Wenn der tägliche Griff zur Flasche Routine wird
"Die Entstehung von Alkoholkrankheit (= Sucht, Abhängigkeit) ist immer ein langer, komplexer individueller Prozess, bei einem Menschen mit seinen ganz persönlichen körperlichen, emotionalen und geistigen Voraussetzungen, in Wechselwirkung mit seiner sozialen und kulturellen Umgebung", sagt Hermann Schauer von der Alkoholberatung in Gmunden.
"Wenn mir ein alkoholkranker, z.B. 45 jähriger Mensch seine Lebensgeschichte erzählt, sind oft die Faktoren klar erkennbar, die wesentlich zum problematischen Trinken und schließlich zur Sucht beigetragen haben: Zum Beispiel Defizite an familiärer Geborgenheit und Förderung, ein gering ausgebildetes Selbstwertgefühl, schwere seelische und körperliche Verletzungen, Belastungen oder Erkrankungen, frühe Erfahrungen mit Alkohol als einem "Zaubermittel" zur Verbesserung der Stimmung und inneren Befindlichkeit oder ganz einfach regelmäßiges Mittrinken bei den zahlreichen Möglichkeiten."
Je früher, intensiver und öfter Alkoholkonsum als positive Erfahrung in die körperlichen, emotionalen und geistigen Prozesse eingebaut wird und praktisch "in Fleisch und Blut" übergeht, desto größer ist auch die Gefahr, dass früher oder später die Kontrolle über das Trinken verloren geht. Das Trinken kann mit der Zeit zum unwiderstehlichen Zwang und selbst mit "eisernem Willen" nicht mehr kontrollierbar werden, weil unbewusste biologische, neuronale und emotionale Vorgänge stärker sind, als das bewusste, vernünftige Denken und Handeln.
Neben der konsumierten Alkoholmenge ist vor allem die Funktion des Trinkens und die Folgewirkung in der konkreten Lebenssituation entscheidend: Kann ich nur mit Alkohol Spaß haben, Hemmungen oder Ängste überwinden oder mich entspannen oder habe ich dafür verschiedene Möglichkeiten bereit.
Die von der WHO festgesetzten Mengen sind daher nur grobe Orientierungshilfen und sagen wenig über die konkreten persönlichen längerfristigen Risiken aus.
Tatsache ist, dass Alkohol ein allgegenwärtiges Kulturgut und Genussmittel ist und bleiben wird und jede und jeder vor der Herausforderung steht, sich kritisch mit seinem Konsum auseinander zu setzen. Ich denke, dass im Trend Richtung Gesundheitsbewusstsein, aktiver Lebensgestaltung und Lebensgenuss bereits viel Informations- und Reflexionsarbeit geleistet wird. Und Tatsache ist auch, dass weder dramatisieren, noch bagatellisieren die Prävention und die Bewältigung von Alkoholproblemen unterstützt.
Kostenlose Beratung
„Die Alkoholberatung des Landes OÖ ist ein kostenloses und unkompliziertes Angebot, mit dem jeder und jede seinen eigenen Alkoholkonsum in einem vertraulichen Rahmen und auf Wunsch anonym unter die Lupe nehmen kann. Unser Motto ist einfach: Wenn der Umgang mit Alkohol zum Problem wird, kann ein Gespräch Klarheit und Orientierung geben", so Schauer
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