacke. Und diese musste ausgezogen werden. Nach der Sicherheitsschleuse wurden wir vom Hausherrn Wolfgang Sobotka, Präsident des Nationalrates, der im niederösterreichischen Waidhofen an der Ybbs geboren wurde, mit Handschlag begrüßt.
Blick in die Kamera und ein "Danke, dass sie sich die Zeit nehmen und ausgeharrt haben" zeigt einem dann doch, dass es sich gelohnt hat. Und vielmehr der Weg durch die Räumlichkeiten.
Sucht man in Sobotkas Büro einen Schreibtisch im herkömmlichen Sinn, dann wird man enttäuscht sein. Der Guide erklärt auch warum? "Der Präsident arbeitet gern im Stehen oder an seinem Pult". Bei den Bildern, die an der Wand hängen, hatte er Mitspracherecht – lautete die Antwort auf eine Frage aus dem Publikum.
Durchatmen, niedersetzen und lauschen
Magnet ist auch der Flügel, auf welchem gespielt wurde. Zeit, um dies zu genießen, gab es. Einfach niedersetzen, zuhören, ausruhen ...
Ab in den Nationalratssaal, den Bundesratssaal, den Bundesversammlungssaal. Beeindruckend. Gänsehaut. Und rauf in Richtung Glaskuppel mit dem Blick über Wien und in das Plenarium im 3. Stock. Genießen. Und einen Schluck Wasser aus dem Spender nehmen.
Runter über die Stufen ins Erdgeschloss: Demokratie steht hier ganz groß auf der Wand im Erwin Schrödinger-Saal, in dem die Untersuchungsausschüsse stattfinden. Der Rundgang durch Auditorium, Bibliohek, Lesesaal und Forum runden die beeindruckende Tour durch das Parlament ab. Noch einmal umdrehen und dann: Schirm abholen, Haube aufsetzen und raus auf den Doktor-Karl-Renner-Ring. Doch zuvor gib's noch ein Dankeschön zum Mitnehmen in Form von Tee.
Der Würstlstand gegenüber profitiert von den vielen Besuchern im Parlament, denn – was wär schon ein Besuch im Hohen Haus in Wien ohne Eitrige oder Bosna?
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