Landesrat Kaineder (Grüne) im Interview
"Werden neue Windparks genehmigen"

Stefan Kaineder: "Wenn ein Windpark in Oberösterreich umweltverträglich gebaut wird, werden wir ihn genehmigen". | Foto: BRS/Siegl
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  • Stefan Kaineder: "Wenn ein Windpark in Oberösterreich umweltverträglich gebaut wird, werden wir ihn genehmigen".
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Stefan Kaineder (Grüne) ist in der oö. Landesregierung für Umwelt, Klima, Wasser und Konsumentenschutz zuständig. Im Interview mit der BezirksRundSchau spricht er über Windräder in Oberösterreich, den LKW-Transit, Straßenbauprojekte und erklärt, was er von den Klimaklebern hält. 

BezirksRundSchau: Wie begeistert sind Sie von der Anti-Windkraft-Karte des oö. Umweltanwalts?
Kaineder: Ich bin ganz anderer Meinung als der Umweltanwalt, das habe ich ihm auch gesagt. Die Notwendigkeit des Ausbaus der Windkraft ist unbestritten. Wenn wir eine erfolgreiche Energiewende in Oberösterreich schaffen, das Land von Energieimporten unabhängig machen, für Energiesicherheit sorgen und für Klimaneutralität sorgen wollen, dann brauchen wir dazu die Windkraft. Als Grundlast ist die Wasserkraft im Land gut ausgebaut, im Sommer gibt es mittlerweile eine tollen PV-Ausbau, aber in Zeiten mit wenig Sonne geht der Wind. Zwei Drittel der Erntezeit eines Windrads ist im Winter.

Konnten Sie den Umweltanwalt im Gespräch überzeugen?
Wir sind unterschiedlicher Meinung. Er sieht das aus seiner Perspektive im Kleinen, was wir bei der Energiewende und vor allem beim Naturschutz aber schaffen müssen, ist die große Perspektive mitzudenken. Ich kann verstehen, wenn Menschen sagen, dass sich die Natur in der Heimat nicht ändern soll, aber wenn wir gegen die Klimakrise nicht rasch reagieren, wird sich alles in Oberösterreich ändern. Deshalb muss man auch den Windkraftausbau anders beurteilen. Wenn ein Windpark beantragt wird, dann prüft eine Behörde in meiner Zuständigkeit auf Umweltverträglichkeit und wir werden nichts genehmigen, das nicht umweltverträglich ist. Aber wenn etwas umweltverträglich gebaut werden kann, dann werden wir es genehmigen. Dann können auch Schwarz-Blau nicht verhindern, dass es neue Windparks gibt. 

Soll die Abstandsgrenze für Windräder, die derzeit bei 1.000 Metern zu Wohnbauten liegt, überdacht werden?
Das braucht man derzeit gar nicht, denn es ist klar, dass ein Windrad einen gewissen Abstand zu Menschen haben muss. Aber wir könnten mit den ohnehin aktuellen, gesetzlichen Regelungen mehr als 400 Windräder in Oberösterreich bauen.

Sie meinen auf den Flächen, die der Umweltanwalt in seiner ominösen Karte frei gelassen hat?
Nein, es gibt Berechnungen der IG Windkraft, die sich die gesetzlichen Rahmen angesehen hat und demnach könnte man 460 Windräder bauen. Die Wirtschaftskammer hat zuletzt 300 Windräder gefordert und ich sage, es ist realistisch 100 Windräder bis 2030 zu bauen. Notwendig wird das jedenfalls, denn die Umstellung der Wirtschaft auf Klimaneutralität wird sehr viel Strom brauchen – zudem bauen sich viele Private eine Wärmepumpe ein. 

Foto: BRS/Siegl

Kritiker sagen, auch mit 100 Windrädern kann man die voest nicht betreiben.
Es stimmt, wir brauchen sehr viel mehr erneuerbare Energie als wir derzeit haben, vor allem dann, wenn die großen Leitbetriebe klimaneutral werden. In einem Industriebundesland wie Oberösterreich werden wir kurzfristig eine hundertprozentige Versorgung nicht erreichen. Aber die Alternative zu den Windrädern ist, Energie zu importieren und damit abhängig zu sein. Fragen Sie die großen Unternehmen, wie es denen am Beginn des Ukraine-Kriegs gegangen ist: Die Energieversorgung war unglaublich vage, ganz Österreich war erpressbar. Jedes einzelne Windrad in Oberösterreich macht uns unabhängiger von Despoten und Systemen, die uns erpressen können. Jedes Windrad ist also eine Freiheitsstatue für Oberösterreich.

