Landeshauptmann Stelzer im Interview
"Reicht's nicht, werden wir noch was machen"

"Mit dem Tunnelblick kommt man meistens nicht sehr weit", sagt Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP). | Foto: Land OÖ/Mayrhofer
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Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) spricht im BezirksRundSchau-Interview über die hohe Inflation, die steigenden Strom- und Energiekosten und seinen Vorstoß zu den Russland-Sanktionen.

von Thomas Winkler und Thomas Kramesberger

BezirksRundSchau: Aufgrund der hohen Inflation und der (noch) brummenden Wirtschaft sprudeln auch die Steuereinnahmen. Wieviel mehr Geld bekommt Oberösterreich heuer vom Bund?
Stelzer:
Das kann man noch nicht ganz überblicken, aber es stimmt: Die Ertragsanteile werden höher sein, als wir geplant hätten. Aber andererseits minimieren die gesamten Hilfspakete des Bundes, die ich sehr begrüße, diese Einnahmen sofort wieder. Und wir haben selber Aufwendungen, wir setzen ja Unterstützungsmaßnahmen. 

Die Frage zielt darauf ab, ob es vom Land eine Unterstützung für die Menschen geben wird, die besonders von der Inflation betroffen sind. Die Opposition wirft Ihnen diesbezüglich Untätigkeit vor.
Wir haben in Oberösterreich sehr früh gehandelt. Wir haben zu Beginn des Jahres den Heizkostenzuschuss erhöht, noch in der Heizperiode. Es wurde die Wohnbeihilfe ausgebaut und im Rahmen des OÖ-Plans haben wir 30 Millionen Euro in den sozialen Wohnbau investiert. Dann gab es die Pakete des Bundes, bei denen die Länder immer zu gut 20 Prozent dabei sind, und der Oberösterreich-Plan ist grundsätzlich so gestaltet, uns durch schwierige Zeiten zu bringen. Aber ich sage ganz klar: Wenn das nicht reichen sollte und sich zu Beginn der Heizperiode herausstellt, dass die Menschen trotzdem Probleme haben, dann muss man in diesem Bereich selbstverständlich nochmal was machen.

Sie haben gesagt, im Frühjahr wurde der Heizkostenzuschuss erhöht. Aber die 175 Euro, die dieser beträgt, kostet den meisten Menschen wohl nur einen Lacher.
Wenn es sich herausstellt, dass alles was an Hilfen gegeben wird, nicht reicht, dann werden wir natürlich zusätzlich was machen. Und die Pakete des Bundes waren ja lange angekündigt, jetzt kommen sie an. Die Menschen, die dringend Unterstützung brauchten, haben 300 Euro bekommen – außerdem gab es 180 Familienbeihilfe, 500 Euro Klima- und Teuerungsbonus für alle und vieles mehr. Und, eines darf man auch nicht vergessen: Ab Anfang des Jahres werden die Sozialleistung valorisiert, zum ersten Mal in der Geschichte der Republik. Auch die kalte Progression wird abgeschafft und wir haben in Oberösterreich keine Abgaben-Erhöhung vorgesehen. Also, man muss immer das Gesamtpaket sehen.

Neben den Energiepreisen kriselt es derzeit in der Baubranche massiv. Braucht es ein Sonderbauprogramm des Landes im nächsten Jahr?
Am Bau gibt es wirklich eine schwierige Situation. Wir haben Monate hinter uns, in denen alles total überhitzt war und viele Gemeinden und öffentliche Bauträger abgewartet haben, da Projekte bei den hohen Preisen nicht machbar waren. Jetzt ist genau die gegenteilige Situation eingetreten, jetzt werden die öffentlichen Investitionen wieder helfen. Im Rahmen des OÖ-Plans gibt es Investitionen in den Straßenbau, den öffentlichen Verkehr und im Spitalsbereich. 

Die hohen Strompreise treffen Haushalte und die Wirtschaft derzeit massiv. Was muss die Politik tun?
Strom- und Energie ist ein Thema, das man europaweit regeln muss – und zwar schleunigst. Ich bin sehr froh, dass der Landesenergieversorger, die Energie AG, sehr solide agiert hat. Wir können bis Ende des Jahre eine Preisgarantie für die Bestandskunden abgeben und für das nächste Jahr ist auch schon eingekauft. Aber es braucht eine europaweite Preisregelung, ich hoffe, dass das schnell geht.

In den letzten Tagen wurde in Oberösterreich ein Windrad im Bezirk Braunau aufgestellt, das erste seit 2016. Es gibt von vielen Seiten die Kritik, dass in OÖ bei der Windenergie zu wenig weitergeht.
Wir müssen bei den Erneuerbaren schneller werden. Nicht nur, um die Klimaziele zu erreichen, sondern auch um uns unabhängiger von Rohstofflieferungen zu machen. Denn, selbst wenn der Krieg zu Ende geht, werden wir mehrere Jahre lang die Übergangstechnologie Gas brauchen. Darüber hinaus ist Oberösterreich bei vielen Erneuerbaren Vorreiter – bei Photovoltaik, bei Biomasse, bei Wasserkraft. Bei der Windenergie sind andere vorne. Ich bin sehr dafür, dass wir die Windenergie nützen, aber man muss schon die ganze Wahrheit sagen: Windkraft heißt riesige Bauwerke und massive Eingriffe in die Natur. Man braucht eine Straße zu den Anlagen und auch Stromleitungen, um die Energie von dort weg zu transportieren. Man muss auch immer vor Ort sehen, ob das akzeptiert wird.

