Trauma / Psychologie
Ego-State-Therapie und Traumatherapie

Traumaarbeit mit Ego-States

Bei der Arbeit mit Ego-States handelt es sich um einen lösungs- und ressourcenorientierter Ansatz, der mit Hypnotherapie, Körperinterventionen, Methoden aus dem Somatic Experience und verhaltenstherapeutischen Methoden arbeitet.

Die Ego-State-Therapie arbeitet mit den unterschiedlichen Facetten, Ich-Zuständen, Traits, Seiten, Aspekten und Zügen unserer Persönlichkeit.

Wenn Menschen traumatisiert sind, dann spaltet sich ihre Persönlichkeit unbewusst in verschiedene Seiten auf, die oft gegeneinander wirken. Die Ego-State-Therapie kann Sie dabei unterstützen, diese verschiedenen voneinander getrennten Seiten wieder in einen guten Austausch und in Kommunikation zu bringen. Damit werden Ego-States zu wertvollen Ressourcen und Kompetenzen.

Video: Gunther Schmidt - Demo Coaching mit Seitenmodell

In diesem Video können Sie sehen, wie Gunther Schmidt mit dem Seitenmodell arbeitet.

Was sind Ego-States?

Ego-States sind neuronale Netzwerke bzw. neurophysiologische Manifestationen der Reaktionen unseres autonomen Nervensystems auf bestimmte positive und negative Lebenserfahrungen, die in unserem impliziten Gedächtnis gespeichert werden. Viele Ego-States entstehen in unserer Kindheit, aber auch erst in unserem Erwachsenenleben. Bis zu unserem Tod bilden wir immer wieder neue Ego-States aus.

Anteile, Seiten und States gibt es natürlich nicht in dem Sinne, wie es den Stuhl gibt, auf dem ich gerade sitze. Es handelt sich dabei nur um Bilder und Metaphern aus der Hypnotherapie. Seiten und Ego-States sind Modelle der Realitätskonstruktion. Wir können diese Bilder und Metaphern aber erlebniswirksam machen, da die evolutionsbiologisch älteren Teile unseres Gehirns in Bildern und Metaphern denken. Wir können somit mit Bildern und Metaphern (den Seiten) Traumafolgesymptome effizient beeinflussen und utilisieren.

Ego-States dürfen nicht verdinglicht verstanden werden, denn es handelt sich dabei nur um Hilfskonstrukte. Ego-States sind damit Muster des Erlebens, die durch Lernen und Wiederholung entstehen.

Ego-States“ ist damit eine metaphorische Umschreibung von Erlebnisnetzwerken und Prozessen in unserem Gehirn, die wir im Laufe unseres Lebens ausbilden und die wir jederzeit neu vernetzen und überschreiben können (beachte, dass es sich auch bei diesen Verben um Metaphern handelt).

Die Arbeit mit Ich-Zuständen ist schon ziemlich alt und findet sich in vielen Therapierichtungen. Die moderne Ego-State Therapie wurde jedoch erst 1980 von John und Helen Watkins entwickelt. Das „Ich“ ist in diesem Modell durch eine Anzahl von Persönlichkeitsanteilen charakterisiert. Diese sind durch mehr oder weniger durchlässige Grenzen voneinander getrennt. Von einer Pathologie sollte erst dann gesprochen werden, wenn Spaltungen, Uneinigkeit oder ein Mangel der Zusammenarbeit zwischen den Ego-States auftreten.

Das Seitenmodell in der Traumatherapie von Gunther Schmidt

Der Arzt und Psychotherapeut Gunther Schmidt betont, wie wichtig es ist, dass es im inneren System der Seiten eine oberste Instanz gibt (die zentrale Steuerposition, eine Metaebene oder das Beobachter-Ich), welche selbstwirksam alle anderen Seiten koordinieren kann. Traumatisierte States bzw. Seiten können dadurch gestärkt, getröstet und versorgt werden. Hierzu sind vor allem hypnotherapeutische Methoden hilfreich.

Es ist indes nicht zielführend, dutzende Seiten aufzustellen, ohne diese zu koordinieren. Viel wichtiger als das Aufstellen von Ego-States ist ihre kompetenten Gesamtorganisation.

