FACC-Chef Machtlinger im Interview
"Wir brauchen 600 zusätzliche Arbeitskräfte"

Robert Machtlinger ist seit 2014 CEO von FACC. Der Flugzeugzulieferer beschäftigt derzeit weltweit knapp 2.600 Mitarbeiter. Die Zentrale liegt in Ried im Innkreis (OÖ). | Foto: A. Maringer/BRS
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  • Robert Machtlinger ist seit 2014 CEO von FACC. Der Flugzeugzulieferer beschäftigt derzeit weltweit knapp 2.600 Mitarbeiter. Die Zentrale liegt in Ried im Innkreis (OÖ).
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Robert Machtlinger, CEO des Innviertler Flugzeugzulieferers FACC, spricht im BezirksRundSchau-Interview über die rasche Erholung der Luftfahrt nach der Corona-Krise, den Wachstumspfad seines Unternehmens, 600 zusätzliche Arbeitsplätze im Innviertel, den Stellenwert der Lehrlingsausbildung und die Zukunft des Industriestandorts. 

Interview: Thomas Kramesberger

BezirksRundSchau: Hat sich die Auftragslage in der Flugzeugindustrie – trotz Krisen, Kriegen und Unsicherheiten – wieder schneller erholt als gedacht?
Machtlinger:
Wir haben immer gewusst, dass es aufgrund der Covid-Krise länger dauern wird, bis sich die Luftfahrt wieder erholt – in den Prognosen sollte die Branche Ende 2024 oder 2025 wieder dort sein, wo sie einmal war. Das hat sich nun ein bisschen verschoben. Der Kurz- und Mittelstreckenflugzeugbedarf ist schneller gestiegen als geplant, da haben wir Wachstumsraten von 20 bis 25 Prozent pro Jahr. Bei den ganz großen Fliegern geht es aber immer noch relativ langsam voran – etwa bei der A350 oder der Boeing 787. 

Also die Mittelstrecken-Jets und kleineren Flugzeuge tragen das Wachstum?
Absolut – und die Business-Jets. Viele sind in der Corona-Krise auf Geschäftsreiseflugzeuge ausgewichen, weil die geflogen sind. Business-Jets sind bereits seit dem ersten Halbjahr 2021 wieder dort gewesen, wo sie vor der Corona-Krise waren. Und mittlerweile haben wir eine höhere Nachfrage in diesem Segement als vor Covid. Die Businessjet-Hersteller Gulfstream, Bombardier und Embraer sind in den nächsten drei Jahren ausverkauft.

Wie groß ist der Businessjet-Bereich für FACC?
Der Geschäftsreiseflugzeugbereich machte 2021 etwa 100 Millionen Euro Umsatz aus – insgesamt haben wir damals 500 Millionen Euro umgesetzt. Es ist also kein unwesentlicher Markt. Bei den mittelgroßen Businessjets, die auch transkontinental fliegen, sind wir bei der Ausstattung von Kabinen der Weltmarktführer.

Airbus hat zuletzt gemeldet, dass wegen der Auftragslage quasi zehn Jahre durchproduziert werden kann. Boeing meldet ebenfalls große Auftragseingänge. Heißt das für FACC einen großen Auftragsschub und einen zusätzlichen Bedarf an Arbeitskräften?
Ja, Sie haben Recht, die Erstausrüster sind ausverkauft. Aktuell liegt die Zahl der von Airlines bestellten Flugzeugen bei etwa 13.000 Stück – also Fluglinien haben bei Airbus und Boeing 13.000 Flugzeuge bestellt. 80 Prozent davon sind Klein- und Mittelstreckenflugzeuge. Bei heutiger Auslieferung von etwa 1.300 Fliegern pro Jahr reicht der Auftragsbestand für zehn Jahre. Das bedeutet für uns: Das Jahr 2022 war schon wesentlich besser als das Jahr 2021. Unser Plan lag bei zehn Prozent Wachstum und das haben wir sehr gut erreicht. Für die kommenden 18 Monate haben wir einen guten Ausblick, da geht es nochmal ähnlich weiter. Für den Standort heißt das weitere 600 Arbeitsplätze hier im Innviertel…

