Allergie, Unverträglichkeit oder Autoimmunerkrankung?

Histaminhältige Nahrungsmittel wie Rotwein oder Käse können Unverträglichkeiten auslösen. | Foto: BeTa-Artworks/Fotolia.
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STEYR. Reagieren der Körper oder das Immunsystem auf einen Reiz von außen, wird laienhaft meist von einer Allergie gesprochen. Aber auch eine Unverträglichkeit (Intoleranz) oder Autoimmunerkrankung können die Ursache sein.

Am häufigsten werden Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten, so genannte Intoleranzen, mit Nahrungsmittel-Allergien verwechselt. Bei einer Intoleranz ist jedoch nicht das Immunsystem aktiv, das sich gegen Eiweißmoleküle des auslösenden Allergens richtet und Antikörper zur Abwehr bildet. „Vielmehr ist es meist ein genetisch bedingter Enzymmangel, der verhindert, dass gewisse Stoffe vom Körper so aufgespalten und verarbeitet werden, dass die Verdauung beschwerdefrei ablaufen kann“, erklärt Primar Johannes Andel, Leiter der Abteilung Innere Medizin II am LKH Steyr.

Verschiedene Symptome
Typische Symptome einer Unverträglichkeit sind Übelkeit, Blähungen, Völlegefühl, Verstopfungen, Durchfall oder Bauchkrämpfe. Kleine Pickelchen als Reaktion oder unreine Haut sind ebenfalls keine Seltenheit. Aber auch histaminhaltige Lebensmittel wie Erdbeeren, Rotwein, alter Käse, Parmesan, Fisch oder Tomaten können Unverträglichkeiten auslösen, die leicht als Allergie verkannt werden können. Die Histaminunverträglichkeit äußert sich in den meisten Fällen mit Schleimhautanschwellungen, Hautrötungen im Hals- und Gesichtsbereich („Flush“), Kopfschmerzen oder Magen-Darmproblemen.

Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten sind generell individueller als „echte“ Allergien: Manche Betroffenen klagen bereits bei kleineren Mengen über Symptome, andere wiederum verspüren die Intoleranz erst nach dem Verzehr größerer Mengen. „Das ist ein ganz wichtiger Faktor, da richtige Allergien bei jedem Allergenkontakt binnen kürzester Zeit lebensbedrohliche Situationen wie Atemkrisen oder daraus resultierend später chronisches Bronchialasthma verursachen können“, sagt Johannes Andel.
„Unverträglichkeiten hingegen verursachen selten derartig schwerwiegende Folgen, wenn auch die Symptomatik ähnlich und die Beschwerden genauso unangenehm und einschränkend sein können“, so der Experte für Innere Medizin.

Augenmerk auf Zutaten legen
Bei einer Allergie (Überempfindlichkeit) im medizinischen Kontext hat das Immunsystem das allergene Nahrungsmittel im Gedächtnis gespeichert und setzt selbst bei minimalsten Spuren in Nahrungsmitteln (zum Beispiel Erdnüsse in Fertiggerichten) intensivste Abwehrmechanismen in Gang. Nahrungsmittel-Allergiker müssen immer exakt darauf achten, ob das entsprechende Allergen im Essen vorkommt oder nicht. Sollten nach dem Verzehr bestimmter Nahrungsmittel immer wieder Beschwerden aufkommen, empfiehlt sich die medizinische Abklärung. „Die Praxis zeigt, dass echte Lebensmittelallergien häufiger bei Kindern vorkommen, wohingegen Erwachsene eher unter Nahrungsmittel-Intoleranzen, also Pseudoallergien, leiden“, weiß Andel.

Haut-, Blut- und Atemtests
Um festzustellen, ob es sich um eine Allergie oder Intoleranz handelt, kommen verschiedene Testverfahren zum Einsatz. Die Allergie-Diagnose wird durch Hauttests (zum Beispiel Prick- oder Epikutantest) gefestigt, bei denen die Lebensmittelallergene direkt auf die Haut aufgebracht und eingeritzt werden. Zeigt sich eine Reaktion (Quaddelbildung), wird das Blut noch auf allergiespezifische Antikörper untersucht (RAST-Test). Ist eine Allergie auszuschließen, wird – je nach Verdacht – mit unterschiedlichen Blut- und Atemtests und Gewebeproben eine eventuelle Intoleranz gegenüber bestimmten Nahrungsmitteln untersucht.

