SCHARBOCKSKRAUT. Märchen und Geschichten für Kinder, Kindsköpfe und Kindgebliebene - Teil 54

Mit etwas Verzögerung folgt nach einer kurzen Schaffenspause heute das Kräutermärchen vom Scharbockskraut. Der Frühblüher gilt, vor der Blüte genossen, als wertvoller Vitamin-C-Spender. Aufgeblüht gilt es als leicht giftig. Die heutige Geschichte erzählt, wie es zugegangen sein könnte, dass das "Schar-BOCKs-kraut zu seinem etwas eigenartig klingenden Namen gekommen ist ; - )

Skorbat war ein alter Bock. So sagten zumindest alle im Dorf. Der Mann schien nichts anderes im Kopf zu haben, als tagein, tagaus irgendwelche Damen zu hofieren und was so einer sonst noch so anstellte mit ihnen... Überhaupt sah man ihn fast jeden Sonntag mit einer anderen herumflanieren, denn "am Tag des Herrn" hatte der sonst so fleißige Handwerker auch Zeit. Was für eine Blasphemie!

Wars heute noch die schöne vollbusige Enea, mit der er eng umschlungen die Dünen entlangspazierte. So wurde er morgen schon wieder mit der geheimnisvollen dunkelhaarigen Vilia in fragwürdiger Pose beim Leuchtturm entdeckt. Es war einfach ein Skandal. Konnte dieser Lustmolch eigentlich nie genug bekommen?! Und überhaupt, einige kleine Kinder im Dorf sahen ihm verdächtig ähnlich...

Seit kurzem aber, verhielt sich die Sachlage völlig anders. Der Wind hatte sich gedreht - und zwar orkanartig! Der Bootsbauer Skorbat, hatte sich Hals über Kopf in die Tochter des reichen Tuchhändlers Merion verliebt. Und - so intensiv er sich vorher von einer Blume zur nächsten bewegt hatte, so treu und leidenschaftlich brannte er nun für Solea. Die wunderschöne Solea erwiderte seine Gefühle. Allerdings wollte ihr Vater nichts von der brennenden Liebe des jungen Schwerenöters wissen.

Mit allem hatte er dem hartnäckigen jungen Mann mit dem schlechtesten Ruf der ihm je zu Ohren gekommen war schon gedroht. Dem Himmel sei Dank schien die letzte Drohung endlich zu wirken: "Sollten dich die Leute hier nur im entferntesten mit meiner Tochter in Verbindung bringen, so verheirate ich sie ohne zu zögern mit dem asiatischen Seidenhändler, der erst vor einer Woche hier vor Anker gegangen ist. Einer wie du wird ihren guten Namen nicht beschmutzen!" Merion fiel ein Stein vom Herzen. "Na warte!" schüttelte er die Faust gen Skorbats Haus. Dir werde ich Beine machen - sonst bringst du am Ende auch noch meine unschuldige Tochter in Schwierigkeiten!"

Skorbat schien wahrhaftig einen Strich unter die Rechnung gemacht zu haben, denn sein Ruf begann plötzlich noch erschreckendere Formen anzunehmen. Merions Tochter würde so einen bestimmt nicht mehr haben wollen, da war sich der alte Tuchhändler sicher.

Doch Skorbat war schlau. Trotzdem es für ihn keine andere mehr gab, verstand er es wie kein Zweiter, mit den Mädchen und seinem Ruf zu spielen.

Eines Abends aber, waren auch Skorbats Geduld und Hartnäckigkeit am Ende. Missmutig strecke er die Arme zum Himmel und rief: "Solea und ich - wir sind wie Sonne und Mond. Ihr Antlitz, umrahmt von goldenen Locken, strahlt heller als die Gestirne. Keine andere der Frauen, die ich zuvor gekannt habe, kann ihr das Wasser reichen. Ich hingehen, bin die blasse, finstere Seite. Sonne und Mond - so sehr sie sich auch sehnen, sie werden nie zueinander finden!" Oder gab es doch einen Weg? "Sonne und Mond! So helft mir doch - ist es nicht dasselbe Leid das uns verbindet?!"

Da fiel vor ihm eine Sternschnuppe vom Himmel und Skorbat war als flüstere sie ihm zu: "Ich will dir helfen Skorbat, folge mir! Wir Sterne leuchten den Einsichtigen gern den Weg. Nimm das Schiff, das du gerade fertig gestellt hast und fahr hinaus auf See, wo du meinen Eltern Sonne und Mond näher bist!" "Fange ich etwa schon an zu fantasieren?" fragte sich der junge Handwerker verdutzt. "Gib mir ein Zeichen, Stern!" rief Skorbat der Sternschnuppe hinterher, "so weiß ich, dass du echt bist, und nicht meiner Fantasie entsprungen!"

