"Man kann nicht jedem Süchtigen helfen, das muss man lernen"

Eva Köppl von Roots | Foto: woche/aw
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Einrichtungen wie die Drogenambulanz "Roots" in Villach sind Auffangstationen für tausende Menschen in Österreich. Allein in Villach engagiert sich ein Stab an Psychologen, Therapeuten, Ärzten und Sozialarbeitern täglich um die Klienten. Und die nehmen zurzeit stark zu.

Frau Köppl, wie viele Menschen betreuen sie derzeit bei Roots?
Das sind derzeit mehr als 800 Personen in Villach, Spittal und Völkermarkt. Aber die Nachfrage ist gerade besonders stark. Viele wollen ins Substitutionsprogramm.

Wie lange warten Abhängige auf einen Platz?
Das ist verschieden. In akuten Notsituationen wird umgehend reagiert, es kann aber auch wenige Wochen dauern bis man einen Termin zum Beginn einer Substitutionsbehandlung bekommt. Wir sind sehr ausgelastet. Das Warten auf einen Platz bei einer stationären Langzeittherapie kann in manchen Fällen schon einige Wochen bis Monate dauern.


Ist eine Aufstockung kein Thema?

Doch wir haben jetzt zum Glück Stellen dazu bekommen. Darüber sind wir sehr froh, da wir an die Grenzen unserer Auslastung stoßen. Inzwischen hat auch die AVS Ambulanz in Klagenfurt geöffnet, die Ambulanz war zwischenzeitlich geschlossen. Das entlastet uns in Zukunft.


In welcher Altersklasse merken Sie eine Zunahme?
Das geht quer durch die Bank. Von Kindern- und Jugendlichen bis hin zu Berufstätigen Das Hauptklientel ist aber zwischen 18 und 25 Jahre alt.

Entschuldigung, Sie sagten auch "Kinder"?
Ja, wir betreuen auch Jugendliche unter 14 Jahren. Cannabis ist oft der Einstieg.

Kann denn Cannabis so stark abhängig machen, dass es zum Problem wird?
Natürlich. Wobei nicht jeder gleich stark suchtgefährdet ist, das muss man auch sagen. Während der regelmäßige Konsum dem einem weniger ausmacht, kann ein anderer psychisch abhängig werden.

Dann ist Cannabis eher ein psychisches Problem.
Folgen chronischen Konsums können Gedächtnisschwierigkeiten bis hin zu Antriebsstörungen; Motivationsverlust sein.

Ab wann gilt ein Konsum als "übermäßig"?
Wir sprechen von mehrmals täglichem Konsum. Bei manchen ist es, das erste was sie morgens machen.

Und es bleibt nicht immer bei Cannabis.
Nein. Oft ist es der Einstieg. Oder wird parallel konsumiert. Wie Cannabis und Heroin.

Welche Drogen nehmen am stärksten zu?
Ein gefährlicher Trend geht hin zum Mischkonsum verschiedener Substanzen. Aus dem Dark Net kann man sich ja alles mögliche bestellen. Da kommen Substanzen vor, die wir noch nicht kennen. Das macht eine Therapie umso schwieriger.


Wie lang braucht es, bis Süchtige Hilfe suchen?
Durchschnittlich brauchen die Menschen zirka eineinhalb Jahre bis sie den Schritt wagen sich zB in Substitutionsbehandlung zu begeben. Andere kommen auch im Rahmen von gesundheitsbezogenen Maßnahmen zu uns. 



Wie geht man dann an den Menschen heran? Funktioniert eine Therapie überhaupt ambulant?
Manchmal ja, oft nicht. Dann brauchen Klienten stationäre Hilfe. Die dauert ein halbes Jahr. Danach können Sie von uns weiterbegleitet werden. Aber die Rückfallquote ist leider hoch. Sie liegt bei zirka 80 Prozent.

