Von Wissensdurst und Bildungshunger
BILDUNG ANDERS

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Von Wissensdurst und Bildungshunger

BILDUNG ANDERS

„Früher waren wir die „Birkenstock Sandalen tragenden, religiös fanatischen, linksorientierten Bio - Veganer, die der Meinung sind, dass sie kleine Einsteins haben“ meint Bibiana Ortner, die gute Seele hinter der Bildungsplattform „Schule daheim“, die reguläre Schüler und Homeschooler aller Altersklassen erfolgreich unterstützt (www.Schule-daheim.com; t.me/Schule_Daheim).

Heimunterricht ist in Österreich noch nicht hoch angesehen

Heimunterricht ist in Österreich, ganz anders als in anderen Ländern, leider noch nicht hoch angesehen*. Obwohl es schon seit jeher Familien gibt, die ihre Kinder zu Hause unterrichteten. Und seit letztem Jahr, auch dank der angeordneten Maßnahmen, so viele Schulabmeldungen erfolgten wie überhaupt vorher noch nie. In Österreich gilt, wie bei unseren deutschen Nachbarn, die Schulpflicht. Im Gegensatz zu Deutschland kann diese jedoch im Häuslichen Unterricht absolviert werden. Das ermöglicht den Eltern und Kindern mehr Freiheiten in Sachen Bildung, als in unserem Nachbarland.

Die Gründe die Kinder zu Hause zu unterrichten sind vielfältig. „Kindern, die im Lockdown alleine gelassen wurden; Lehrer, die vom System verheizt werden (viel zu viele Kinder pro Klasse, Überarbeitung und De-Illusionierung**). Kinder die durch das reguläre Schulsystem keine Allgemeinbildung mehr haben. Geschichtsunterricht, der wie wild durch die Epochen springt, Jugendliche die in Mathematik den Zahlenraum bis 100 nicht beherrschen und Zähler und Nenner verwechseln. Künftigen Generation, die in der Schule Null auf die Herausforderungen von Industrie 4.0 vorbereitet werden. Die Eltern wollen da nicht mehr zuschauen.“ so Bibiana.

Eltern gehen neue Wege

Kornelia Hörl aus Saalfelden ist so eine Powermum. Sie hat gerade die Externistenprüfung sprich das erste Homeschooljahr mit dem ältesten ihrer drei Söhne positiv beendet. Als ausgebildete Diplompädagogin startet sie als Gründungsmitglied und ehrenamtliche Präsidentin des gemeinnützigen Vereins „Leben in Bewegung“ ein revolutionäres, neues Betreuungsprojekt für Homeschüler in der Volksschule.

Beim Forschungsprojekt „Entfaltungszeit“ erforschen die Kinder sich selbst und andere. Erkunden ihre Stärken, ihr Potentiale, ihre Entfaltungsmöglichkeiten. Ganz individuell wird auf jedes einzelne Kind eingegangen und dessen Interessen erforscht. Ein Kind will vielleicht etwas über Ameisen wissen, das nächste will aus Holz einen Kran bauen. Wiederum ein anderes will Ziehharmonika spielen. Das Projekt richtet sich nach den Kindern. Die Kinder bestimmen was gelernt wird. Es kann sein, dass daraus ein Kindertheaterprojekt wird oder wir im Wald Tiere erforschen. Das wird sich herausstellen.

Das Projekt ist täglich von Montag bis Donnerstag immer von 08.00 -13.00 Uhr im Badhaus in Leogang, im Salzburger Land. Es wird eine geschlossene Gruppe von 6 Kindern sein, die den Vormittag dann bei einem gemeinsamen Mittagessen beschließt. Das Tolle dabei ist, dass dort zur gleichen Zeit ein Tagesbetreuung für behinderte Kinder startet. Da profitieren Alle davon! Unterschiedliche Kinder in unterschiedlichen Altersgruppen, mit einem großem Garten und den Wald gleich hinterm Haus. Einen perfekteren Lernort, kann man sich nicht vorstellen!

