OÖ. Polizeichef Pilsl im Interview
"Schlepperkriminalität bekämpfen ist Mammutaufgabe"

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Oberösterreichs Landespolizeikommandant Andreas Pilsl spricht im Interview mit der BezirksRundSchau über die steigende Anzahl der Schlepperaufgriffe in OÖ, die Grenzkontrollen zu Tschechien, die Gefahr des Rechtsextremismus und kündigt zusätzliche Polizeikräfte für Oberösterreich an.

Interview: Thomas Kramesberger

Derzeit gibt es häufig Schlepperaufgriffe in Oberösterreich, speziell im Mühlviertel. Warum ist das so, was hat sich verändert?
Pilsl:
Es gab zuletzt eine größere Zahl von Aufgriffen. Das hat viel mit der Operation Fox zu tun, die die österreichische Polizei gemeinsam mit Ungarn durchführt. Im Rahmen dieser Operation wird versucht, den Grenzübertritt bereits in Ungarn zu verhindern. Deshalb nutzen die Schlepper Ausweichrouten. Aber die Flüchtlinge sind immer da, nur ist der Flüchtlingszustrom in Österreich heuer geringer als in anderen europäischen Ländern – dort steigen die Zahlen stark an. Insgesamt konnten wir in Oberösterreich heuer 35 Schlepper einsperren, das ist eine relativ große Anzahl.

Also es wird in Ungarn mehr kontrolliert und die Schlepper weichen dann über andere Routen aus?
Ja, es gab dann offensichtlich eine Verlagerung in Richtung Tschechien und Polen. Aber wenn dort der Druck erhöht wird, werden sich die Routen sicher erneut verlagern. Es ist eine Mammutaufgabe.

Die Grenzkontrollen zu Tschechien sind eine Reaktion auf die Verlagerung?
Ja, seit 18. Oktober werden die Grenzübergänge zu Tschechien stichprobenartig kontrolliert. Der Fokus liegt auf den beiden großen Übergängen in Wullowitz und Weigetschlag. Wir konzentrieren uns auf die Bekämpfung der Schlepperkriminalität und werden verdächtige Fahrzeuge kontrollieren, die als mögliche Schlepperfahrzeuge in Frage kommen. Die Maßnahmen gelten zunächst mal bis 28. Oktober, aber Österreich kann sie verlängern.

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Es gibt den Vorwurf, die Ungarn würden die Flüchtlinge einfach durchwinken und die Österreich hat dann Arbeit und die Asylverfahren zu führen.
Österreichische Polizisten kontrollieren in Ungarn mit den Kollegen vor Ort und da gibt es sehr viele Aufgriffe – die Ungarn führen dann diese Verfahren. Also da passiert schon sehr viel. Nur in Ungarn will fast niemand Asyl haben, das hat auch mit den niedrigeren Standards zu tun. Aber es ist falsch zu sagen, dass die Ungarn nichts machen würden. Ungarn hat einen Grenzzaun und es gibt eben die gemeinsamen der Polizei, die jetzt noch verstärkt werden. 

Aufgrund der Terroranschläge in Israel ist die Islamisten-Szene wieder in den Fokus gerückt. Gibt es da ein Gefahrenpotenzial in OÖ?
Es ist noch nicht lange her, dass wir Hausdurchsuchungen in dieser Szene gemacht und Terror-Sympathisanten ausgeforscht haben. Also ja, es gibt auch in Oberösterreich ein Islamisten-Potenzial und Leute, die sich radikalisieren. Die Polizei ist so wachsam wie möglich, aber ein konkrete Gefährdung von Hamas-Sympathisanten ist bis dato nicht bekannt.

Sie sagen „so wachsam wie möglich“. Sie meinen damit, die Polizei bräuchte zusätzliche Ermittlungsbefugnisse?
Ja, das Überwachen von Messenger-Diensten kann ganz Europa – nur wir dürfen es nicht. Man geht fahrlässig mit der Sicherheit Österreichs um, wenn die Polizei diese Möglichkeiten nicht bekommt. Wichtig wäre es aber ebenso, Reglementierungen für IP-Adressen einzuführen. Denn wir haben nichts davon, wenn wir eine IP-Adresse ausforschen und dann hängen da 10.000 Geräte drauf. Andere Staaten haben da viel niedrigere Limits.

