Pflegenotstand
"Wir leisten Akkordarbeit am Menschen, das soll nicht sein"

"Unsere Akkus sind leer", schrieben die Mitarbeiter in St. Veit bei einer Demo im Herbst.
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Die Mitarbeiter in der Pflege und Betreuung wollen ihren schönen Beruf zurück. Sie fordern von der Salzburger Landesregierung, die Rahmenbedingungen in der Pflege und Betreuung zu verbessern. Im Vorfeld der letzten Landtagssitzung am Mittwoch, wird eine Petition mit konkreten Forderungen an Landesregierung und Landtag übergeben. 

SALZBURG. Vor vier Jahren arbeiteten pro Tag noch sieben bis acht Pflegekräfte im Seniorenheim, in dem Daniela Gaar tätig ist. Heute sind es vier bis fünf. Die Arbeit ist aber dieselbe geblieben. "Natürlich bedeutet das einen Mehraufwand für jeden einzelnen Mitarbeiter", sagt Daniela Gaar, Personalvertreterin der Seniorenheime der Stadt Salzburg. Im Nachtdienst ist eine Pflegekraft für vier Stockwerke zuständig. "Wenn es da einen Notfall gibt, hat man ein Problem", so Gaar. Sie und ihre Kollegen laufen an einem Arbeitstag 27.000 Schritte. Mit normalen Dienstzeiten rechnet sie eigentlich nie, weil die Dienstpläne selten halten. "Und wenn ich am Vormittag einem Bewohner sage: ‚Ich komme gleich’, glaubt mir das niemand mehr", so Gaar. 

"Wir in der Pflege leisten Akkordarbeit – aber nicht an Maschinen, sondern am Menschen. Das ist nicht in Ordnung." 
Daniela Gaar, Personalvertreterin der Seniorenheime der Stadt Salzburg 

Daniela Gaar, Personalvertreterin der Seniorenheime der Stadt Salzburg | Foto: ÖGB Salzburg
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Petition #MehrWärFAIR! 

Wegen Arbeitsbedingungen wie diesen starteten im Mai 2021 die Salzburger Landesorganisation des ÖGB (Österreichischer Gewerkschaftsbund) mit den zuständigen Gewerkschaften sowie mit Betriebsräten und Personalvertretern aus den Gesundheits-, Pflege- und Sozialberufen eine Petition.

Unter dem Titel #MehrWärFAIR! waren die Salzburger zur Unterzeichnung der Petition aufgerufen. Diese fordert von der Salzburger Landesregierung, die Rahmenbedingungen in der Pflege und Betreuung zu verbessern. Im Vorfeld der letzten Landtagssitzung am Mittwoch, wird die Petition mit konkreten Forderungen an Landesregierung und Landtag übergeben.

Das Personal in Gesundheits-, Pflege- und Betreuungseinrichtungen hat in der Covid-Pandemie besondere Herausforderungen zu meistern. | Foto: Albin Ritsch (Symbolfoto)
  • Das Personal in Gesundheits-, Pflege- und Betreuungseinrichtungen hat in der Covid-Pandemie besondere Herausforderungen zu meistern.
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Konkret wird folgendes von der Landesregierung gefordert:
Fachkräfte-Ausbildung:

  • Mehr Ausbildungsplätze im Bereich Pflege und Betreuung. Bis 2024 wird mit einem Bedarf von 3.040 Pflegekräften gerechnet. Trotz Investitionen in zusätzliche Ausbildungsplätze wird davon ausgegangen, dass 2024 bis zu 880 Pflegekräfte fehlen werden.
  • Bessere Arbeitsbedingungen, um Fachkräfte langfristig im Job zu halten und AussteigerInnen zurückzuholen.
  • Infrastruktur: Geld für Klassenräume und Pflege-PädagogInnen;

Faire Bezahlung:

  • Bezahlte Praktika statt Taschengeld;
  • Gleicher Lohn für gleiche Arbeit unabhängig davon, in welcher Einrichtung man arbeitet. (angepasst an den höchsten derzeit bezahlten Lohn)
  • Existenzsichernde Deckung des Lebensunterhalts während der Ausbildung;

Mehr Personal:

  • Bedarfsorientierte Personalbemessung, die der Alltagsrealität gerecht wird;
  • Ausreichend Personal in allen Bereichen – Tag und Nacht;
  • Verlässliche Arbeitszeiten und ausreichende Ruhephasen;

"In dieser Petition gibt es keine Forderung, die das Land nicht direkt selbst umsetzen könnte, wenn der Wille vorhanden ist", sagte ÖGB-Landesgeschäftsführerin Gabi Proschofski.