Hat man als Sozialbetreuer da überhaupt Einfluss?
Ja. Wir sind eine Anlaufstation, wir versuchen ein Netz zu sein. Wichtig ist es Zwischenziele zu vereinbaren, wenn jemand aus dem stationären Aufenthalt rauskommt und gleich von Job, Familie, Kinder träumt, wird es schwierig, dies sofort zu erreichen. Hier ist unsere Arbeit, mit den Menschen Teilziele zu erarbeiten. Gemeinsam kleine Schritte gehen. 


Wie oft funktioniert das?
Trotz Rückfallquote gibt es Erfolge. Menschen, die ihr Leben wieder in den Griff kriegen und sich von einem Rückfall nicht entmutigen lassen. Aber bis es soweit ist, kann es ein harter Weg sein. Wir müssen uns natürlich auch vor Augen halten, dass man nicht jedem helfen kann.


Was machen Sie, wenn Sie merken, das bringt nichts mehr. Dieser Mensch wird nie von Drogen loskommen?
Wir helfen weiter. So gut es geht. Fallen gelassen wird keiner. 
Natürlich gibt es bei uns einen Verhaltenskodex, kein Dealen in der Ambulanz, keine Drogen, keine verbale oder physische Gewalt. Verstößt jemand dagegen, wird er oder sie als Konsequenz an die Drogenambulanz nach Klagenfurt verwiesen, dies funktioniert auch umgekehrt so.

Wie funktioniert das Substitutionsprogramm?
Erst einmal muss der Klient sicher sein, dass er das auch will. Denn auch die Substitution ist eine legale "Droge",die Sucht bleibt also vorerst bestehen. Aber im Gegensatz zur Droge, wird davon nicht immer mehr gebraucht, sondern kann konstant verringert werden. Dieses Medikament wird von der Ambulanz verschrieben und der Klient holt es sich in der Apotheke, wo er oder sie es dann auch einnimmt. Meistens schon am Morgen. Das Rezept selbst ist im Regelfall einen Monat lang gültig.


Und danach?
Wir ein neues Rezept geholt. Leider gibt es in Kärnten bislang nur zwei Ambulanzen und wenige niedergelassene Ärzte die die eine Substitution verschreiben können. In anderen Bundesländern ist das anders geregelt.


Wie?
Da verschrieben das auch niedergelassene Ärzte. Dies soll demnächst auch in Kärnten für stabile PatientInnen möglich werden.


Was sind die größten Herausforderungen in Ihrer täglichen Arbeit?
Unser Aufgabenspektrum umfasst auch Angehörigenberatung. Eltern und Partner, ihnen zu vermitteln, dass es sich um eine Erkrankung handelt. Leider ist das ja oft noch immer ein gesellschaftliches Tabu. Auch Safer Use kann in der Beratung Thema sein. Die Aufklärung in punkto andere illegale Drogen ist oft wenig präsent . Über Alkohol und auch Marihuana weiß die Jugend bescheid und kann in geschütztem Rahmen darüber diskutieren. Aber über den Rest? 


Aufklärung bereits im Elternhaus.
Ja zum Beispiel. Und in den Bildungseinrichtungen natürlich. Oder bei Streetwork. Man kennt ja die bekannten Hot Spots in Villach.



Die da wären?
Der Hauptbahnhof zum Beispiel. und die privaten Haushalte. Villach hat zudem das "Problem" der nahen Grenzen. Vieles kommt von Slowenien oder Italien zu uns.

Die Drogenambulanz in Villach gibt es seit dem Jahr 2006. Sie hat unter der Woche täglich geöffnet. Für einen Termin bei unseren Ärzten ist für bestehende KlientInnen zu den Öffnungszeiten keine Terminisierung nötig. Für psychosoziale Gespräche gibt es Termine auch außerhalb der Öffnungszeiten und eine psychosoziale Bereitschaft zu den Öffnungszeiten.


Eva Köppl von Roots | Foto: woche/aw
Eva Köppl, ist Sozialarbeiterin mit Leib und Seele | Foto: woche/aw
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