Auf die Frage nach den regulären Schulfächern meint Kornelia: „Es kann schon sein, dass wir einmal ein Plakat z.b. über Ameisen gestalten oder etwas lesen. Aber im Großen und Ganzen nein, bei uns gibt es ja keinen Lehrplan. Es geht bei dem Projekt ums Entdecken und Entfalten. Für die Vorbereitung für die Externistenprüfung sind die Erziehungsberechtigten verantwortlich. Wobei es gut sein kann, dass sich da vieles an Lernen erübrigt. Kinder lernen so immens viel voneinander, wenn sie gemeinsam miteinander unterwegs sind. Aber das wird sich alles weisen, nach dem Motto: Learning by doing.“ Anmelden kann man sich dann direkt auf: 0664-1338466 oder www.leben-in-bewegung.at.

In Österreich ist vieles möglich! Heimunterricht, Freilernen, zu Hause lernen aber dann die Prüfung verweigern? Oder dann doch lieber in die Schule? Bildung ist vielfältig und genauso die Möglichkeiten diese zu erhalten.

Viele Wege führen ans Ziel

Es führt nicht nur ein Weg ans Ziel sondern viele weitere. Für den einen passt das System Schule, für andere Homeschooling und für wieder andere Unschooling.

“Freilernen (oder Unschooling) bezeichnet ein vom jungen Menschen selbstgesteuertes Lernen in seinem jeweiligen Lebensumfeld, im Unterschied zum Schulunterricht und zur klassischen Form des Hausunterrichts (oder Homeschooling). Bei dieser Art des Lernens gibt es daher keinen geplanten Unterricht oder bestimmte Zeiten am Tag, für die schulähnliche Aktivitäten vorgeschrieben sind. Im Wissen, dass Lernen und Bildung immer und überall stattfinden und an keinen Ort und keine Institutionen gebunden sind, erfolgt das Lernen hier nicht durch extrinsische, sondern ausschließlich durch intrinsische Motivation. Der junge Mensch entscheidet selbst, welchen Interessen er wann nachgeht.
Beim Freilernen geht es also nicht um ein weiteres pädagogisches Regelwerk, sondern um einen anderen Blick auf das Lernen als höchstpersönliches und natürliches Bedürfnis jedes Menschen und gleichzeitig eine andere Haltung gegenüber dem Kind als gleichwertiger und gleichwürdiger Mitmensch.
Getragen vom Vertrauen, dass jeder junge Mensch wiss- und lernbegierig die Welt entdecken, verstehen und im ständigen Spiel seine Gaben und Potentiale zur Entfaltung bringen will, verstehen sich die Eltern und anderen Bezugspersonen als Unterstützer und Begleiter der Lernprozesse, ohne diese bewerten oder lenken zu wollen.“ (***Quelle https://www.freilerner.at/freilernen-ist/was-ist-freilernen)

„Die meisten die den Weg des Freilernens bestreiten, sind echte Löwenmamas. Den Kindern fehlt es an nichts. Schulrecht und Kindeswohlgefährdung sind in Österreich (im Gegensatz zu Deutschland) getrennt. Somit wird nicht Bundesweit nach einem gefahndet, wenn eine Externistenprüfung nicht bestritten wird. Die meisten Eltern haben auch kein Problem mit der Jugendwohlfahrt. Die sind eher beeindruckt wie toll die Kinder aufwachsen. Gerichtlich kommt ein bisschen was auf einen zu, das muss einem klar sein,aber je nach Alter der Kinder dauern die Verfahren länger, als die Kinder schulpflichtig sind.“ So Mirjam, solch eine Löwenmama aus Innsbruck, die auch auf die Erfahrungsberichte aus dem Buch „Mütter der neuen Zeit 2“ von Sabine Mänken verweist (****https://www.muetterderneuenzeit.de).

Eine Andere Möglichkeit ist, das Kind im Heimunterricht starten zu lassen. Um dann mitten im Schuljahr wieder zurück in die Schule zu wechseln. Das hat natürlich auch seine Vor- bzw. Nachteile. Wenn ein Kind früh genug wieder an die Schule zurückkommt, ist die Externistenprüfung hinfällig. Umso später im Jahr umso wahrscheinlicher ist jedoch eine Feststellungsprüfung damit das Wissen des Kindes benotet werden kann. Die Aufnahme in die Klassengemeinschaft kann jedoch schwierig sein. Ist man doch ein Außenseiter, der vielleicht schon im April mit dem gesamten Jahresstoff durch ist.
Im Gegenzug dazu ist es aber nicht möglich während des Jahres in den Unterricht zu Hause zu wechseln. Die Anmeldung zum Heimunterricht kann immer nur für ganze Jahre und bis zum letzten Schultag des laufenden Schuljahres erfolgen.

