Landesrat Hattmannsdorfer im Interview
"Ja zu Asyl – Nein zu illegaler Migration"

Wolfgang Hattmannsdorfer ist seit 2021 Landesrat für Soziales und Jugend in Oberösterreich. | Foto: BRS/Siegl
7Bilder
  • Wolfgang Hattmannsdorfer ist seit 2021 Landesrat für Soziales und Jugend in Oberösterreich.
  • Foto: BRS/Siegl
  • hochgeladen von Thomas Kramesberger

Landesrat Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) spricht im BezirksRundSchau-Interview über den Personalengpass in der Pflege, die Migrationspolitik der ÖVP, die kommende Drogen-Freigabe in Deutschland und (im Video) über seine Ablehnung von FPÖ-Chef Herbert Kickl.

Interview: Thomas Winkler, Thomas Kramesberger
 

BezirksRundSchau: Hannes Androsch hat zuletzt gesagt: „Österreich kontrolliert die Grenze zu Slowenien, macht Pflegerinnen aus Rumänien schwer über Schengen rein zu kommen. Andererseits ist die Grenze zu Ungarn offen, es kommen Massen rein, wir nehmen sie in unser Sozialsystem rein und lassen sie nicht arbeiten, obwohl wir zu wenig Arbeitskräfte haben. Hat er Recht?
Hattmanndorfer:
Das Thema ist etwas komplexer, als es hier verkürzt wird. Es geht um zwei Dinge: Wir müssen bei jenen, die da sind, die Integration sicherstellen und das kann nur durch Deutsch, Arbeit und Respekt gelingen. Was die Zuwanderung betrifft, brauchen wir einen Paradigmenwechsel. Wir brauchen kein Zuwanderungssystem, das dem Zufallsgenerator überlassen ist. Wir müssen uns vielmehr die besten Leute der Welt holen, damit sie zu uns kommen und einen Beitrag zum Wohlstand leisten. Und diese Menschen müssen dann ein Aufstiegsversprechen haben. Für mich hat Zuwanderungspolitik jedenfalls zwei Seiten – einerseits ein Ja zu Asyl, wenn jemand um sein Leben fürchten muss. Aber ein klares Nein zur illegalen Migration, es braucht einen Paradigmenwechsel nach dem Motto: Harte Auswahl, volle Chancen.

Sie sagen es braucht einen Paradigmenwechsel und fordern massive Änderungen. Seit Jahrzehnten stellt, mit wenigen Unterbrechungen, die ÖVP den Innenminister. Ist das dann also eine Anklage gegen die eigene Partei?
Nein, überhaupt nicht. Die Veränderungen in der Asylpolitik sind ein zentraler Erfolg der Bundesregierung, es hat keine Regierung bisher geschafft auf europäischer Ebene im Asylbereich etwas zusammenzubringen. Auch das Schengen-Veto für Rumänien wurde erreicht. Es gibt jetzt ein klares Bekenntnis zum gemeinsamen, europäischen Grenzschutz, es gibt ein klares Bekenntnis zu Asylverfahren an der EU-Außengrenze und es gibt Klarheit, dass es eine gerechtere Verteilung der Flüchtlinge in Europa braucht. Das ist ein Erfolg Österreichs, den vorher niemand geschafft hat.

Aber die Asylpolitik auf EU-Ebene funktioniert ja immer noch nicht.
Die Asylpolitik auf EU-Ebene hat jahrzehntelang versagt. Österreich hat es nun in Kooperation mit skandinavischen Ländern und den Niederlanden geschafft, ein Umdenken zu erzeugen. Wir waren jedenfalls auf europäischer Ebene noch nie so weit und meine große Hoffnung ist die EU-Wahl im nächsten Jahr. Es muss uns gelingen, dass es eine bürgerliche Mehrheit im EU-Parlament gibt, damit sichergestellt wird, dass die Asylpolitik ganz oben auf der europäischen Agenda steht.