Denken Sie nicht, dass es mittlerweile in der Bevölkerung eine große Mehrheit gibt, die Investitionen in Windkraft befürwortet?
Die Bereitschaft in der Bevölkerung in erneuerbare Energien zu investieren ist groß, wir sehen das ganz massiv bei der Photovoltaik. Da kommen die Produzenten gar nicht nach, um den Bedarf zu decken. Bei der Windkraft haben wir oft gesehen, dass alljene, die am Vormittag ein Windrad fordern, dann am Nachmittag die Stromleitung nicht akzeptieren wollen.

In Niederösterreich gibt es 735 Windräder, in OÖ nicht mal ein Zehntel davon. Wie passt das zusammen, wir sind ja kein windloses Bundesland?!
Wir sind eben bei anderen viel weiter vorne und nutzen andere, erneuerbare Energiequellen. Das trägt dazu bei, dass in Oberösterreich schon 84 Prozent des Stromaufkommens aus erneuerbaren Energien stammt. Ich bin also immer für den gesamten Blick und man soll sich nicht an einzelnen Punkten festmachen.

Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP). | Foto: Land OÖ/Mayrhofer
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Wieviele Windräder soll es bis zum Ende der Legislaturperiode zusätzlich in OÖ geben?
Die volle Wahrheit ist, Oberösterreich ist ein Industrieland. Und ich will, dass wir das auch bleiben, weil zigtausende Arbeitsplätze an der Industrie hängen. Die Industrie wird weder mit Windkraft, noch mit Photovoltaik am Standort gehalten werden können. In der Industrie brauchen wir einen massiven Fortschritt in der Wasserstofftechnologie. Aber wir werden auch beim Wasserstoff immer wieder Importe brauchen, da so viel grüner Wasserstoff gar nicht produziert werden kann.

Aber die Industrie braucht viel Strom, nicht nur Gas oder Wasserstoff, den man durch Windkraft erzeugen könnte.
Ja, aber Gas steht oft am Beginn der Stromproduktion.

Also Sie möchten keine Anzahl von Windrädern nennen, die bis zum Ende der Legislaturperiode in OÖ zusätzlich aufgestellt werden sollen?
Nein, denn ich bin für den Gesamtblick. Mit dem Tunnelblick kommt man meistens nicht sehr weit. Wir haben uns vorgenommen, beim Strom aus Erneuerbaren auf über 90 Prozent kommen, derzeit liegen wir bei 84 Prozent.

Können Sie eigentlich ausschließen, dass die Energie AG ähnliche Probleme bekommen wird, wie die Wien Energie?
Wir sehen uns das sehr genau an, aber die Energie AG hat immer sehr vorausschauend geplant und gewirtschaftet. Für das nächste Jahr ist der Strom schon eingekauft und es ist aus heutiger Sicht überhaupt nicht nötig, dass es öffentliche Haftungen dafür gibt. Was ich nicht verstehen kann, ist, dass die Situation in Wien völlig unbeobachtet von Landtag oder Gemeinderat auftreten kann – noch dazu in Milliardenhöhe.

Wird jetzt eigentlich der Genehmigungsprozess gestartet, um das Kohlekraftwerk in Riederbach wieder anzufahren?
Jetzt wird gerade noch geprüft, was überhaupt geht – Beschaffungsprozesse, Genehmigungen, Mitarbeiter und vieles mehr. Sobald das alles auf dem Tisch liegt, müssen wir uns überlegen, ob man in einen rechtlichen Prozess geht, oder nicht. Die Frage ist, ob das schlussendlich von den Zeitabläufen dafür steht.

Viele Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben, wissen nicht mehr wie sie die Strom- oder Gasrechnung bezahlen sollen. Gleichzeitig fahren Energiekonzerne Milliardengewinne ein. Wie erklären Sie das den Menschen?
Ich stelle die These, dass die Konzerne alle Übergewinne machen, in Frage. Denn seit die Causa Wien Energie aufgetaucht ist, brauchen alljene, die noch einen Tag zuvor die Übergewinne abschöpfen wollten, nun einen Milliarden-Schutzschirm. Und das genau für jene Unternehmen, von denen sie zuvor die Übergewinne abschöpfen wollten. Das System des Stromhandels führt also plötzlich dazu, dass die angekündigten Übergewinne gar nicht mehr da sind …

… aber OMV und Verbund verbuchen nichtsdestoweniger Milliardengewinne.
Man hat diese Unternehmen in den Markt gegeben, die sind teilweise privatisiert. Unser Landesenergieversorger gehört uns aber noch. Sollte sich nun herausstellen, dass wir mehr Gewinne haben, als geplant sind, bin ich dafür, dass wir einen Teil der Gewinne nutzen, um schneller bei den erneuerbaren Energien voranzukommen. Bei uns wäre das sicher im Bereich der Photovoltaik. Einen weiteren Teil der Dividende könnten wir dann nützen, um die Bürger zu unterstützen.