Gabi Proschofski, ÖGB-Landesgeschäftsführerin. | Foto: wildbild
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Drei Mal so viele offene Stellen

Vor allem die letzten drei Forderungen resultieren aus einem permanenten Personalmangel, wie ihn Daniela Gaar für die Seniorenheime beschreibt: "Es fehlen diplomierte Fachkräfte, Fachsozialbetreuer, Pflegehelfer und Betreuungskräfte." Daher könne auch der Dienstplan nicht eingehalten werden und Belastung sowie Unzufriedenheit steige. Personal zu finden, gestaltet sich auch bei der Lebenshilfe schwierig. "Heuer hatten wir im Jahresschnitt 22 offene Stellen. Das sind drei Mal so viele wie im Jahr davor", sagt Christoph Eschbacher, Betriebsrat Lebenshilfe Salzburg. 

Christoph Eschbacher, Betriebsrat Lebenshilfe Salzburg.  | Foto: ÖGB Salzburg
  • Christoph Eschbacher, Betriebsrat Lebenshilfe Salzburg.
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"Vor neun Jahren hatten wir mehr Personal als heute"

Die Landesregierung betont zwar, die Ausbildungsplätze erhöht zu haben und Planstellen erhöhen zu wollen, aber: "Das Personal fehlt sofort und nicht erst in drei Jahren. Bis dahin laufen uns mehr Mitarbeiter wegen der Arbeitsbedingungen davon als wir in diesen drei Jahren ausbilden", sagt Christian Freisinger, Betriebsrat im Krankenhaus Barmherzige Brüder in der Stadt Salzburg. Ihn frustriert außerdem, dass es sich bei den "zusätzlichen" Planstellen um Köpfe handle, die in den letzten zehn Jahren sukzessive gestrichen worden waren.

Betroffene fordern eine bedarfsorientierte Personalbemessung, die der Alltagsrealität gerecht wird | Foto: Edith Haberhofer-Pierzl (Symbolfoto)
  • Betroffene fordern eine bedarfsorientierte Personalbemessung, die der Alltagsrealität gerecht wird
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"Trotz der jetzigen Erhöhung der Planstellen sind wir nicht einmal auf dem Niveau von vor neun Jahren", sagt Freisinger. Die Lage sei so angespannt, dass sich mittlerweile jeder zweite Arbeitnehmer in der Pflege und Betreuung überlege, den Beruf zu verlassen, heißt es vom ÖGB. 

"Alles in der Hand des Landes"

Von der Übergabe der Petition erhoffen sich die Initiatoren, "dass die Politik ein Zeichen setzt und uns Perspektiven aufzeigt – sofort und auch langfristig", sagt Freisinger. "Alle geforderten Punkte liegen in der Hand der Landesregierung. Sie kann genügend Planstellen bewilligen, die Arbeitszeit reduzieren, das Gehalt anheben, neue Ausbildungsmöglichkeiten schaffen und auch den Auszubildenden ein attraktives Gehalt zahlen", so Freisinger. 

"Die Puffer zwischen der Politik und den Erkrankten sind die Mitarbeiter in der Pflege und Betreuung. Aus Menschenliebe und Liebe zum Beruf kompensieren sie alles."
Christian Freisinger, Betriebsrat im Krankenhaus Barmherzige Brüder 

Christian Freisinger, Betriebsrat im Krankenhaus Barmherzige Brüder  | Foto: ÖGB Salzburg
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"Keine Almosen mehr"

Diese Petition sei nur der erste Schritt, den die Initiatoren mit den Mitarbeiter und besorgten Bürgern setzen, sagt der Präsident der Salzburger Arbeiterkammer, Peter Eder. "Wir wollen jetzt Druck aufbauen. Es geht schließlich nicht mehr nur um die Pflegekräfte, sondern auch um die Versorgungssicherheit. Es wurde genug in Fachgruppen diskutiert, jetzt müssen Taten folgen", so Eder und damit meine er mehr als einen 300-Euro-Bonus, wie von der ÖVP in Aussicht gestellt: "Dieses Angebot ist beschämend, das reicht nicht." 

Peter Eder, Salzburgs AK-Präsident und ÖGB-Landesvorsitzender | Foto: AK/Neumayr
  • Peter Eder, Salzburgs AK-Präsident und ÖGB-Landesvorsitzender
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"Seit sieben Jahren hoffe ich auf eine Besserung. Vielleicht gibt die zusätzlich prekäre Lage durch Corona jetzt endlich den Anstoß für Verbesserungen." 
Daniela Gaar, Personalvertreterin der Seniorenheime der Stadt Salzburg 

"Es ist ein schöner und erfüllender Beruf"

 "Die Mitarbeiter in der Pflege und Betreuung lieben ihren Job. Es ist ein schöner und erfüllender Beruf. Das spüre ich auch sofort, wenn mal wieder ein 'normaler' Tag hinter mit liegt und ich Zeit hatte, mich mit einem Bewohner zu beschäftigen und seine Hand zu streicheln", sagt Gaar.

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