Jeder Ego-State hat bestimmte Impulse und Bedürfnisse. Auf diese Weise können jede Seite, aber auch schlimme Flashbacks utilisiert werden, und im Laufe der Zeit ist ein Reframing der Traumaerfahrungen möglich. Zentral sind allerdings eine empathische Grundhaltung, viel Liebe und Mitgefühl von Seiten des Psychotherapeuten und immer wieder Pacing. Auch Ehrenrunden sollten eingeplant und utilisiert werden, denn das Aufbauen und Vernetzen neuer hilfreicher Muster des Erlebens braucht viel Übung und Zeit.

Zentral ist, dass die Klient*innen und Patient*innen zwischen den Sitzungen üben, traumatische Muster des Erlebens mit neuen Reccourcenmustern zu verknüpfen und zu vernetzen.

Teilearbeit kann, so Gunther Schmidt, chaotisch und viel zu komplex werden, wenn etwa 20 Seiten durcheinanderreden und sich gegenseitig bekriegen. Relevant sind nicht die einzelnen Ego-States, sondern deren Wechselwirkungen und Koordination in der Gesamtkooperation. Letztlich geht es ja immer um Komplexitätsreduktion, und dazu braucht es eine gute Metaebene und ein inneres Beobachter-Ich bzw. eine sichere Beobachter- und Steuerposition.

Ein Beispiel: Ich kann mit meinem Beobachter-Ich erkennen, dass in mir ein Netzwerk getriggert wird (eine Seite), die den Impuls hat, sich selbst zu ritzen. Ich frage diese Seite, welche anerkennenswerten Bedürfnisse hinter dem Ritz-Impuls stehen und erkenne, dass diese Seite eigentlich Wertschätzung und Empathie, aber auch Abgrenzung von den Anforderungen der Mitmenschen, Distanz und Ruhe braucht. Auf diese Weise utilisiere ich die Ritz-Impulse.

Zur Weiterbildung möchte ich Ihnen hier Gunther Schmidts Workshop: "Ego-States hin - Ego-States her - Sind eigentlich die Ego-States wichtig oder ihre Gesamt-Organisation?" empfehlen, den Sie auf Auditorium Netzwerk erwerben können.

Im Übrigen sind die Fortbildungen von Schmidt nicht nur sehr lehrreich, sondern auch irre unterhaltsam. Es ist, wie wenn Sie sich ein spritziges Glas Sekt gönnen, womit wir wieder bei Metaphern gelandet sind.

Hilfe bei Dissoziativer Identitätsstörung

Bei einer Dissoziativen Identitätsstörung bedarf es des Aufbaus einer klaren Steuerposition (Gunther Schmidt) und des Seitenmodells. Einfach nur Seiten bzw. Ego-States aufzustellen ist hier besonders destruktiv, weil das erst recht für Spaltung, Verwirrung und Konfusion sorgt. Die Steuerungskraft ist das Mittel der Wahl, dann ist die Dissoziation kaum ein Problem. Allerdings braucht das Etablieren der Metaebene viel Zeit, Übung und Training und ist deshalb längerfristig und schwer, aber mit vel Übung schaffbar. Die Rekonstruktion von Erinnerungen ist eben nicht notwendig.

Film: "Woltemade Hartman - Was ist Ego-State-Therapie?"

Ein Beispiel einer recht alltäglichen Problematik mit unterschiedlichen States:
Herr B. spürt im Ich-Zustand des gesunden Erwachsenen, dass er schwul ist und Bedürfnisse nach Sex und Partnerschaft mit Männern hat. Er hat allerdings auch aufgrund seiner rechtskonservativen Erziehung einen homophoben State, der Herrn B. starke Scham- und Schuldgefühle bereitet und es ihm schwer macht, seine homosexuellen Bedürfnisse frei und erfüllt zu leben.

Im Laufe seiner Therapie würdigt Herr B. seinen homophoben State, der ihn in seiner Kindheit und Jugend lediglich vor Beschämungen und drohender homophober Gewalt durch seine Eltern und Brüder bewahren wollte. Er entwickelt damit eine bessere Beziehung zu diesem State und kann ihn utilisieren bzw. nutzbar machen. Zudem verfügt Herr B. auch über ressourcenreiche und selbstfürsorgliche Ich-Zustände, die er nun gezielt und bewusst einsetzt, um freundlicher mit sich selbst umzugehen. Dadurch verringern sich auch seine Scham- und Schuldgefühle.

Interview mit Woltemade Hartman: "Was macht einen guten Ego State Therapeuten aus?"

Wofür sind Seitenmodelle hilfreich?

