Klimawandel, Generalversammlung
Gletscher in Gefahr: Eisverlust nimmt zu

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Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat das Jahr 2025 zum Internationalen Jahr des Gletscherschutzes erklärt. Im Mittelpunkt steht die dramatische Entwicklung des weltweiten Gletscherrückgangs.
TIROL. Jährlich verlieren die Gletscher weltweit 273 Milliarden Tonnen Eis – ein rasanter Schwund, der sich besonders in den Alpen bemerkbar macht. Eine internationale Forschergruppe unter der Leitung der Universität Zürich hat errechnet, dass die Gletscheroberfläche in den Alpen jährlich um fünf Prozent schrumpft. Diese alarmierende Entwicklung unterstreicht die Dringlichkeit, Maßnahmen zum Schutz der Gletscher und zur Bekämpfung des Klimawandels zu ergreifen.
Gletscherschmelze in Tirol
Laut Wissenschaftlern ist die Gletschersituation besonders für Tirol von großer Bedeutung, da fünf der acht österreichischen Gletscherskigebiete in dieser Region liegen. Dies entspricht zwei Dritteln der gesamten Gletscherfläche Österreichs, erklärt Birgit Sattler vom Institut für Ökologie der Universität Innsbruck.
Die beeindruckende Gletscherlandschaft zieht sowohl im Winter als auch im Sommer zahlreiche Touristen an. Doch obwohl die Gletscherskigebiete nur rund ein Prozent der vergletscherten Fläche ausmachen, stehen sie im Zentrum der Kritik, insbesondere im Hinblick auf den Wintertourismus auf den Eisfeldern.
Nach Einschätzung der Universität Innsbruck wird sich unter den derzeitigen Klimabedingungen in den kommenden Jahrzehnten kein neues Eis mehr bilden.
„Modellierungen zeigen, dass die Gletscherflächen in den nächsten Jahrzehnten markant zurückgehen – so nicht ein globaler Klimakipppunkt erreicht wird oder ein großer Vulkan ausbricht. Das würde den Gletschern helfen, das Leben im Alpenraum aber schwierig machen“, betonte Andrea Fischer, von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.
Schutz der Gletscher erforderlich
Die Gletscher Tirols stehen durch Landesgesetze unter besonderem Schutz. Der Verein VITALPIN fordert entschlossenes globales Handeln zum Schutz der Gletscher. Ein zentraler Punkt ist dabei die Aufklärung der Bevölkerung im Alpenraum.
Zu diesem Zweck hat der Verein VITALPIN gemeinsam mit der Universität Innsbruck, Glaziologen aus der Schweiz und den zuständigen Behörden in Südtirol umfangreiche Daten erhoben. Ziel ist es, ein besseres Bewusstsein für den dramatischen Gletscherschwund zu schaffen und gezielte Maßnahmen zum Schutz der Alpen zu fördern.
Südtirols Gletscher in Gefahr
In Südtirol gibt es derzeit 168 Gletscher, von denen nur zwei als Gletscherskigebiete genutzt werden. Aufgrund der sonnenseitigen Exposition sind die Gletscher hier jedoch noch stärker vom Abschmelzen betroffen als in Österreich, berichtete der Verein VITALPIN.
Laut dem Gletscherinventar 2023 hat sich die Eisfläche seit 2016/17 um weitere 15 Prozent verringert. Insgesamt beträgt die verbliebene Gletscherfläche nur noch 72 km², was knapp ein Prozent der gesamten Landesfläche entspricht.
- Talgletscher haben sich seit der Kleinen Eiszeit (Ende des 13. Jahrhunderts bis ins 19. Jahrhundert) um über zwei km zurückgezogen.
- Die Massenbilanz-Datenreihen zeigen seit 1990 einen durchschnittlichen Verlust von ein Meter Schneewasseräquivalent pro Jahr.
- Im extremen Jahr 2022 gingen rund 5 Prozent des Gesamtvolumens der Südtiroler Gletscher verloren.
- Positive Ausreißer: In außergewöhnlich schneereichen Wintern, wie 2001 oder 2014, konnte kurzfristig ein knapp positiver Massenhaushalt festgestellt werden.
Es gibt auch regionale Unterschiede: In den westlichen Gebirgsgruppen lag der Flächenverlust zwischen 25 und 29 Prozent, während er im östlichen Südtirol sogar 39 bis 43 Prozent erreichte. Dies ist auf topografische Gegebenheiten zurückzuführen.