…in welchem Zeitraum?
In den nächsten 18 Monaten suchen wir 600 zusätzliche Kräfte – wir brauchen zusätzliche Mitarbeiter im operativen Bereich, in der Entwicklung, der Supply-Chain und im Qualitätssicherungsbereich. Wir investieren in den Standort sehr intensiv – in den nächsten drei Jahren 150 Millionen Euro in Fertigungskapazitäten, neue Technologien. Wir orientieren uns daran, was der Markt für die neue Generation an Flugzeugen benötigt. Die werden gleich aussehen wie heutige Flugzeuge, aber die neue Generation der Mittelstrecken-Jets wird einen viel höheren Leichtbauanteil haben.

Foto: A. Maringer/BRS

FACC hat einen chinesischen Hauptaktionär und ist Zulieferer beim chinesischen Flugzeugbauer Comac. Hatten die vielen Lockdowns in China Auswirkungen auf die Geschäfte vor Ort?
Bei den chinesischen Flugzeugen haben wir die Auswirkungen nicht gespürt. Hier wurde auf gleicher Fertigungsrate weitergebaut und wir haben die Produkte geliefert. Man muss aber wissen, dass Comac 100 Flugzeuge baut – Airbus baut 700. Das Ganze ist daher unterschiedlich zu betrachten. Wir haben zwei Flieger für den chinesischen Markt, ein kleinerer Flieger mit 70 Sitzplätzen und die Comac 919, die vergleichbar ist mit einem Airbus 320. Bei einer 919 ist unser Arbeitsanteil eine Million Dollar pro Flugzeug. Dieser Flieger wurde bereits zertifiziert und geht jetzt in den Serienbetrieb. Im Jahr 2027 wird dieser Jet hundert Mal im Jahr gebaut, das heißt für die FACC ein Wachstum von 100 Millionen nur aus diesem chinesischen Flieger.

Der Raumfahrt-Bereich ist ein relativ neues Geschäftsfeld der FACC. Was darf man sich darunter vorstellen?
Früher war die Raumfahrt sehr europäisch, sehr national, die ESA, die NASA, Indien, China, Russland und ein paar zivile Raketen. Nachdem der Markt im zivilen Bereich nun ganz stark wächst, haben wir beschlossen, einzusteigen und bereits den ersten europäischen Auftrag mit der ESA unterschrieben für eine sogenannte „Kick-Stage" – ein Zweitraketen-System auf der Hauptrakete. 
Wir versuchen auch, mit den Amerikanern ins Geschäft zu kommen. Blue Origin und SpaceX haben bereits mehr Volumen im Weltraum, als die NASA und die ESA zusammen. Aber diese Firmen bauen derzeit eine Handvoll Raketen und dafür haben sie gute Lieferanten, aber bei einem Volumen von 100 Raketen fehlt ihnen die Ratenfähigkeit und die haben wir. Die Technologie aus unserem Werk 4, in dem wir Triebwerke bauen, passt wunderbar. Das Geschäft wird sich in der zweiten Hälfte der Dekade entwickeln. Ziel ist es, im Jahr 2030 etwa 25 Prozent des Umsatzes durch Drohnen und Raumfahrt zu erwirtschaften. 

Stichwort Drohnen: Bis wann ist es realistisch, dass Drohnen „massentauglich“ werden?
Wir haben mehrere Projekte, an denen wir arbeiten. Der EHang war unser erstes, das kennt man bereits. Das fliegt schon sehr viel in China und war mittlerweile 40.000 Stunden in der Luft, davon 30.000 mit Personen an Bord. Hier strebt man eine Zulassung in China im ersten Halbjahr 2023 an. Wenn die Drohne zugelassen wird, kann man beispielsweise als Hotelgast einen Rundflug buchen. Ein weiteres Beispiel ist ein amerikanischer Kunde – Archer – an dem United Airlines und Stallantis beteiligt sind. Wir machen die Composite-Technologie für dessen futuristisch aussehendes Flugtaxi genannt "midnight". 
Bei einem dritten Projekt reden wir nicht von Passagieren, sondern von Cargo. Hier fliegt eine kleinere Drohne regelmäßig in einer amerikanischen Stadt und liefert dort Cargo aus. Eine Zulassung im großen Stil ist für 2024/2025 wahrscheinlich - mit einem riesigen Wachstumspotential. Wenn diese Logistik-Drohne kommt, reden wir von zigtausenden pro Jahr.

