Gleichberechtigung
Das Durchhaltevermögen zeichnet Frauen aus

- Andrea Zügner-Lenz, Waltraud Böhmer und Sabine Spari vom Haus des Lebens
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Sabine Spari, Andrea Zügner-Lenz und Waltraud Böhmer vom Haus des Lebens, Claudia Tillinger vom zam Voitsberg, Astrid Kniendl von "akzente" und Moderatorin Corinna Gutjahr benennen Stärken von Frauen und reden über die Gleichberechtigung.
- Was zeichnet Frauen aus? Was sind ihre Stärken?
Sabine Spari: Sie haben nicht mehr und nicht weniger Stärken als Männer, beide sind mit vielen unterschiedlichen Talenten und Fähigkeiten ausgestattet. Das Meiste wird in der Familie weitergegeben, deshalb ist es wichtig, Mädchen und Frauen besonders zu motivieren, ihre Visionen zu leben, eigenständig und ohne Abhängigkeit.

- Claudia Tillinger leitet seit einigen Jahren das zam Voitsberg.
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Claudia Tillinger: Im zam Voitsberg unterstützen wir unsere Teilnehmerinnen dabei, ihre eigenen Stärken sichtbar zu machen und für den Bewerbungsprozess zu nutzen. Dabei fällt immer wieder auf, dass Frauen sich durch eine Vielzahl an Kompetenzen auszeichnen. Fähigkeiten wie z. B. Organisationstalent, sehr gutes Zeitmanagement, zählen ebenfalls dazu wie ein ausgeprägtes Zahlenverständnis, räumliches Vorstellungsvermögen, technische Auffassungsgabe sowie Mut, neue berufliche Wege einzuschlagen bzw. eine neue Ausbildung zu beginnen. Gerade diese Vielfalt und das Wissen um die eigenen Stärken zeichnen Frauen aus. In den Gruppen angeboten zeigt sich auch immer wieder, dass Frauen sehr gut im Vernetzen sind und sich gegenseitig unterstützen bzw. Praktika und mögliche Dienstverhältnisse organisieren können.
Astrid Kniendl: Diese Frage kann ich so nicht beantworten, weil weder Frauen noch Männer eine homogene Gruppe sind und eine Generalisierung nicht passend wäre. Die Stärken und Fähigkeiten von Frauen variieren individuell. Für ein positives und gleichberechtigtes Zusammenleben in unserer Gesellschaft braucht es die Abkehr von stereotypen Vorstellungen "wie Frauen oder Männer sind" hin zu einer vielfältigen Betrachtung der Fähigkeiten und Kompetenzen. Der Verein "akzente" trägt durch seine Aktivitäten im Bezirk dazu bei, dass Frauen die Möglichkeit haben, ihre Stärken und ihr volles Potenzial zu entfalten, ohne durch geschlechtsspezifische Vorurteile oder Diskriminierung eingeschränkt zu werden.
Corinna Gutjahr: Frauen wird am Arbeitsplatz oft nahegelegt, ihre Gefühle "daheim zu lassen",um härter und professioneller agieren zu können. In einer zunehmend künstlich intelligenten Welt werden Gefühle aber immer wichtiger. Ich würde vielen Unternehmen dazu raten, vom Einfühlungsvermögen ihrer weiblichen Angestellten zu profitieren anstatt ihre Gefühlsbetontheit als Hindernis in der harten Arbeitswelt zu betrachten.
- Welche Tipps würden Sie jungen Unternehmerinnen geben?
Gutjahr: Dank Digitalisierung, Home Office und Co. lässt sich Arbeit in vielen Branchen neu gestalten. Arbeitszeit, Arbeitsort und Arbeitsweise können an die eigenen Bedürfnisse und Lebensumstände angepasst werden. Einfach mal aufmalen, wie man gerne arbeiten möchte und überlegen, was praktisch umsetzbar ist und was nicht.
Kniendl: In der Steiermark wird mittlerweile fast jedes zweite Unternehmen von einer Frau gegründet - 2023 waren genau 45,2 Prozent der neu gegründeten Einzelunternehmen in weiblicher Hand. In einer Welt, in der männliche Stimmen oft lauter gehört werden, ist es wichtig, dass junge Unternehmerinnen sich vernetzen und sich so gegenseitig stärken. Netzwerke bieten nicht nur Unterstützung und Ressourcen, sondern können auch dazu beitragen, Geschäftsmöglichkeiten zu schaffen und Erfahrungen auszutauschen. Letztendlich geht es aber in einer gleichberechtigten Gesellschaft darum, für alle Menschen eine Umgebung zu schaffen, in der sie die gleichen Chancen und die gleiche Unterstützung erhalten, Geschäftsideen zu verwirklichen und ihr volles Potenzial auszuschöpfen.
Tillinger: Das Aufbauen von Kontakten in der eigenen Branche ist sehr wichtig. In unserer Arbeit sehen wir immer wieder, dass Frauen eine sehr gute Vernetzungsarbeit leisten. Ein starkes Netzwerk kann nicht nur bei der Kundengewinnung helfen, sondern auch wertvolle Ratschläge und Unterstützung bieten. Eine gute Bedarfsanalyse um mögliche Kooperationen mit anderen Unternehmern anzustoßen ist genau so unerlässlich, wie die Beziehung zu den bereits bestehenden Partnern zu pflegen. Klare Ziele und ein detaillierter Geschäftsplan dienen dabei als Leitfaden für das eigene Unternehmen. Darüber hinaus ist ein Wissen über die regionalen Strukturen für die Vermarktung der Produkte essenziell. Die eigene Weiterbildung sollte dabei nicht zu kurz kommen. Durch formale Bildung, Selbststudium oder Austausch mit anderen Unternehmern können bei der Positionierung des eigenen Produkts oder der eigenen Dienstleistung unterstützen und den Erfolg vorantreiben.
Andrea Zügner-Lenz: Dieses Durchhaltevermögen, das Frauen besonders auszeichnet, einzusetzen, nichts persönlich zu nehmen, ab und zu einen Perspektivenwechsel vorzunehmen, um sich aus einer Sache herauszunehmen.
- Woran muss beim Thema Gleichberechtigung noch gearbeitet werden?
Waltraud Böhmer: Gleiche Bezahlung bei gleicher Arbeit. Es sollte keinen Nachteil durch Kindererziehungszeiten für Frauen im Job geben. Die Entspannung von Klischees: Berücksichtigung, dass jeder (Mann/Frau) unterschiedliche Fähigkeiten hat. Typische Frauenberufe gehören besser bezahlt, damit sie auch für Männer attraktiv werden und alle gut davon leben können und nicht von Altersarmut betroffen sind.