Derzeit sind hunderte Pflegebetten in OÖ gesperrt, weil das Personal fehlt. Wie kann das Problem gelöst werden?
Gemeinsam, parteiübergreifend, mit Städte- und Gemeindebund haben wir eine Pflegestrategie festgelegt. Diese beinhaltet 50 konkrete Maßnahmen – von der Entlastung der Mitarbeiter, bis hin zur Reduktion des Dokumentationsaufwandes, und wir haben auch ein eigenes Pflegestipendium von 600 Euro ohne Zuverdienstgrenzen eingeführt. Und wir legen den Fokus auf das Gewinnen neuer Mitarbeiter und haben mit dem Stützpersonal eine neue Personalkategorie eingeführt. Also was in der Fachkräftestrategie in Oberösterreich in den letzten Jahren an Veränderungen angegangen wurde, ist beispielgebend.

Wieviele Pflegebetten in OÖ stehen derzeit wegen des Personalmangels leer?
Derzeit sind es 1.319…

Wolfgang Hattmannsdorfer ist seit 2021 Landesrat für Soziales und Jugend in Oberösterreich. | Foto: BRS/Siegl
  • Wolfgang Hattmannsdorfer ist seit 2021 Landesrat für Soziales und Jugend in Oberösterreich.
  • Foto: BRS/Siegl
  • hochgeladen von Thomas Kramesberger

Also die Zahl der Leerstände steigt weiter?
Ja, unser Ziel ist es natürlich, dass der Anstieg der leerstehenden Betten abgeflacht wird. Genau deswegen haben wir die Fachkräftestrategie in der Pflege umgesetzt. Darüber hinaus gibt es Rahmenbedingungen, die der Bund schaffen muss – vor dem Sommer wurde etwa ein zweites Pflegepaket verabschiedet. Darin enthalten sind Kompetenzerweiterung bei diplomierten Pflegerinnen, das war eine Tabuthema in den letzten Jahren. Oder der Akademisierungswahn in der Diplomausbildung, der gestoppt wurde. Im Herbst braucht es noch ein drittes Pflegepaket, denn mit den Kompetenzen war das erst ein Anfang. Da müssen wir noch viel weiter denken.

Spital-Chef Franz Harnoncourt hat zuletzt in einem Interview gesagt: „In der Pflege hilft nur qualifizierte Zuwanderung“. Stimmen Sie dem zu?
Ja, auch. Es wird beides brauchen...

Das heißt, auch attraktiverer Arbeitsbedingungen?
Ganz offen gesagt – alleine durch qualifizierte Zuwanderung wird das Problem nicht zu lösen sein. Deswegen gibt es die Fachkräftestrategie für die Pflege in Oberösterreich – wir müssen Mitarbeiter entlasten, Ausbildungen attraktivieren und neue Leute ansprechen. Ein Potenzial sehen wir etwa bei Umsteigerinnen, die sich beruflich neu orientieren wollen.

Der Arbeitskräftemangel trifft nicht nur die Pflege, sondern viele andere Sektoren. Warum macht Österreich den Arbeitsmarkt nicht komplett auf, warum muss ein Asylwerber in seiner Unterkunft sitzen und dort auf das Ende des Verfahrens warten, anstatt zu arbeiten?
Man muss aufpassen und darf Asyl- und Arbeitsmarktpolitik nicht miteinander vermengen. Den genau dieses Problem haben wir derzeit – Asylpolitik wird für Wirtschaftsmigration missbraucht. Österreich braucht qualifizierten Zuzug und gleichzeitig müssen wir das Asylsystem schützen. Denn derzeit sind eine Mehrheit der Asylantragsteller eigentlich Wirtschaftsmigranten.

Aber es hat mit den Ukrainern auch funktioniert – man hat sie aufgenommen, es gibt eine Bleibeperspektive und Zugang zum Arbeitsmarkt. Warum muss ein Mechaniker aus Afghanistan in der Flüchtlingsunterkunft herumsitzen und darf nicht arbeiten, bis sein Verfahren fertig ist?
Es gibt schon jetzt Möglichkeiten im Asylverfahren zu arbeiten. Aber wenn jemand um Asyl ansucht, dann gehört ein Asylverfahren gemacht. Sonst soll diese Person um eine Rot-Weiß-Rot-Card ansuchen oder sonst was. Und der Vertriebenenstatus der Ukrainer ist ein befristeter Titel. Ich verwehre mich jedenfalls dagegen, dass man ständig Asyl und Wirtschaftsmigration miteinander vermengt.

