Vor 100 Jahren im Pinzgau: Hunger, Krankheiten, Inflation und Unruhen

Hier eine Schulklasse im Jahr 1920 in der Pinzgauer Gemeinde Neukirchen. | Foto: Archiv Neukirchen (zur verfügung gestellt von Franz Brunner)
  • Hier eine Schulklasse im Jahr 1920 in der Pinzgauer Gemeinde Neukirchen.
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PINZGAU (cn). Als im Jahre 1918 der 1. Weltkrieg vorbei war, wurde für die zivile Bevölkerung das Leben in den Pinzgauer Gemeinden keineswegs einfacher. Zur Trauer um die im Krieg gefallenen Soldaten kamen unter anderem die große Armut, die extreme Lebensmittel- und Rohstoffknappheit, der Ausbruch von oft tödlich verlaufenden Krankheiten, die Versorgung der Heimkehrer und der Verwundeten, die Geldentwertung und auch die schwelenden politischen Lagerkämpfe.

Zell am See - Lagerkämpfe

In der Bezirkshauptstadt etwa herrschten extrem rivalisierende ideologische Ausrichtungen und unterschiedliche Anschauungen darüber, wohin das kleine "Restösterreich" steuern sollte: Die Sozialdemokratie setzte auf die Republik und erhoffte sich von ihr, auch dank des Frauenwahlrechts, eine direktere Demokratie, eine Stärkung der arbeitenden Klasse und die Auflösung des alten hierarchischen Systems. Das bürgerliche Lager wollte den Anschluss an Deutschland und warnte vor dem "Kommunismus" der Sozialdemokraten. 1920 kam es bei einem Treffen zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen Angehörigen der beiden Lager. Auch sonst standen in Zell am See Demonstrationen und Unruhen auf der Tagesordnung. Aus diesem Tauziehen ging dann 1922 jener Bürgermeister, der das bürgerliche Lager hinter sich hatte, als Sieger hervor.

Krimml - Schmuggelwesen

In Krimml, der westlichsten Gemeinde unseres Bezirkes, kamen viele Soldaten, die von der Südfront zurückkehrten, über den Krimmler Tauern. Doch auch in dieser Gemeinde herrschte Lebensmittelknappheit, und so blühte das Schmuggelwesen über den Tauern, ausgehend von Südtirol jenseits des Gebirges. Aus diesem Grund wurde direkt am Tauern ein Zivilwachenstützpunkt errichtet bzw. später eine Zollwacheabteilung aufgebaut. Dem dortigen Kommandanten Anton Solinger verdankt die Gemeinde die nach ihm benannte "Solinger-Chronik", in der später zahlreiche von ihm gesammelte geschichtliche Daten und Vorkomnisse zusammengefasst wurden. Unter anderem findet sich darin auch das unten angeführte Veteranengedicht.

Bramberg - Auswanderer

Bramberg war jene Gemeinde, in der beinahe die Hälfte der Männer zum Kriegsdienst eingezogen wurden - so viele wie in keiner anderen Pinzgauer Kommune. Schon vor dem Krieg waren wegen der herrschenden Armut siebzig Männer nach Amerika ausgewandert. Nach 1918 war das Elend noch nicht vorbei, und so emigrierten auch in dieser Zeit noch viele Gemeindebürger nach Amerika.

Veteranengedicht

Wie wenig manche Teile der Bevölkerung von der Ausrufung der Republik 1918 hielten, zeigt dieses Veteranen-Gedicht (gez. Schwab) von 1919, das sich als Auszug in der Solinger Chronik  findet:

Was sonst noch dem Land beschieden,
war wohl keinem Segen gleich,
denn nur Gauner sind zufrieden
jetzt bei uns in Österreich.

Und zum Schluss gab's kein Halten,
in der Eintracht liegt die Macht -
mit vereinter Kräfte Walten
war's in vierzehn Tagen vollbracht.
Eigenmächtig zieht die Bande,
jeder nach dem eig'nen Sinn.
Niemand weiß in diesem Lande:
Wo ist unser Kaiser hin?

Denn zu Grabe trug jetzt freudig
seinen Sinn der Patriot,
denn er war ja doch nur schneidig
schön daheim bei Fleisch und Brot.
Für dies weint man keine Träne,
was der Staat für uns erzweckt,
darum er jetzt ohne Zähne
wie ein altes Ross verreckt.

Kommentar zum Thema  100 Jahre Republik

Das Jahr 1918 ist ein Wendepunkt in der Geschichte unseres Landes. Im November 1918 ging endlich der Erste Weltkrieg zu Ende. Damit endete auch die österreichisch-ungarische Monarchie der Habsburger. Das heutige Österreich wurde eine Republik. All diese Ereignisse hatten natürlich Auswirkungen auf unsere Region. In den kommenden Wochen werden wir daher in Form einer Serie verschiedene Aspekte des Jahres 1918 und der daraufflogenden Jahrzehnte beleuchten.
Und das natürlich unter dem in unserer Zeitung üblichen lokalen Gesichtspunkt. Was also geschah damals in unserer Region? Was blieb in unserer unmittelbaren Heimat einerseits von der Monarchie erhalten und wie spiegelt sich andererseits heute das Verständnis der Republik in unserem Bezirk wider? Wie hat sich unser Bezirk in den vergangenen hundert Jahren entwickelt und welche unmittelbaren Ereignisse in unserer Region sind den Menschen abseits der großen historischen Momente noch lange in Erinnerung geblieben? Mit dieser Serie wollen wir aber auch zeigen, dass Geschichte von Menschen gemacht wird und dass erst die Geschichte einzelner Regionen das große Ganze ergibt.

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