Die Flugzeugindustrie wächst, die Drohnenbranche wächst - gibt es überhaupt genügend Arbeitskräfte für FACC im Innviertel, um all die erwarteten Aufträge abzuarbeiten? 
Wir hatten im Vorjahr 1.700 Interviews von interessierten Bewerbern und haben die Belegschaft am Standort um 300 erweitert. Es geht, wenn man viel dafür tut. Man benötigt eine Vision, ein Produkt, das ein bisschen sexy ist, man muss sich um die bestehenden Mitarbeiter kümmern – und um die neuen Kollegen umso mehr. Was wir natürlich schon merken ist, dass wir Zuzug brauchen. Der Radius, in dem wir Leute anwerben, um ins Innviertel zu kommen, lag früher bei 20 oder 30 Kilometer, heute sind wir schon viel weiter. 
Wir holen aber auch Mitarbeiter aus dem Ausland. Hier liegt die Herausforderung in der sprachlichen Ausbildung. Derzeit befinden sich 160 unserer Mitarbeiter in einem Sprachtraining. Dafür haben wir uns Lehrer gesucht, die uns am Wochenende begleiten. Wenn man an einem Samstag zur FACC kommt, ist hier ein reger Betrieb, weil viele Kollegen im Sprachkurs sind. Dieses Angebot ist aber nicht nur für Mitarbeiter, die bei uns arbeiten, sondern auch für deren Familien. Das fördert die Integration.

Ist es am FACC-Standort in Kroatien noch leichter Mitarbeiter zu finden?
Ja, in Kroatien gibt es 17 Prozent Nicht-Beschäftigte mit einer extrem guten Ausbildung. Hier haben wir einen wirklich guten Zuspruch und wir konnten letztes Jahr das Werk vom Start bis zur Vollauslastung hochfahren. Dort gibt es heute 250 Beschäftigte und das werden wir verdreifachen in den nächsten 18 Monaten. 2027 wird das Werk in Kroatien 700 Beschäftigte zählen. Viele Mitarbeiter aus Kroatien wollen auch eine gewisse Zeit zu uns nach Österreich kommen. Das hilft uns, weil diese Beschäftigten die gleiche Ausbildung haben und bei uns in Oberösterreich einsetzbar sind. Aber das Thema Arbeitskräfte in Österreich bleibt eine Herausforderung und langfristig benötigen wir qualifizierten Zuzug. 

Foto: A. Maringer/BRS

FACC hat sieben Wochen Urlaub für Lehrlinge eingeführt. Wie sind die Erfahrungen mit diesem Angebot bisher?
Das kommt extrem gut bei den Auszubildenden an. Aber, warum haben wir das gemacht? Die Lehre ist gleichwertig wie jedes andere Ausbildungssystem, das wir in Österreich haben. Aber der Unterschied zu AHS oder HTL ist enorm, wenn man sich die Sommerferien ansieht. Schüler haben, trotz Ferialjob, meistens fünf Wochen frei und ein Lehrling ist nach zwei Wochen Sommerurlaub wieder im Arbeitsprozess. Deshalb haben wir gesagt, wir geben zusätzlich zwei Wochen dazu, die unsere Lehrlinge bevorzugt im Sommer konsumieren sollen. Damit ist der Unterschied im Freundeskreis nicht so groß und es kommt bei unseren Lehrlingen sehr gut an.

