GOLDRUTE. Märchen und Geschichten für Kinder, Kindsköpfe und Kind gebliebene - Teil 46

Anstatt eines goldenen Altweibersommers schickt uns der Wettergott heuer weiterhin Regen und Kälte. Da scheint es fast, als wolle ihm die goldgelbe "Rute", die man häufig an Bahndämmen und Wegrändern leuchten sieht, trotzen. Goldrutentee soll als Haarspülung mattes Haar zum Glänzen bringen. Um wieder etwas Sommerwärme ins Herz zu zaubern, genügt oft ihr bloßer Anblick. Aufmuntern und des "verregnete" Gemüt erhellen, soll auch meine heutige Geschichte.

Das Geschenk der Saligen Frau

Die Burger Agnes lebte am Silberbrunnenhof, dem reichsten und schönsten Bauernhof in der ganzen Umgebung. Geld hatten sie ja, das musste sie zugeben. Aber was nützte ihr der ganze Reichtum, wenn alles andere nicht passte. Die Mutter war vor zwei Jahren bei der Geburt des kleinen Martin gestorben. Der Vater arbeitete seither noch mehr. Um das Gut zu erhalten arbeitete er sich die Nägel aus den Fingern – vielleicht auch, damit er nicht ständig an die Mutter denken musste. Um die kleinen Geschwister musste sich seither die Agnes kümmern, denn die alte Großmutter, die bei ihnen am Hof lebte, war schon zu alt und gebrechlich und die Buben liefen ihr ständig davon. So war der 15-jährigen Agnes nichts anderes übrig geblieben, als von der Schule zu gehen und sich um die vier Geschwister zu kümmern. „Nimm‘s nicht so schwer“, hatte der Vater sie trösten wollen „du kommst vom schönsten Hof in der Gegend, da wirst du auch ohne Schule an passenden Bräutigam finden, wenn die Zeit reif ist. Bist doch ein sauberes Mädl.“

Und da waren wir auch schon beim nächsten Problem – ihrem Aussehen. Würde auf dieser schönen Welt mehr auf die inneren Werte, die innere Schönheit geachtet, hätte sich die Agnes keine Sorgen machen müssen: sie war brav, arbeitsam und gottesfürchtig und dumm war sie auch nicht, die junge Silberbrunnhoferin. Aber wer scherte sich heutzutage schon um innere Werte? „Wenn mich die Burschen nicht einmal ansehen, weil meine Haare dünn, stumpf und mausbraun sind und überhaupt nichts dran ist an mir – wie soll ich ihnen dann beweisen, dass sich ein zweiter Blick lohnt? Wie soll ich jemanden kennen lernen, wenn mich alle nur hänseln. Sie hat schon recht, die schöne Viola, wenn sie mich spöttisch „Mauerblümchen“ nennt.“

Aber viel Zeit blieb der Agnes ohnehin nicht zum Sinnieren, denn die Wäsche wollte gewaschen, das Haus geputzt und die Kinder geschneuzt und gekampelt werden.

Ach ja, eins hätt‘ ich fast vergessen, der Silberbrunnenhof war ein ganz besonderer Hof, denn im Silberbrunnen im Hofe sollten sich einer Legende nach die Saligen Frauen in Vollmondnächten die Haare waschen. Gesehen hatte das die Agnes allerdings noch nie, und das obwohl sie sich schon ein paar Mal mit Max, dem Nachbarsbuben auf die Lauer gelegt hatte.

„Ihr habt sie sicher erschreckt und vertrieben!“, schalt sie die Großmutter halb scherzhaft, als ihr Agnes von der geheimen Mission erzählt hatte. Am Hof wurde überhaupt noch viel auf die alten Bräuche gehalten. Zu Allerheiligen hatte die Mutter beim Brunnen immer ein Mal für die „Armen Seelen“ gerichtet. Zu Weihnachten wurde der Brunnen mit Girlanden aus Tannenreisig geschmückt und auch beim Räuchern in den Raunächten wurde er besonders bedacht, um die Saligen vor der „Wilden Jagd“ zu schützen. Zu Maria Himmelfahrt warf der Vater sogar ein jedes Jahr ein Zweigerl aus dem geweihten Kräuterbuschen in den Brunnen hinunter.