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Inwieweit ist die rechtsextreme Szene eine Gefahr in OÖ? Bei der Razzia gegen eine Rockerbande vor einigen Monaten gab es einen rechtsextremeren Konnex.
Die Razzia bei den Rockern, von denen ein großer Teil rechtsextrem ist, zeigt, dass ein Potenzial da ist. Aber die Polizei in Oberösterreich schaut bei dieser Szene sehr genau hin und zeigt viel an. Wir haben damals beim Objekt 21 die Täter ausgeforscht, aber man sieht trotzdem, dass es mit einem solchen Erfolg nicht beendet ist – viele Täter werden leider rückfällig.

Oberösterreich liegt bei den rechtsextremen Straftaten im Spitzenfeld.
Da sind natürlich viele Online-Delikte in der Statistik dabei, aber das macht nichts. Es gehört jeder Verstoß gegen das Verbotsgesetz geahndet, wir müssen aufpassen, ebenso wie bei den Islamisten. Es ist egal, in welche Richtung der Extremismus geht, es ist alles brandgefährlich.

Intensiv diskutiert wurde der Vorfall in Braunau. Dort war ein Mann mit NS-Tattoos im Freibad unterwegs und die Polizei ist nicht eingeschritten. Wie gibt’s das im Jahr 2023?
Die Kollegen haben das für nicht sinnvoll erachtet, weil das Freibad voll war und sie nicht genau wussten, wo der Mann war. Und sie haben diejenigen, die das angezeigt haben, ersucht, sich zu melden, wenn sie den Mann wieder sehen. Nun kann man diskutieren, ob das gescheit war, aber es war jedenfalls keine böswillige Absicht. Die Polizisten werden in NS-Bereich auf Sensibilität geschult und das hat auch im Bezirk Braunau aufgrund der Ereignisse wieder stattgefunden. Jeder Polizist muss sich bewusst sein, dass man genau hinschauen muss und nichts auf die leichte Schulter nehmen darf. Wir haben grundsätzlich sehr hohe Vertrauenswerte in der Bevölkerung und wir müssen uns bemühen, diese nicht verlieren.

Genau hinschauen muss man auch beim Thema Femizide. Reichen die Möglichkeiten, die der Polizei zur Verfügung stehen, wie etwa das Wegweisungsrecht, um Gewalt in Beziehungen einzudämmen?
Um das Instrument der Wegweisung, bei dem ein Polizist vor Ort entscheiden kann, beneidet uns ganz Europa. Es gibt also schon sehr gute Möglichkeiten, auch etwa das Verhängen eines Waffenverbots. Beides wird von der Polizei genutzt. Wenn man sich generell die Statistik ansieht, dann sinkt die Anzahl der Gewaltdelikte in den letzten Jahren und auch die Eigentumskriminalität ist rückläufig.

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Aber dafür steigt die Zahl der Online-Verbrechen, oder?
Ja, alles was im Internet passiert – Betrug, Erpressungen, „Sextortion“ – das nimmt rasant zu. Deshalb wird im Rahmen der anstehenden Kriminaldienstreform ein eigenes Cybercrime-Trainingscenter in Oberösterreich entstehen. Dort sollen die Kollegen geschult und „cyber-fit“ gemacht werden. Außerdem bekommen wir in Oberösterreich rund 90 zusätzliche Polizisten. Die werden einerseits in den Regionen sein, um vor Ort IT-Forensik zu machen und Spuren zu sichern. Aber auch das Landeskriminalamt wird im Cyberbereich verstärkt.

Ab wann soll das kommen?
Ziel ist es, im zweiten Quartal 2024 die ersten „Kriminalassistenzdienststellen“, von den es dann im Endausbau sieben in OÖ geben wird, einzurichten. Also es gibt dann in Zukunft absolute Spezialisten in den Regionen – Daten-Forensiker- und Aufbereiter sowie Spurensicherer. Zusätzlich wird es in größeren Dienststellen jeweils einen Cybercrime-Ermittler geben, der mit den gesicherten und aufbereiteten Daten dann weiterermitteln kann.

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