Österreich ist noch immer zu mehr als 60 Prozent von russischem Gas abhängig. Auch kein Renommée für eine grüne Klimaministerin?
Man muss zunächst sehen, welche Mengen Energie importiert werden und dann kann man schon tendenziell stolz sein. Wenn man sich an die ersten Wochen des Krieges erinnert – da sind alle auf Ministerin Gewessler losgegangen, weil eine Unterversorgung befürchtet wurde. Viele hatten Angst, dass wir nicht mehr heizen können oder die Industrieproduktion nicht mehr weiter laufen kann. Es ist den Maßnahmen von Ministerin Gewessler zu verdanken, dass wir nie Engpässe hatten und jetzt im August die Gasspeicher voll sind. Die Versorgungssicherheit war immer gegeben und das war viel Arbeit. Jetzt steht die Energieunabhängig im Fokus und da geht im Photovoltaik-Bereich sehr viel weiter. Hunderttausende machen ihr Dach zu einem Sonnenkraftwerk. Es gibt nur ein Problem und das sind Landesregierungen, die ihrem Auftrag nicht gerecht werden – und da ist Oberösterreich bei der Windkraft leider Schlusslicht.

Das ändert nichts daran, dass Österreich immer noch zu mehr als 60 Prozent von Russen-Gas abhängig ist – und das, obwohl es mit der OMV einen teilstaatlichen Konzern und eine grüne Umweltministerin gibt. 
In der Gasversorgung wurde schon viel geschafft, aber was uns am meisten blockiert sind Verträge, die nicht die grüne Ministerin, sondern Vorgängerregierungen unterzeichnet haben. Es hat in der Wirtschaft und in der Politik Menschen gegeben, die uns bewusst in eine Abhängigkeit geführt haben.

Foto: BRS/Siegl

Aber kurzfristig wäre es schon gescheit, wenn wir nicht jedes Jahr Milliarden nach Russland überweisen würden.
Ja, das versucht diese Bundesregierung zum Teil sehr erfolgreich. Aber die österreichische Wirtschaft ist brutal abhängig von russischem Gas, wir hängen an einer Pipeline, die uns das meiste Gas liefert…

…man könnte Gas auch aus Norwegen kaufen.
Diese Abhängigkeit ist jahrzehntelang gewachsen und das kann man nicht in zweieinhalb Jahren umdrehen. Was wir schon machen können – wir erschließen andere Energiequellen, etwa auf den Dächern der Menschen. Und dann brauchen wir noch die Windparks, die uns im Winter mit Energie versorgen.

Auf der Innkreisautobahn rollen mittlerweile täglich mehr Lkw als am Brenner. Was hatte ein Anrainer entlang dieser Strecke bisher von einer grünen Infrastrukturministerin?
Es läuft das größte Ausbauprojekt für die Schiene, das es je gegeben hat. Da werden Milliarden eben nicht in Autobahnen investiert.

Ein Anrainer an der Innkreisautobahn hat davon in den letzten Jahren wenig gemerkt, zumindest keine Reduktion des Lkw-Verkehrs.
Ja, die Schiene muss man zunächst bauen. Man kann keine Lkw auf eine Schiene verlagern, die es noch nicht gibt. Es ist im öffentlichen Verkehr aber bereits Riesiges gelungen mit dem Klimaticket und darüber hinaus werden Milliarden in die Schiene investiert.

Bleiben wir noch beim Transit: Man könnte den Lkw-Verkehr verteuern und so mehr Lkw auf die Schiene bringen.
Das, was dem Klima schadet und Emissionen verursacht hat durch die ökosoziale Steuerreform einen Preis bekommen. Da gibt es auch Aspekte, die den Transit teurer gemacht haben. Das Problem beim Verkehr ist aber, dass es oft Engpässe auf der Schiene gibt – auf manchen Strecken haben wir den Platz nicht mehr. Und da muss man nun investieren, damit die Lkw, die in Zukunft auf die Schiene sollen, flott durchgebracht werden sollen. Das Geld dafür gibt es, es wird natürlich ein bisschen dauern, aber die grundsätzliche Richtung geht ganz klar in den Ausbau der Schiene, damit weder Lkw noch die Menschen vor Ort weiterhin auf die Autobahn angewiesen sind.