Sie sprechen jetzt nur von der Energie AG. Aber die Diskussion geht um das generelle Abschöpfen der Gewinne bei Großkonzernen wie OMV und Verbund. Damit nicht nur die Anteilseigner Geld abholen.
Seit Kurzem wissen wir, dass die Situation nicht ganz so einfach ist. Jetzt geht es darum, die Energieversorgung in der Bundeshauptstadt sicherzustellen. Sollten sich die Übergewinne wirklich einstellen, stellt sich die Frage, wie man möglichst schnell die Kunden unterstützen und den Ausbau der Erneuerbaren vorantreiben kann. Es gibt da verschiedene Modelle, das sollen die Experten beurteilen – ob steuerliche Abschöpfung oder eine Widmung der Dividenden. Nutzen muss man es.

Also Sie können sich eine Übergewinnsteuer vorstellen?
Ich bin dafür, dass wir über das Fell des Bären reden, wenn dieser wirklich erlegt ist. Und wichtig ist mir, dass dann möglichst schnell die ungeplanten Übergewinne bei unseren sinnvollen, gesellschaftlichen Zielen ankommen.

Thomas Stelzer | Foto: Land OÖ/Mayrhofer

Themenwechsel, Sie haben vor Kurzem einen Vorstoß zu den Russland-Sanktionen unternommen. Warum eigentlich?
So wie jeder lehne ich den Krieg ab und bin dafür, dass wir mit europäischen Sanktionen darauf drängen, diesen zu beenden und Frieden zu erreichen. Hoffentlich führt das dazu. Aber so wie bei jeder politischen Entscheidung muss man immer schauen, ob die noch passt und noch das Ziel erreicht – oder ob sie mehr auf uns selbst zurückschlägt. Und wenn man sich die Situation auf den Energiemärkten ansieht, ist das massiv durch die Sanktionen getrieben. Das bringt unser Lebensmodell durcheinander und den sozialen Ausgleich ins Wackeln – und das muss man immer wieder abwägen.

Wann soll Europa die Sanktionen zurücknehmen? Bei einem Stillstand des Kriegs oder erst einem Abzug der Russen?
Ich bin Regionalpolitiker und nicht auf der Weltbühne Zuhause. Frieden bedeutet, dass das Töten aufhört, die Kriegshandlungen gestoppt werden – das ist das Allerwichtigste. In welcher Weise sich das dann auf Landkarten äußert, das muss in Verhandlungen geregelt werden.

Aber ein Waffenstillstand wäre für Sie genug, um die Sanktionen aufzuheben?
Man darf nicht vergessen, dass nicht sehr weit entfernt tagtäglich Städte bombardiert, Menschen umgebracht und Massenmorde begangen werden. Das muss einfach aufhören.

Ist Vladimir Putin für Sie noch ein Geschäftspartner, wenn man an eine Zeit nach den Sanktionen denkt?
Wir sind noch massiv von den Gaslieferungen aus Russland abhängig. Aber wir versuchen die Möglichkeiten auszuweiten, durch Einspeicherungen, durch den Ausbau der Erneuerbaren, durch Kontingente aus Norwegen, wo die OMV aktiv ist. Wir müssen uns Stück für Stück unabhängig machen.

Aber Ihr Vorstoß hat schon auf ein Ende der Sanktionen und dafür wieder Gaslieferungen abgezielt. Das war ja der Hintergedanke, oder?!
Der Vorstoß ist ein vernünftiger. Jede politische Entscheidung muss immer wieder überprüft werden, ob die noch ihr Ziel erreicht oder sie uns selbst massiv mehr schadet.

Haben Sie keine Bedenken, dass der Herr Putin weiterhin am Gashahn dreht und mit uns ein Spielchen spielt – auch wenn der Westen die Sanktionen abschaffen würde?!
Ja, ich habe Bedenken, dass wir abhängig sind von diesem Regime und diesem Präsidenten. Wir müssen uns weitere Möglichkeiten eröffnen, aber das geht nur, wenn wir uns diese schaffen, da die Verträge der OMV mit Russland über Jahrzehnte laufen.

Unterstützen Sie eigentlich Alexander Van der Bellen bei der Bundespräsidentenwahl?
Ich bin dafür, das Wahlgeheimnis zu respektieren und die Menschen nicht zu bevormunden. Aber ich schätze den Bundespräsidenten sehr, arbeite gut mit ihm zusammen und es gibt eine sehr gute Vertrauensbasis.

Thomas Stelzer. | Foto: Land OÖ/Mayrhofer
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