Gewalt an Frauen
"Für Frauen und Kinder ist der gefährlichste Ort die Familie"

Wegen Gewaltübergriffen innerhalb der Familie nutzen 1.300 Salzburgerinnen aus allen Bezirken jährlich, das Angebot des Gewaltschutzzentrums. Die Dunkelziffer ist allerdings viel höher. | Foto: Gstraunthaler
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  • Wegen Gewaltübergriffen innerhalb der Familie nutzen 1.300 Salzburgerinnen aus allen Bezirken jährlich, das Angebot des Gewaltschutzzentrums. Die Dunkelziffer ist allerdings viel höher.
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Renée Mader vom Gewaltschutzzentrum spricht über die Sicherheit von Frauen in Salzburg.

SALZBURG. In diesem noch jungen Jahr wurden in Österreich bereits fünf Frauen ermordet. Die mutmaßlichen Täter stammen alle aus dem familiären Umfeld. Die Bezirksblätter haben bei Renée Mader, Geschäftsführerin im Gewaltschutzzentrum Salzburg nachgefragt: "Wie sicher leben Frauen in Salzburg"?

Frau Mader, fünf ermordete Frauen alleine im Jänner 2018, die mutmaßlichen Täter stammen aus der eigenen Familie, was sagen Sie als Expertin dazu?
RENÉE MADER:
Das ist nichts Neues. In Mitteleuropa ist für Frauen und Kinder der gefährlichste Ort die eigene Familie. Wir beraten 1.300 betroffene Salzburgerinnen aus allen Bezirken jährlich wegen Gewaltübergriffen innerhalb der Familie. Die Dunkelziffer ist viel höher. Studien sprechen davon, dass jede vierte Frau in Europa einmal in ihrem Leben Übergriffe innerhalb der Familie erlebt.

Sprechen wir hier nur von Frauen oder auch von Männern, die Gewalt in der Familie erfahren?
RENÉE MADER:
Wir sprechen ganz konkret von Frauen. Alleine die Zugehörigkeit zum weiblichen Geschlecht erhöht die Gefahr, Opfer von Gewalterlebnissen in der Familie oder im sozialen Nahbereich zu werden, eklatant.

Warum werden Männer gewalttätig gegen ihre Frauen, Schwestern oder Kinder?
RENÉE MADER:
Weil die Männer die Mächtigen in der Gesellschaft sind. Das ist historisch gewachsen. Dass Männer ihre Frauen und Kinder unterdrücken, hat Geschichte bei uns. Das hat mit einem Ungleichgewicht in der Gesellschaft zu tun und damit, dass diese Form von Gewalt wenig verurteilt und oft nicht ernstgenommen wird.

Was meinen Sie damit, dass Gewalt an Frauen nicht ernstgenommen wird?
RENÉE MADER:
Die Verurteilungsrate von häuslicher Gewalt liegt bei nur 20 Prozent. Häufig hören betroffene Frauen in ihrem Umfeld, das seien nur Phasen, man müsse als Ehepaar auch in schlechten Zeiten zusammenhalten oder man sei es den Kindern schuldig, zusammenzubleiben. Das löst in Betroffenen Schuldgefühle aus.

Hat Gewalt in der Familie etwas mit der Herkunft zu tun?
RENÉE MADER:
Nein. Gewalt an Frauen wird dort praktiziert, wo die Gesellschaft suggeriert, es sei in Ordnung, Frauen zu unterdrücken. Also in patriarchalen Strukturen. Das zieht sich durch die gesamten Gesellschafts- und Bildungsschichten und ist am Land stärker verankert als in der Stadt.

Wollen Sie damit sagen, dass die Salzburger Gesellschaft die Unterdrückung von Frauen als normal ansieht?
RENÉE MADER:
Ich will damit sagen, dass Männer und Frauen in Salzburg nicht gleichwertig sind. Das sehen wir beim Gehalt, bei der Frauenrate in der Politik und unter Führungskräften sowie bei der "MeToo"-Debatte. Auch die niedrige Verurteilungsrate zeigt, dass diese Straftaten nicht ernst genommen und damit "toleriert" werden.

Was kann die Politik tun?
RENÉE MADER:
Die Politik muss zeigen: Wir als Gesellschaft dulden Gewalt an Frauen nicht. Gewalttäter müssen wie alle anderen Straftäter verurteilt werden. Ein Bankräuber würde nicht zu einem Tätertraining geschickt werden, wie es jetzt von der Politik für Gewalttäter in der Familie angedacht wird, sondern würde verurteilt werden. Das ist ein Zeichen dafür, dass häusliche Gewalt nicht so schwer wiegt wie andere Straftaten.

Wann ist Verhalten gewalttätig?
RENÉE MADER:
Frauen müssen sich fragen: Darf ich eigene Handlungen setzen, selbst Entscheidungen treffen? Fühle ich mich kontrolliert? Wurde ich schon festgehalten? Bedroht, fertiggemacht zu werden? Geohrfeigt? Dann ist das Gewalt oder die Vorstufe dazu. Diese Gewalt wird sich steigern und hört nie von alleine auf.

Und was gilt es dann zu tun?
RENÉE MADER:
Wenden Sie sich an das Gewaltschutzzentrum. Wir erstellen mit Ihnen einen Aktionsplan. Unser Ziel ist nicht die Scheidung oder eine Trennung, aber wir zeigen auf, wo man ansetzen kann, um die Situation zu verändern. Gewalt muss auf allen möglichen Ebenen begrenzt werden.

Zur Sache: Kontakt
Es gibt in jedem Bezirk eine Bezirksstelle. Kontaktaufnahmen wird dennoch über die Zentrale in Salzburg erbeten:

Gewaltschutzzentrum Salzburg
Paris-Lodron-Straße 3a/1. Stock,
5020 Salzburg
Tel. 0662 / 870 100
office@gewaltschutzsalzburg.at

Wegen Gewaltübergriffen innerhalb der Familie nutzen 1.300 Salzburgerinnen aus allen Bezirken jährlich, das Angebot des Gewaltschutzzentrums. Die Dunkelziffer ist allerdings viel höher. | Foto: Gstraunthaler
Renée Mader ist Juristin, Sozialarbeiterin, Psychoanalytikerin und Anti-Gewalttrainerin. Sie ist die Geschäftsführerin des Gewaltschutzzentrums in Salzburg.  | Foto: Foto August, Salzburg
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