Volkshilfe-Umfrage
Kinder werden ärmer, trauriger, einsamer

Betroffene Kinder leiden nicht nur unter dem finanziellen Druck, sie leiden auch unter Ausgrenzung in der Schule und Freizeit, spüren die Sorgen ihrer Eltern und sind öfter krank. | Foto: Cheryl Casey/Fotolia
  • Betroffene Kinder leiden nicht nur unter dem finanziellen Druck, sie leiden auch unter Ausgrenzung in der Schule und Freizeit, spüren die Sorgen ihrer Eltern und sind öfter krank.
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„Immer wenn ich traurig bin, habe ich Bauchschmerzen.“ Das sagte ein Neunjähriger Linzer bei einer Umfrage, die von der Volkshilfe Österreich unter armutsbetroffenen Familien durchgeführt wurde. Das Ergebnis erschüttert auch Volkshilfe OÖ-Vorsitzenden Michael Schodermayr.

OÖ. „79 Prozent aller Befragten gaben an, sich jetzt noch mehr Sorgen über die Zukunft zu machen. Und auf die Hälfte der befragten Familien hat sich die Corona-Krise finanziell negativ ausgewirkt. Ein recht hoher Prozentsatz, wenn man bedenkt, dass ihr Einkommensniveau schon vor Corona unter der Armutsgefährdungsschwelle lag“, erklärt Schodermayr und verweist auf die rund 42.000 Kinder allein in Oberösterreich von Armut betroffenen Kinder. „Armut bedeutet für sie, in überbelegten oder feuchten Wohnungen zu leben, sich keine Vereinsmitgliedschaften leisten zu können, keine Freunde einladen zu können oder das Taschengeld für die Haushaltsausgaben sparen zu müssen. Kinder leiden nicht nur unter dem finanziellen Druck, sie leiden auch unter Ausgrenzung in der Schule und Freizeit, spüren die Sorgen ihrer Eltern und sind öfter krank“, so Schodermayr.

Kinder wurden auch aggressiver

Das spiegelt auch die Umfrage wieder. Auf die Frage, ob und wie sich die Emotionalität ihrer Kinder in der Corona-Krise verändert hat, gaben jeweils mehr als die Hälfte der Eltern an, dass ihre Kinder trauriger (74 Prozent), einsamer (57 Prozent) oder aggressiver (53 Prozent) waren als zuvor. „Wohl nicht zuletzt deshalb haben 50 Prozent der Befragten ihre aktuelle Lebensqualität in Zeiten von COVID mit den Schulnoten 4 beziehungsweise 5 beurteilt. Vor Corona hat keine dieser Familien ihre Lebenssituation mit einem Nicht genügend bewertet und nur sieben Prozent mit einem Genügend. Diese enorm hohe Steigerung ist ein Gradmesser für die verstärkte Benachteiligung armutsbetroffener Kindern in der Krise“, sagt dazu Erich Fenninger, als Direktor der Volkshilfe Österreich Auftraggeber der Umfrage.

Hohe Belastungen beim Home Schooling

Dass ihre Kinder während der Krise nicht mehr in die Schule beziehungsweise den Kindergarten gehen konnten, beschrieben rund zwei Drittel aller Betroffenen als sehr bis ziemlich belastend, viele berichten wegen der Mehrkosten durch das Home Schooling von finanziellen Problemen. Neben den bekannten Herausforderungen (fehlende Laptops oder Internetzugang sowie Mangel an Lernraum) fehlte 58 Prozent das Wissen, um ihren Kindern bei den Aufgaben helfen zu können.

Forderungen der Volkshilfe

„Die Maßnahmen der Regierung wie die Einführung der Sozialhilfe neu sowie die geplante Änderung des Familienbonus Plus sorgen de facto leider für schlechtere Lebensbedingungen von hunderttausenden Familien in Österreich“, kritisieren Erich Fenninger und Michael Schodermayr unisono. Der beschlossene Bonus von 360 Euro für jedes Kind sei als Einmalzahlung für armutsgefährdete Familien vollkommen unzureichend, auch das aktuelle Arbeitslosengeld in Höhe von 55 Prozent des Nettoeinkommens befördere dauerhafte Armut anstatt sie zu bekämpfen. Sie fordern daher eine staatliche Kindergrundsicherung und die Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 75 Prozent.

Corona-Krise zeigt Schwächen neuer Sozialhilfe

Der Vorsitzende der Volkshilfe OÖ kritisiert darüber hinaus, dass das in Oberösterreich bereits umgesetzte neue Sozialhilfe-Gesetz die Situation armer Menschen zusätzlich verschlechtert. „Geringere Richtsätze für Erwachsene und Kinder, Anrechnung der Wohnbeihilfe und eine uneinheitliche Vollzugspraxis der Bezirksverwaltungsbehörden bei der Berechnung des Wohnaufwandes von Haushaltsgemeinschaften führen dazu, dass Haushalte mit Sozialhilfe teilweise um mehrere hundert Euro monatlich weniger haben im Vergleich zur bedarfsorientierten Mindestsicherung", kritisiert Schodermayr.

Zur Umfrage:
Die Fragen wurden zwischen 1. und 30. Juni 2020 insgesamt 100 Personen gestellt. Befragt wurden ausschließlich armutsbetroffene Familien mit Kindern, dies bedeutet das aktuelle Haushaltseinkommen muss unter der Armutsgefährdungsschwelle liegen. Diese liegt aktuell bei 1.636 Euro für einen Haushalt mit einem Erwachsenen und einem Kind. Bei der Befragung wurde auf eine österreichweite Verteilung geachtet. Aufgrund der Sample-Größe kann die Umfrage nur bedingt als repräsentativ gelten. Sie bietet dennoch einen guten Indikator für die Problem- und Stimmungslage von armutsbetroffenen Familien in Österreich.

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