Zurück zur Schule?

Sofia ist so eine Schülerin. Sie hat die letzten zweieinhalb Jahre erfolgreich zuhause gelernt. Der Weg zurück zur Schulbank hatte drei Gründe:
Der erste Grund für Sofia war, dass sie ausprobieren wollte wie es in der Schule ist. Sie ist jetzt in der dritten Klasse der Volksschule und war neugierig. Wenn es ihr gefallen hätte, wäre sie nächstes Jahr ganz in die Schule gegangen.
Die Lehrerinnen waren wirklich bemüht, nur hat sie sich gelangweilt. Sie war mit dem Jahresstoff schon durch. Sie ist es gewohnt, dass der Unterricht auf sie abgestimmt ist. Alles wird wiederholt, bis sie es versteht. Das ist bei einem Kind natürlich nicht so oft, wie in einer Klasse mit über 20 Kindern. Da werden Themen automatisch öfter geübt. Dann solange warten zu müssen, bis ein neues Thema behandelt wird, war frustrierend für sie.
Dann gab es heuer viele Neuerungen seitens der Bundesregierung und bis Anfang Mai immer noch keine Regelung bezüglich der Prüfungsschulen. Die Unwissenheit welche Schule Prüfungsschule wird und dann keine dezidierten Stoffeinschränkungen von derselbigen zu bekommen, hat sie verunsichert.
Die Freiheiten zu Hause zu lernen wann man will und wie man will (auch mal im Pyjama ;-)) ist für Sofia auch ein Grund lieber daheim unterrichtet zu werden.

Bei Ihrer Schwester war es ähnlich. Julie, war heuer auch vorher im häuslichen Unterricht und ist dann zurück in die Schule. Sie erhielt leider von der Prüfungsschule keinerlei Unterstützung. Und wurde mit irgendwelchen Paragraphen abgespeist und Fragen nach Themenschwerpunkten wurden mit Auskünften wie „der gesamte Lehrplan“ beantwortet. Das verunsicherte sie auch sehr. Dadurch, dass es ihr Abschlussjahr ist, wollte sie nichts riskieren, damit sie dann fix ihr Zeugnis bekommt. Sie möchte gerne anschließend die Hblw besuchen.

Was Sofias Mutter aus diesem Jahr gelernt hat: “Bis zum Schuleintritt war alles sehr relaxt. Der Tagesablauf war total gelassen. Jedes Kind hat in seinem eigenen Tempo, und vertiefend gelernt. Es war ein ganz tolles Jahr für die Familie. Ohne Druck. Da kann man auch mal bei Bedarf länger schlafen. Es ist Ruhe eingekehrt und das Lernen hat ihnen richtig Spaß gemacht. Das ist meiner Großen jetzt das erste Mal passiert. Jetzt erst in der 8. Klasse.
Zu Hause zu lernen ist ganz anders als der streng geregelte Tagesablauf, wenn die Kinder pünktlich zur Schule müssen und die Mama ins Büro. Heimunterricht ist so eine wertvolle Familienzeit und kann sehr flexibel und individuell gestaltet werden.“

Einfach ausprobieren!

„Auf jeden Fall einfach ausprobieren. Möglicherweise ist es leichter als man denkt!“ rät Stinne allen Eltern, die vor der Entscheidung stehen, ihr Kind selber zu unterrichten oder in der Schule zu lassen. „Es ist einfacher das Kind abzumelden und dann später, sollte es für einen nicht funktionieren, wieder zurück in die Schule zu wechseln. Umgekehrt ist das leider nicht möglich. Da ist das System leider sehr unflexibel.

Den Einwand, dass für die meisten Eltern Distancelearning schon der blanke Horror war, schmettert sie ab. „Das kann man gar nicht vergleichen! Nur weil das Distancelearning schwierig war, heißt das nicht, dass das Homeschooling das auch ist. Schlimmstenfalls, sollte es nicht funktionieren, ist man um eine Erfahrung reicher.“

Die gegenseitige Unterstützung ist toll!