- Moderatorin Corinna Gutjahr kehrte in ihrer Heimat nach Köflach zurück.
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Gutjahr: Wir sollten weniger darüber reden, ob wir mit Doppelpunkt, Schrägstrich oder Binnen-I gendern wollen oder nicht - das gießt nur Öl ins Feuer. Wichtiger ist es, sich von überholten Rollenbildern zu lösen. Gerade im beruflichen Bereich sollte es normal sein, von einer Elektrikerin, einem Fußpfleger, einer Rauchfangkehrerin oder einem Kindergärtner zu sprechen, ohne dass es seltsam anmutet.
Tillinger: Das Thema Gleichstellung von Frauen am Arbeitsmarkt ist brisant wie eh und je und gerade auch die letzten Jahre haben die Benachteiligung und Doppelbelastung der Frauen in vielen Fälle noch weiter verstärkt. Das Ungleichgewicht beginnt bei der Entlohnung. Heuer fand der Equal-Pay-Day am 14. Februar statt. Der Equal-Pay-Day ist ein symbolischer Tag, der darauf aufmerksam macht, dass Frauen im Durchschnitt länger arbeiten müssen, um das gleiche Jahresgehalt zu verdienen, das Männer bereits bis zum Ende des Vorjahres erhalten haben. Er markiert also den Tag, bis zu dem Frauen umgerechnet umsonst arbeiten, basierend auf der Lohnlücke zwischen den Geschlechtern. Im zam Voitsberg unterstützen wir die Frauen durch Information über die Einkommensungleichheit, neue Berufschancen und duale Ausbildungen dem Ungleichgewicht entgegenzuarbeiten. Der größte Teil der Care-Arbeit (Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen und Haushaltsführung) wird ebenfalls von Frauen geleistet. Durch ein Ausbauen der Kinderbetreuungs- und Pflegeeinrichtungen kann dem entgegengewirkt werden und die Mehrfachbelastung verringert bzw. auf Frauen und Männer gleichermaßen aufgeteilt werden. Dadurch kann eine Gleichstellung von Männern und Frauen unterstützt werden. Wir erleben immer wieder, dass Teilnehmerinnen von Gewalt betroffen sind bzw. waren. Es gibt zahlreiche Gründe für die fortbestehende Gewalt gegen Frauen, darunter Geschlechterungleichheit, patriarchale Strukturen, sozioökonomische Ungleichheiten, kulturelle Normen und unzureichende rechtliche Rahmenbedingungen. Um Gewalt gegen Frauen effektiv zu bekämpfen sind daher umfassende Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen erforderlich. Daher vernetzen wir uns regelmäßig mit anderen Organisationen um im Bedarf weitervermitteln zu können. Erst wenn all diese Themen aufgearbeitet und nachhaltige Maßnahmen gesetzt wurde, kann von Gleichstellung bzw. Gleichberechtigung gesprochen werden.

- Astrid Kniendl von "akzente" hat zum Thema Gleichberechtigung viel zu sagen.
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Kniendl: Im Bereich der Gleichstellung von Frauen und Männern wurde in den letzten Jahrzehnten viel erreicht - es gibt auch noch einiges zu tun. Es ist hinlänglich bekannt, dass am Arbeitsmarkt nach wie vor große Unterschiede in den Verdienstmöglichkeiten von Frauen und Männern bestehen. Gerade in technischen Berufsbereichen gibt es in Österreich, auch bei gleicher Qualifikation, oft noch große Gehaltsunterschiede zwischen den Geschlechtern. Auch in Führungspositionen und in der Regionalpolitik sind Frauen nach wie vor stark unterrepräsentiert. Das liegt vor allem an den in unserer Gesellschaft vorherrschenden stereotypen Rollenvorstellungen, die Entscheidungen in Bezug auf Bildung, Berufswahl und Rollenverteilung beeinflussen wie auch noch immer bestehenden, benachteiligenden Strukturen. Auch geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist ein allgegenwärtiges Thema. Die Mitarbeiterinnen der Frauenservicestelle von "akzente" sind in den letzten Jahren mit einem deutlichen Anstieg der Anfragen von Frauen konfrontiert, die körperliche, psychische oder ökonomische Gewalt in der Partnerschaft erleben. Gleichstellung ist aber kein reines Frauenthema. Gesellschaftliche Entwicklung kann nur dann passieren, wenn sich Menschen Macht und Verantwortung teilen und die Möglichkeit haben, ihr Wissen und ihre Fähigkeiten gleichermaßen einzubringen und zwar unabhängig von ihrem Geschlecht.
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