Sie haben gefordert, Österreich müsse attraktiv für gut ausgebildete Arbeitskräfte aus dem Ausland werden. Mit dem Bild, das Österreich nach außen abgibt, wird das Land nicht die erste Wahl sein.
Das stimmt ja gar nicht.

Es gibt eine aktuelle OECD-Studie, die Österreich als nicht attraktiv für Arbeitsmigranten sieht – Platz 26 von 38 in der Studie.
Ich lasse dieses Narrativ nicht gelten, denn Österreich ist nicht nur ein gastfreundliches, sondern auch ein sehr schönes Land.

Aber die Migrationsdebatte wird immer nur negativ geführt.
Ja, aber von wem?

Gute Frage, von wem?
Ich denke schon, dass wir die Probleme klar beim Namen nennen sollen. Jeder, der sagt, dass wir keine Integrationsprobleme haben, packt uns in rosarote Watte. Ich bin ein Politiker, der klar Probleme anspricht, aber ich halte nichts von Angstmache und Hetze. Wir haben gerade gesellschaftlich das Problem, dass wir nur mehr an den Extrempolen diskutieren – die linke Twitterblase, die alles schön redet, und die rechten Facebook-Hetzer, die nur Angst machen. 

Die ÖVP hat in ihrem Zukunftspapier gefordert, dass Sozialleistungen nur Personen bekommen sollen, die fünf Jahre in Österreich gearbeitet haben.
Ja.

Aber das ist verfassungswidrig, EU-rechtswidrig und man serviert der FPÖ damit das nächste Thema auf dem Silbertablett.
Überhaupt nicht. Das ist ein klassisches Hausverstands-Thema der Mitte. Wir wollen ja nicht überall auf der Welt Menschen anwerben, damit sie in unser Sozialsystem kommen.

Aber wenn man in ein System einzahlt, dann bekommt man auch wieder etwas raus.
Wenn man was einzahlt. Aber wenn man sich die 5.000 Sozialhilfebezieher in Oberösterreich ansieht, von denen die Hälfte nicht Österreicher sind, dann haben wir da ein Problem. Wir wollen nicht Menschen für die Sozialhilfe anwerben, sondern wir brauchen Personen, die einen Beitrag zu unserem Wohlstand leisten und Steuern zahlen. Und wenn man eine zeitlang diesen Beitrag geleistet hat, dann kann man sich auf die sozialen Sicherheitsnetze verlassen.

Also die philippinische Pflegerin, die zwei Jahre in Österreich arbeitet, und dann arbeitslos wird, bekommt dann kein Arbeitslosengeld?
Diese Pflegekraft ist bei uns mit einem Rot-Weiß-Rot-Card-Titel und diese Kriterien sind klar. Eines wird es mit uns jedenfalls nicht geben: Willkommen in Österreich und ab dem ersten Tag Sozialhilfe.

Themenwechsel: Deutschland legalisiert im kommenden Jahr Cannabis. Wie wird Oberösterreich als Anrainerbundesland darauf reagieren?
Diese Drogenpolitik ist grob fahrlässig, dieser deutsche Drogen-Irrweg wird an der Grenze gestoppt. Ich habe kein Verständnis dafür die Einstiegsdroge Nummer eins salonfähig zu machen.

Also soll es mehr Kontrollen in Grenznähe geben?
Die Polizei bereitet sich vor, speziell an den Hotspots in den Grenzregionen. Da gibt es auch einen guten Austausch von uns mit der Landespolizei. Klar ist: Nur weil Deutschland der neue Drogenhotspot wird, wird diese Drogenpolitik nicht in Oberösterreich stattfinden. Das ist ja fahrlässig und eine Gefährdung all unserer Kinder, das ist ein kompletter Irrweg. Ich hoffe, dass bei den nächsten deutschen Wahlen, diese Regierung abgewählt und diese Maßnahme rückgängig gemacht wird.