„Agnes, steh auf“, rüttelte sie die Großmutter unsanft mitten in der Nacht aus dem Schlaf. „Der kleine Franzl fiebert so stark und der Vater ist von der Versammlung im Goldenen Bären noch nicht heimgekommen. Schnell, lauf ins Dorf und hol den Doktor. Ich glaub, wir haben nicht viel Zeit!“ Erschrocken schlüpfte das Mädchen in den Mantel und eilte auf direktem Weg über die Steilwiese ins Dorf hinunter. Als sie völlig außer Atem beim Doktorhaus anklopfte, traf sie lediglich die Haushälterin an. „Der Herr Doktor ist für ein paar Tage zu seiner Mutter nach Salzburg gereist“ lautete die knappe Antwort. Was sollte sie jetzt tun? Da erinnerte sich die Agnes an die Kräutermali, die auf der anderen Talseite am Waldesrand hauste. Die Mali hörte ihr gut zu, packte dann etwas Mädesüß und noch ein paar andere Kräuter und Tinkturen in ein vergilbtes Beutelchen und machte sich mit der Agnes auf den Weg. Während sie den Franzl behandelte, kauerte die Agnes vorm Brunnen im Hof und weinte bitterlich. „Lieber Gott, bitte mach, dass der Franzl wieder gesund wird. Wir haben doch schon genug Unglück im Haus gehabt. Wenn du uns den Franzl auch noch nimmst, dann verkraft‘ ich das einfach nicht mehr!“

Da rann ihr ein kalter Schauer über den Rücken und etwas hauchzartes strich ihr wie eine leichte Brise übers Haar. „Was bedrückt dich so, dass du so sehr weinen musst, mein Kind?“, fragte eine weiße Frauengestalt deren silberglänzendes Haar im fahlen Mondlicht wehte. Zu müde und abgekämpft um zu erschrecken, schüttete Agnes der Saligen ihr Herz aus und klagte ihr all das Leid, das sich schon so lange in ihrem Herzen aufgestaut hatte.

„Der Franzl wird wieder gesund. Die Kräutermali weiß was sie tut und ich werde ihm zusätzlich heilsames Sternenlicht bringen. Bevor ich gehe, möchte ich dir aber etwas schenken. Nimm diese Pflanze hier und setze sie ins Gartl neben den Schotterweg. Dann pflücke die goldene Rute – die Pflanze heißt übrigens auch Goldrute – koche einen Absud und wasch‘ dir damit die Haare. Wiederhole die Anwendung so oft du willst. Du wirst sehen, bald wird es auch deinem Gemüt besser gehen.

Die Salige sollte Recht behalten. Vierzehn Tage später sprang der Franzl schon wieder fröhlich herum und heckte allerlei Späße aus. Was die Agnes betraf, so war allerdings nichts mehr beim Alten. Die wundersame Goldrute, die ihr die Salige Frau geschenkt hatte, hatte ihrem Haar nicht nur Fülle und Kraft verliehen. In der Sonne glänzte es, als wär‘ es aus gesponnenem Gold. Und auch das Gesicht des Mädchens hatte sich auf wundersame Weise verändert. Ein frisches Strahlen der Zufriedenheit, das tief aus ihrem Innern kam, hatte aus dem Mauerblümchen, über Nacht, eine wunderschöne junge Frau gemacht. Das blieb auch den Burschen im Dorf nicht verborgen und so musste sich die Agnes nie mehr Sorgen wegen dem „Überbleiben“ machen. Das Geheimnis der Goldrute aber, gab sie an alle die es verdienten weiter, und so sollen es auch die halten, die dieses Märchen lesen.

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