Verzicht auf bestimmte Nahrungsmittel
Zu den bekanntesten Nahrungsmittel-Allergenen zählen (Erd)Nüsse, Früchte, Hühnereier oder auch (Kuh-)Milch. Bei den Intoleranzen hingegen reagieren die meisten Betroffenen auf Histamin, Alkohol, Milchzucker (Laktose) oder Fruchtzucker (Fructose). Glutenunverträglichkeit oder Zöliakie (Reaktion auf das in vielen Getreiden enthaltene Weizenklebereiweiß) ist hingegen eine Mischform aus Allergie und Autoimmunerkrankung.
Die erfolgreiche Therapie sowohl bei Allergien als auch bei Unverträglichkeiten erfolgt in den meisten Fällen durch Verzicht auf die auslösenden Nahrungsmittel bzw. bei Laktose-Intoleranz kann das fehlende Enzym Laktase in Tablettenform verabreicht werden.

Autoimmunerkrankungen

Anders als bei Allergien oder Unverträglichkeiten verhält es sich mit Autoimmunerkrankungen (auch: autoallergische Erkrankungen), bei denen die Steuerung des Immunsystems ebenfalls gestört ist. Im Gegensatz zur Allergie reagiert der Organismus jedoch nicht auf harmlose körperfremde Substanzen (Allergene), Bakterien oder Viren, sondern richtet sich gegen sich selbst: Fehlgesteuerte Immunzellen (T-Lymphozyten) greifen den eigenen Körper an, was mit extremen Schäden der betroffenen Organe oder Gewebe einhergehen und schlimmstenfalls zu lebensbedrohenden Zuständen führen kann.

Typische Autoimmunerkankungen sind etwa Rheuma, chronische Darmentzündungen (Morbus Crohn, Colitis Ulcerosa), Multiple Sklerose, Psoriasis (Schuppenflechte), Lupus erythematodes oder auch Diabetes Typ I. „Der Fehlalarm im Immunsystem entsteht durch entartete T-Lymphozyten. Diese speziellen weißen Blutkörperchen werden normalerweise im Thymus, einer Drüse unterhalb des Brustbeins, ‚geschult’, die eigenen Zelltypen im Organismus zu erkennen und im Falle einer nötigen Immunabwehr zu ‚verschonen’.
Bei Autoimmunerkrankungen tun die T-Lymphozyten jedoch genau das Gegenteil. Sie reagieren auf eigenes Gewebe wie auf einen Fremdkörper. Hierdurch entstehen Entzündungen, die nicht mehr abklingen. Die Folge ist, dass das Gewebe seine Funktionen nicht mehr erfüllen kann und schließlich untergeht. Die Medizin spricht hier von einer fehlgeleiteten Immuntoleranz“, erklärt Primar Andel den komplexen Prozess einer Autoimmunerkrankung.

Rund sechzig Erkrankungsformen
Trotz intensiver Forschung sind die Ursachen von Autoimmunerkrankungen nach wie vor unklar. Experten gehen davon aus, dass eine genetische Disposition vorliegt, die die T-Zellen von ihrer eigentlich Aufgabe abhält und dass dies, kombiniert mit äußeren Einflüssen wie Infektionen, Impfungen oder auch Giftstoffen, zu den bislang rund sechzig bekannten Erkrankungsformen führt.

Autoimmunerkrankungen verlaufen meist schubweise: Sie flammen plötzlich auf und flauen allmählich wieder ab – bis zum nächsten Schub. In der Regel werden die Symptome, die zu Erkrankungsbeginn häufig diffus sein können (darunter Juckreiz, depressive Verstimmung oder auch Libidoverlust), medikamentös – insbesondere mit Kortison behandelt –, um das Immunsystem zu lähmen und davon abzuhalten, weiter gegen den eigenen Körper zu kämpfen.
Auch monoklonale Antikörper werden zunehmend als Immunsuppressivum eingesetzt, um selektiv Signalstoffe zu blockieren, die im Zentrum der Entzündung stehen. „Auch wenn es noch keine Heilung für Autoimmunerkrankungen gibt, so wissen wir, dass auch die Ernährung oft eine Symptomverbesserung erzielen kann, ebenso wie Stressabbau und das Erlernen von Entspannungstechniken, um das Immunsystem psychisch zu stärken“, betont Experte Johannes Andel.

Quelle: LKH Steyr

http://www.lkh-steyr.at

Histaminhältige Nahrungsmittel wie Rotwein oder Käse können Unverträglichkeiten auslösen. | Foto: BeTa-Artworks/Fotolia.
Primar Johannes Andel, MPH, Leiter der Abteilung Innere Medizin II (Onkologie, Gastroenterologie, Angiologie) am LKH Steyr. | Foto: gespag
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