Die Normaldebatte hat zuletzt das mediale Sommerloch dominiert. Wer ist denn eigentlich normal?
Mit der Normalitätsdebatte haben wir ein richtiges Bedürfnis vieler Menschen im Land adressiert. Wenn sich die linke Twitterblase über uns lustig macht und Herbert Kickl hyperventiliert, dann zeigt es, dass wir ins Schwarze getroffen haben. Viele Menschen haben einfach derzeit den Eindruck, es sei nur mehr erlaubt zu denken, was uns eine linke Elite vorgibt oder was uns, durch Algorithmen gestützt, auf Facebook am rechten Rand transportiert wird. Das Problem ist also schon auch ein starkes Social Media-Thema – Randpositionen werden dargestellt, als ob das Breitenpositionen wären. Und ganz klassische Meinungen der Mitte haben offensichtlich nicht diesen Algorithmus-Turbo, obwohl das die Mehrheit der Leute denkt.

Das Anbiedern an FPÖ-Wählerschaften hat für die ÖVP eigentlich noch nie funktioniert…
Ich sehe überhaupt kein Anbiedern. Es ist ja nicht so, dass eine Migrationspolitik nur ausschließlich Thema der FPÖ ist.

Aber, sehen wir uns die Normal-Debatte an: Ist ein Klimakleber, der sich in Linz auf die Straße klebt nicht normal?
Die Klimakleber erweisen dem Umwelt- und Klimaschutz einen Bärendienst, weil sie genau das Gegenteil bewirken. Sie wiegeln die Bevölkerung gegen dieses Thema auf, außerdem leistet jemand, der einen Stau verursacht, keinen Beitrag zum Klimaschutz und wenn Einsatzkräfte behindert werden, habe ich einfach kein Verständnis dafür. Jeder kann seine Meinung kundtun, aber es gibt auch irgendwo eine Grenze und diese haben die Klimakleber überschritten. 

Ist es redlich, Klimakleber und Terroristen auf eine Stufe zu stellen?
Das kann jeder formulieren wie er oder sie möchte. Aber ich habe auch zu den Klimaklebern einen sehr pragmatischen Zugang – sie erweisen dem Umwelt- und Klimaschutz keinen guten Dienst und der Staat muss auch Grenzen aufzeigen. Ich würde Klimakleber eher als Quälgeister bezeichnen.

Aber die ÖVP übernimmt ja auch andere Positionen der FPÖ, sieht man jetzt auch wieder bei der Bargeld-Debatte.
Ich habe nicht den Eindruck, dass das Bargeld ein FPÖ-Thema ist. Da gibt es speziell bei der älteren Generation ein ganz großes Bedürfnis nach dem Schutz des Bargelds. Ich sehe es aber grundsätzlich so – und so führe ich auch mein Ressort: Dialogorientiert und als Brückenbauer. Das bedeutet vielleicht auch, Positionen einer anderen Partei zu teilen, und mich gemeinsam dafür einzusetzen. Wir brauchen wieder eine Kultur des Dialogs und des Brückenbauens, das ist für mich eine der obersten Prämissen in meiner Ressortführung.

Anzeige
1:46
1:46

WKOÖ Maklertipp
Rechtsschutzversicherung: Sichern Sie Ihr Recht!

Eine Rechtsschutzversicherung schützt Sie vor den Folgen von vielen möglichen Konfliktfällen – vor allem finanziell.  Es gibt viele Gründe für einen Streit vor Gericht: Angenommen, Ihr Vermieter erhöht den Mietzins in ungerechtfertigter Weise, Ihr Hund läuft einem Biker vor das Rad, Ihnen wird nach einem Verkehrsunfall das Schmerzensgeld verwehrt oder Ihr Arbeitgeber zahlt die Überstunden nicht. Von all diesen Fällen haben Sie schon gehört oder Sie haben sogar schon selbst eine solche oder eine...

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

UP TO DATE BLEIBEN

Aktuelle Nachrichten aus Oberösterreich auf MeinBezirk.at/Oberösterreich

Neuigkeiten aus deinem Bezirk als Push-Nachricht direkt aufs Handy

BezirksRundSchau auf Facebook: MeinBezirk.at/Oberösterreich - BezirksRundSchau

BezirksRundSchau auf Instagram: @bezirksrundschau.meinbezirk.at

ePaper jetzt gleich digital durchblättern

Storys aus deinem Bezirk und coole Gewinnspiele im wöchentlichen MeinBezirk.at-Newsletter


Du willst eigene Beiträge veröffentlichen?

Werde Regionaut!

Jetzt registrieren

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.