Der Zusammenhalt in der alternativen Bildungsszene ist sehr groß. Es gibt im Internet großartige Plattformen und Telegramgruppen. (www.homeschoolersinaustria.at, www.Schule-daheim.com;) Ein Netzwerk in dem man sich Hilfe holen kann. Auch erfahrene Homeschooler unterstützen Neulinge. „Die Gegenseitige Unterstützung ist wirklich toll!“

„Aufpassen sollte man jedoch bei Onlineschulen, die den Eltern den Lernerfolg der Kinder, ohne Elterliches Zutun schmackhaft machen möchten. Homeschooling ist auch für Eltern eine Gelegenheit in die Eigenverantwortung zu kommen. Da sollte man immer besser nachkontrollieren. Sonst erfährt man erst bei der Externistenprüfung, dass der Stoff nicht sitzt“

Man muss nicht auf alle Bildungsangebote verzichten, nur weil die Kinder zu Hause sind!

Die Arbeiterkammer bietet zum Beispiel in jedem Bundesland alles Mögliche für Schüler an, Nachhilfe, zweiwöchige Sommerschulen,… In Kitzbühel gibt es zum Beispiel jeden Freitag vier Stunden Mathe zum Mitlernen. Die Kinder können dieses Angebot gratis nutzen und in Kleingruppen den Stoff erarbeiten. Julie verwendet die Schülerhilfe in Saalfelden 1 ½ Stunden pro Woche, wenn irgend etwas schwierig ist. Dort bekommt sie von Fachpersonen alles erklärt. Auch bei Bibliotheken gibt es ganz tolle Angebote, die genutzt werden können. In der Bücherei in Salzburg werden zum Beispiel Sprachen durch Native Speaker unterrichtet.

Welche positiven Aspekte hat es mein Kind anders zu bilden?

Bibiana Ortner von der Plattform „Schule daheim“ :“Es geht um Jugendliche, die die Zeit haben, sich zu Hause intensiv mit einem Fach auseinander zu setzen, von kleinen Forschern, die den Namen jedes Tieres am Teich kennen, jeder Wildpflanze die Heilwirkung zuschreiben können. Von Autisten, die zu Hause aufblühen, während der eine oder andere Schüler während der Zeit im Hausunterricht tatsächlich differenziert unterrichtet wird - in Deutsch mit den Basics der Rechtschreibung, während sie in Mathematik mit 12 Differentialgleichungen lösen. DAS ist häuslicher Unterricht.“

Ist Heimunterricht gleichwertig zur Schule?

Unterricht 1:1; an den Bedürfnissen des einzelnen Kindes ausgerichtetes, zielorientiertes Lernen; Wissen, das ins Langzeitgedächtnis geht. Kinder die am Ende des Schuljahres den Inhalt des gesamten Buchs beherrschen. Und bei Jahresprüfungen bestehen, die härter sind, als jede Prüfung an der Schule. Die Prüfungsstatistik sagt ja. Trotz dieser deutlich höheren Anforderungen, bestehen genauso viele Kinder die Externistenprüfung, wie Kinder in der Schule das Jahr positiv abschließen.

Info Box:

Kontakte:
Bibiana Ortner/Schule Daheim
www.Schule-daheim.com; t.me/Schule_Daheim

Kornelia Hörl/Leben in Bewegung
www.leben-in-bewegung.at, 0664-1338466

Internet:
www.homeschoolersinaustria
www.bewegung2020.at
www.muetterderneuenzeit.de
www.authenticparenting.at
www.mumacademy.at/homeschooling-in-oesterreich-daten-links-fakten/

Quellen:
* https://de.wikipedia.org/wiki/Hausunterricht#Meinungen_zum_häuslichen_Unterricht
** Bezirksblätter Salzburg 25./26. Mai 2022 „Auf den Spuren von fehlenden Lehrkräften
***https://www.freilerner.at/freilernen-ist/was-ist-freilernen
****„Mütter der neuen Zeit 2“ von Sabine Mänken, www.muetterderneuenzeit.de

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