  • Sie helfen uns, mit inneren Ambivalenzen und Traumafolgesymptomen konstruktiver umzugehen und diese sogar nutzbar zu machen.
  • Das Reden über Traumen ist nicht hilfreich, es kann sogar zu noch mehr Leid führen, weil dabei leidvolle Erlebnismuster aufgerufen werden. U.U. kann es sogar zu Retraumatisierungen kommen.
  • Auch die Rekonstruktion von traumatischen Erinnerungen ist zweckfrei, es sei denn, Menschen erleben dies im Sinne der Zeugenschaft und Begleitung als hilfreich.
  • Die Ego-State-Therapie ist hier eine sehr schonende Form der Behandlung von Traumafolgesymptomen.

Was ist das Ziel der Ego-State-Therapie?

Das Ziel ist, dass die einzelnen Ego-States gut in die Gesamtpersönlichkeit eines Menschen integriert werden. Dies geht etwa mithilfe von Aufstellungsarbeit, Hypnose oder der Hypnotherapie von Milton Erickson.

Die Ego-State-Therapie ist sehr erfolgreich bei der Behandlung von:

  • Posttraumatischen und Komplexen Posttraumatischen Belastungsstörungen
  • Traumafolgesymptomen
  • Bindungsschwächen und Bindungsstörungen
  • Dissoziativen Störungen
  • Psychosomatischen Beschwerden und Schmerzen

Interview mit Woltemade Hartman: "Gibt es in der Teilearbeit auch böse Persönlichkeitsanteile?"

Die Arbeit mit inneren Täter*innen und Täter-nahen States

Woltemade Hartman spricht von "destruktiv wirkenden" Ego-States. Sie haben sich in traumatischen Situationen als Introjekte ausgebildet, damit wir das Trauma psychisch überleben konnten. Diese sind zu würdigen, und es ist wichtig, dass Psychotherapeut*innen eine gute Beziehung zu diesen States aufbauen, ihre Funktion wertschätzen und deren Energie utilisieren.

Ein großer Fallstrick ist es, wenn Psychotherapeut*innen diese States bekämpfen, ausmerzen wollen und sie nicht würdigen und als hochkompetente Lösungsversuche und Ressourcen betrachten.

Der Begriff "Täterintrojekt" ist Mode geworden. Diese States sind meist Objekt, manchmal auch Subjekt. Bei Subjektaktivierung besetzt dieses Introjekt unser Ich und wird eine Seite von uns. Da es zu unserer Persönlichkeit gehört, bedarf es der Würdigung. Es soll kein Fremdkörper bleiben, sondern als Überlebensressource gewürdigt und integriert werden.

Wir benötigen viel Vorsicht und Offenheit, um diese States zu hilfreichen Seiten zu transformieren. Dies braucht Zeit, Langsamkeit, Geduld, eigene Selbsterfahrung und eine fundierte Ausbildung.

Denn es geht nicht um Vernichtung und Exorzismus einer Seite von uns selbst, was Dissoziationen fördert, sondern um Integration, Wachstum und Heilung.

Trivialisierungen und Missbrauch durch die Psychoesoterik-Szene

Teilearbeit ist Mode geworden und wird manchmal auch missbraucht.

Denn nicht jede Arbeit mit Seiten ist auch Ego-State-Therapie. In der Esoterik-Szene wird etwa gerne mit dem inneren Kind gearbeitet. Das hat jedoch nichts mit Ego-State-Therapie zu tun, weil hier von vornherein suggeriert wird, dass es ein inneres Kind gäbe. Dies widerspricht der phänomenologischen Grundhaltung der wissenschaftlich fundierten Arbeit mit Ego-States.

Seien Sie auch skeptisch, wenn Ihr Psychotherapeut meint, 30 bis 40 Anteile bei Ihnen zu erkennen, mit der Mind-Control-Theorie arbeitet und Ihnen falsche Erinnerungen manipuliert. Dies hat grundsätzlich nichts mit der Ego-State-Therapie zu tun, sondern stellt eine Trivialisierung oder sogar Missbrauch dieser Methode dar.

Allerdings lässt sich die Ego-State-Therapie gut mit anderen wissenschaftlichen Psychotherapieverfahren kombinieren. Denn Ego-State-Therapie ist auch systemische Arbeit wie mit einem Familiensystem und braucht ein systemisches Wissen.

Autor: Florian Friedrich
Psychotherapeut in Salzburg / Hamburg

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