Sie haben vor Kurzem den Vorsitz bei der Plattform "Zukunft Lehre Österreich" übernommen. Der Stellenwert der Lehre hat sich in den letzten Jahren ein Stück weit verbessert, ist aber noch nicht dort, wo er eigentlich hingehört.
Ja, diese Ansicht teile ich zu 100 Prozent. Es ist schon viel passiert in den letzten Jahren, es gibt eine Veränderung in der Wahrnehmung, das ist schon mal positiv. Nur können wir 40 Jahre Kommunikation und gesellschaftliche Einstellung zu einer Berufsausbildung nicht in fünf Jahren umdrehen. Wenn man über Bildung spricht, dann geht das einher mit der Frage, wie lange war er/sie in der Schule oder in einer schulischen Ausbildung. Aber auch die Lehre ist eine schulische Bildung bzw. eine fachliche Ausbildung und da wollen wir ansetzen. Die Möglichkeiten, die eine Lehre bietet, sind extrem gut. Anstrengen muss sich jeder, egal ob er eine Lehre macht oder eine HTL besucht, in eine Hochschule oder an die Uni geht. 

Der US-Arbeitsminister war kürzlich zu Besuch bei der Voest, um sich das Modell der Lehre anzuschauen. Im eigenen Land ist diese Ausbildung also weniger wert, aber international beneidet man uns darum.
Ja, ich war zeitgleich in Kanada, und bin auf den dortigen Arbeitsminister getroffen, und wir haben die gleiche Diskussion geführt. Das System der Lehre, die es in Mitteleuropa gibt, speziell in Deutschland, Österreich und der Schweiz, wird bewundert und gefragt, wie wir das aufsetzen. Es wird für diese Länder nicht einfach, das zu übernehmen, weil das bei uns ein jahrzehntelang gewachsenes System ist. Die duale Ausbildung heutzutage in Amerika zu implementieren, das wird kein Spaß. Aber wir haben hier mit dieser Ausbildungsform etwas an der Hand, das noch immer vielfach unterschätzt wird.

Foto: A. Maringer/BRS

Zur Industriepolitik: Die USA fördert die Industriebetriebe massiv, auch China greift der eigenen Industrie seit Jahren unter die Arme. Muss Europa da nachziehen, um nicht den Anschluss zu verlieren? 
Zukünftig wird es vier große, dominierende Märkte geben – die USA, China, Indien und Europa. Indien wird spannend, weil sie keine sehr enge Beziehung zu China pflegen. China hingegen pflegt keine sehr enge Beziehung zu den Vereinigten Staaten. Europa kann hier sehr gut mitwirken. Für Europa gibt es derzeit aber sehr sichtbare Nachteile – Brasilien beispielsweise hat heute die niedrigsten Energiekosten seit zehn Jahren. Bei uns hingegen haben sich die Energiepreise ver-zigfacht. Zudem müssen wir natürlich unsere Mitarbeiter entsprechend bezahlen und die Inflation ausgleichen. Wir erhöhen die Löhne um acht Prozent und müssen diese acht Prozent wieder erwirtschaften. Kunden zahlen nicht automatisch ein paar Prozent mehr, weil wir in Österreich die Inflation ausgleichen müssen. Deshalb müssen wir innovativer sein, um im Markt bestehen zu können. 

Sind die hohen Energiekosten eine Gefahr für den Standort Europa?
Die Energiekosten und auch die Personalkosten. Als Beispiel nehmen Sie einen Mitarbeiter an unserem Standort in Kanada. Dieser arbeitet im Vergleich um 15 Prozent mehr Stunden, als ein Mitarbeiter in Österreich. Die Anzahl an Produktivstunden in diesen Ländern ist höher – bei geringeren Kosten. Vor 20 Jahren war der Standort in Österreich viel wettbewerbsfähiger, als die Vereinigten Staaten, das hat sich jedoch gedreht. Wir kompensieren durch Innovation, Produktivität, Leistungsbereitschaft der Belegschaft - irgendwann geht sich das aber nicht mehr aus.

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