Glaziologe Roberto Dinale von der Fachstelle für Glaziologie der Agentur für Bevölkerungsschutz zeigt sich besorgt:
"Bei der aktuellen Klimaentwicklung werden in Südtirol bald die ersten kleinen Gletscher, wie der Weißbrunnferner in Ulten, vollständig verschwinden. Laut Klimaprojektionen werden bis zur zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts alle weiteren Gletscher folgen." (Roberto Dinale, Glaziologe von der Fachstelle für Glaziologie der Agentur für Bevölkerungsschutz)
Diese Entwicklung ist ein eindeutiges Zeichen der fortschreitenden Klimaerwärmung und eine eindringliche Warnung, dass dringend Maßnahmen zum Schutz der Gletscher ergriffen werden müssen, warnt der Verein VITALPIN.
Schweizer Gletscher unter Druck
Auch in der Schweiz zeigt sich ein dramatisches Bild. Von den insgesamt 1.400 Gletschern sind neun Teil von Skigebieten, wobei nicht alle ausschließlich für den Gletscherskibetrieb genutzt werden. Die Jahre 2022 und 2023 brachten besonders besorgniserregende Entwicklungen: Die Schweizer Gletscher verloren in nur zwei Jahren rund zehn Prozent ihres Volumens, berichtet die Eidgenössische Kommission für Kryosphärenbeobachtung der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz.
„Die Gletschersituation in der Schweiz liefert ein klares und unbestechliches Signal, welches uns paradoxerweise vom Handeln abhalten kann. Die Umweltpsychologie sagt uns nämlich, dass Bedrohungswahrnehmung die schlechteste Handlungsmotivation ist. So besteht mein Wunsch darin, dass wir das Signal ernst nehmen und trotzdem unsere Herzen von den Gletschern erwärmen lassen, damit wir motiviert für die Zukunft unserer Kinder handeln“, sagte der Schweizer Glaziologe Felix Keller (ETH Zürich).
Felix Kelle engagiert sich für das Projekt MortAlive, das auf künstliche Beschneiung setzt, um dem Schmelzen der Gletscher entgegenzuwirken. Schnee dient dabei als natürlicher Schutz, da er das darunterliegende Eis isoliert und vor der Sonneneinstrahlung bewahrt.
Gletscher – mehr als gefrorenes Wasser
Seit Jahrhunderten sind Gletscher essenzielle Wasserspeicher für Flüsse und Trinkwasser. Sie bieten Lebensraum für kälteliebende Tierarten und Mikroorganismen, die durch den Klimawandel zunehmend bedroht sind. Zudem spielen sie eine wichtige Rolle im Kohlenstoffkreislauf.
„Gletscher sind die sichtbarsten Anzeiger für den weltweiten Klimawandel. Es braucht Maßnahmen. Und zwar auf globaler Ebene. Regional Schuldige zu suchen ist falsch, nicht seriös und entspricht nicht der Faktenlage“, warnte VITALPIN-Geschäftsführer Manuel Lutz.
Wissenschaftler betonen die Dringlichkeit: Der Weltklimarat fordert konkrete Maßnahmen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen, um den Gletscherschwund einzudämmen. Auch die Universität Zürich und die Tiroler Forscherinnen Sattler und Fischer sehen die Dekarbonisierung als langfristig unvermeidlich.
Kurzfristige Schutzmaßnahmen können den Prozess zumindest verlangsamen. In Österreich erstrecken sich Skigebiete im Sommer über 100 Hektar Gletscherfläche – ohne sie würden jährlich 1,75 Milliarden Liter Wasser schmelzen.
„Es geht nicht um die Frage, ob das Abdecken von Gletschern die ideale Lösung ist. Wir handeln, um zumindest den Gletscherschwund zu verlangsamen gleichzeitig sichern wir die nahe Zukunft der Gletscherskigebiete. Das Schlimmste ist, jemandem erklären zu müssen, dass wir nichts unternommen haben. Daher stehe ich zu dieser Maßnahme, auch wenn es kritische Stimmen gibt – wir haben es wenigsten versucht“, erklärte Markus Moser, Präsident der Bündner Bergbahnen.
Beiträge zum Thema Gletscher
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