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Stichwort Autobahn: Verkehrs-Landesrat Günther Steinkellner (FPÖ) hat gesagt, er warte darauf, dass die Grünen aus der Regierung fliegen, um die Ostumfahrung von Linz zu bauen.
Das wäre die dritte, vierspurige Autobahn quer durch die Landeshauptstadt. Ich kenne keine andere Landeshauptstadt, die von Norden nach Süden drei Autobahnen hat. Das ist eine Retro-Verkehrspolitik, die genau die Probleme verursacht, über die wir gerade gesprochen haben: Die Menschen leiden, weil es laut ist und an den Emissionen. Die Freiheitlichen wollen offenbar nur mehr Autobahnen bauen. Der ganze Verkehr von Nord nach Süd geht jetzt schon durch die Landeshauptstadt und beeinträchtigt dort 200.000 Menschen. Da sagt der Hausverstand, dass das nicht gescheit ist. Was wir für die Menschen, die im Stau stehen, brauchen, ist ein vielmehr ein Zug oder eine Straßenbahn in der sie am Stau vorbei in die Arbeit fahren können. Da müsste sich der Kollege Steinkellner darum kümmern. Die Finanzierung haben wir sogar durch das grüne Infrastrukturministerium her gebracht, der Steinkellner bringt es nur nicht zusammen, dass die Bagger für die Regional-Stadtbahn endlich anrollen.

Ein anderes Projekt, das offenbar nicht zu schaffen ist, ist das Klimaschutzgesetz. Wie lange muss man darauf noch warten?
Wir werden beharrlich und leidenschaftlich bleiben und im nächsten Jahr wird das Klimaschutzgesetz natürlich beschlossen werden müssen.

Themenwechsel: Die Politik hat weder bei den Energiepreisen noch bei Lebensmittelpreisen in den Markt eingegriffen. Lebensmittel in Österreich sind zudem viel teurer als in anderen EU-Staaten.
Es gibt auf der Homepage des Landes einen Lebensmittelpreis-Monitor, dort kann man nachschauen, was ein durchschnittlicher Warenkorb im Supermarkt kostet. Aber grundsätzlich ist es in einer Marktwirtschaft so, dass der Markt die Preise bildet.

Wäre es für Sie denkbar, dass das Land über die Energie AG gestützte Strompreise anbietet?
Da bin ich überfragt, was alles aktienrechtlich möglich ist…

… aber Sie können politisch eine Meinung zu Eingriffen in die Energiemärkte haben. FPÖ-Chef Haimbuchner hat etwa oft das Ende der Merit-Order gefordert, das wäre auch ein politischer Eingriff.
Damit riskiert er die Energiestabilität Europas und er hat offensichtlich wenig Ahnung davon, wie der Energiemarkt funktioniert. Das ist eine populistische Forderung, aber in der Tiefe ist das alles ein bisschen schwieriger. Grundsätzlich müssen die Energiepreise runter am nachhaltigsten geht das, wenn man unabhängig ist. Haimbuchner fordert ein Ende der Merit Order und niedrigere Energiepreise – gleichzeitig will er kein einziges Windrad aufstellen. So geht das nicht, das ist absurde Politik an der Wirklichkeit vorbei. Das ist ein Schaden für Oberösterreich, diese Koalition regiert das Land an der Realität vorbei.

Verkehrslandesrat Günther Steinkellner (FPÖ) hat in einem Interview Klimakleber als Terroristen bezeichnet. Was sagen Sie als Grüner dazu?
Das beschreibt sehr gut, was das Problem in Oberösterreichs Klimaschutzpolitik ist: Eine Kriminalisierung von jungen Menschen und gleichzeitig Arbeitsverweigerung von den zuständigen Politikern, das ist eine giftige Mischung.

Was halten Sie von den Klimaklebern?
Die Form, die die jungen Aktivisten wählen, ist nicht meine – aber das Anliegen hat eine so hohe Dringlichkeit und ich kann verstehen, warum sie das machen. Weil, wenn wir nicht schnell handeln und die Klimakrise nicht in den Griff bekommen, kann es für unsere Enkelkinder ganz normal sein, dass sie im Sommer verbrannte Wälder riechen. Das darf einfach nicht passieren, unsere schöne Heimat müssen wir sichern.#

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