"Meister, Meister, so steht endlich auf!" rüttelte ihn sein junger Lehrling am nächsten Morgen aufgeregt wach. "Draußen steht ein Bote vom Tuchhändler Merion. Er will euch sprechen und sagte es wäre dringend!" WIe der geölte Blitz fuhr Skorbat aus dem Bett und stieß sich dabei heftig den Kopf. "Au, verdammt nocht mal!" Erst als er sein Gesicht in die Schüssel mit eiskalten Wasser steckte, die ihm der umsichtige Lehrling bereitgestellt hatte und einmal kräftig darin herumbrustete, kam er voll zur Besinnung. "Das Zeichen! Ja, das ist es! Der Stern hat mir tatsächlich ein Zeichen geschickt!"

Die Euphorie sollte allerdings nicht lange anhalten. Was ihm der Tuchhändler zu sagen hatte, war alles andere als ermunternd. "Segle einmal um die Welt. Kehrst du zurück und kannst mir obendrein das Bindeglied zwischen Sonne und Mond bringen, dann sollst du meine Tochter zur Frau haben. Findest du es nicht, so wird sie einen anderen heiraten und ist dir für alle Zeiten verloren!"

Zähneknirschend willigte der junge Bootsbauer ein. "Weine nicht, Solea. Ich segle im Schutz der Sterne!" tröstete Skorbat seine Geliebte zum Abschied. "Schon bald gehören wir für immer zusammen!"

Doch etwas musste schief gegangen sein. Bald schon begann er an der Botschaft des Sterns und seinem eigenen Verstand zu zweifeln. Die Tage auf See wuchsen sich zu Wochen und Monaten aus. Nach einem Sturm trieb das Boot schließlich orientierungslos auf dem Meer herum. Selbst das Trinkwasser war schlecht und faul geworden, sodass es bedenklich moderig schmeckte. Wer von der Besatzung noch übrig war, lit an Haarausfall, fahler Haut und schlechten Zähnen. Wenn nicht bald ein Wunder geschah, würde das sittsame Dörfchen wohl für alle Zeit vom Schwerenöter Skorbat erlöst sein.

Mit letzter Kraft rief Skorbat Vater Mond zu Hilfe. Kaum hatte er seine Bitte ausgesprochen, stand eine fahle, hell leuchtende Gestallt neben ihm. "Na endlich!" sprach ihn die Gestalt an. "Ich dachte schon ich muss ewig warten, bis du mich endlich um Hilfe bittest. Wir Gestirne dürfen nämlich nur in den Lauf der Dinge eingreifen, wenn uns ein Mensch ausdrücklich darum bittet." Dabei zog er, wie ein Zauberer, ein Pflänzchen aus dem Ärmel. "Iss jeden Tag ein Blatt - hör jedoch auf wenn es blüht, denn es bekommt dir dann nicht mehr. Die Pflanze, die ich dir hier schenke, heißt Scharbockskraut. Später wird es in die Seefahrergeschichte eingehen als das Kraut, das Skorbut zu heilen vermag. Was das ist willst du wissen? Skorbut ist die Krankheit, an der ihr alle leidet, du weißt schon, fahle Haut, ausfallende Haare und Zähne, Zahnfleischbluten, Durchfall, hohes Fieber... Seefahrer leiden gerne aufgrund ihres akuten Vitamin- C-Mangels darunter.

Als Gewächs wächst Scharbockskraut ganz früh im Jahr, solange die Bäume noch keine Blätter haben. Dann verschwindet es wieder. Seine Blüten jedoch, sind golden wie die Sonne. Die perfekte Medizin für einen "alten Bock" wie dich die Leute nennen, oder?" grinste die Mondgestalt spitzbübisch. Aber Spaß beiseite, dieses Pflänzlein wird das Bindelgied zwischen Sonne und Mond - dir und Solea sein.

Dankbar nahm Skorbat die Blume entgegen und machte sich schnell auf den Heimweg. Den Weg durfte ihm der Mond ja jetzt bereitwillig leuchten.

Was Merion sagte, als Skorbat wieder bei ihm auftauchte, wollt ihr wissen? Na ja, erfreut war er nicht gerade. Wer will schon einen geilen alten Bock als Schwiegersohn haben. Den Erfinder des Mittels gegen das gefürchtete Skorbut konnte jedoch nicht einmal der reiche Merion von der Türschwelle stoßen. Und so musste er ihn wohl oder übel als Schwiegersohn willkommen heißen.

Aber - Mittel gegen Skorbut hin oder her - eines sollte ihn trotzdem noch lange beschäftigen: Skorbats und Soleas Kinder hatten eine verdächtige Ähnlichkeit mit so manchen anderen Dorfkindern - auch wenn diese, Gott sei Dank, etwas älter waren als seine Enkel...

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