8. März
Braucht es 2022 noch einen Frauentag?
Bald ist es wieder so weit: Am 8. März ist Internationaler Frauentag. Mancherorts werden Blumen verschenkt, Shops locken mit Prozenten zum „Women‘s Day“. Doch ist dieser Tag jenseits aller Oberflächlichkeiten 2022 noch zeitgemäß und wie steht es um die Gleichberechtigung im Waldviertel?
WALDVIERTEL. Entstanden ist der „Frauentag“ in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg im Kampf für das Frauenwahlrecht und die Emanzipation von Arbeiterinnen. Doch auch heute noch ist es aus verschiedenen Gründen wichtig, auf nach wie vor bestehende Ungleichbehandlungen hinzuweisen. Die Corona-Krise hat uns einmal mehr gezeigt, dass wahre Gleichstellung noch lange nicht erreicht ist.
Unterschiede in der Arbeitswelt
Ja, Frauen sind in den letzten Jahrzehnten finanziell unabhängiger und gleichberechtigter geworden. Andererseits: Der Gender Pay Gap sowie der Gender Pensions Gap zwischen den Geschlechtern sind weiterhin eklatant: Immer noch verdienen Frauen weniger - im Jahr 2019 österreichweit um 19,9 Prozent. Frauen werden schlechter bezahlt, bleiben häufiger bei den gemeinsamen Kindern in Karenz oder pflegen kranke Angehörige, arbeiten überdurchschnittlich oft in Teilzeit und können dadurch deutlich weniger Pensionsansprüche erwirtschaften als Männer: Im Jahr 2019 betrug der Gender Pensions Gap österreichweit 38,7 Prozent.
Außerdem gibt es ein starkes Stadt-Land-Gefälle: Im ländlichen Bereich wie dem Waldviertel sind die Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern noch größer und das Kinderbetreuungsangebot, speziell für Kinder unter zweieinhalb, ist rar.
Veraltete Rollenbilder
„Auch Männer leiden an veralteten Rollenbilder vom typisch starken Mann“, sagt Sonja Hahnl, Juristin und Psychotherapeutin von der Frauenberatung Waldviertel. Sie berät sowohl Frauen als auch Paare. „Als Mann der Haupternährer der Familie zu sein, wenig Zeit mit den gemeinsamen Kindern zu verbringen und vielleicht kaum über diese Problematik zu sprechen, das macht Druck. Wir erleben hier immer öfter Umdenken, aber die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sind noch unzureichend. Und Druck begünstigt auch Gewalt.
Bei Gewalt nicht wegschauen
"Ich weiß schon, das wollen wir alle nicht so gern hören. Aber in Österreich ist auch 2022 jede fünfte Frau im Laufe ihres Lebens von Gewalt betroffen. Der größte Teil davon im unmittelbaren sozialen Nahbereich, in den eigenen vier Wänden. Und das ist etwas, worüber wir offen sprechen müssen und nicht wegschauen dürfen. Ein Grund, warum die Frauenberatung zur Gewaltprävention vermehrt bei der jungen Generation ansetzt: Meine Kollegin, Anna Haneder, ihres Zeichens studierte Pädagogin, hat erstmals 2020 das vom Bundeskanzleramt finanzierte Projekt (F)EMPOWER 2.0 ins Leben gerufen," so Hahnl weiter.
In Schulworkshops an Waldviertler Schulen wird seit 2021 mit Schülerinnen und Schülern ab 14 Jahren gearbeitet, also sowohl mit Mädchen als auch mit Burschen.
Inhalte der Workshops
Diese Gewaltpräventions-Workshops sind ein großer Erfolg. Mädchen und Burschen können offen über Rollenbilder und Formen von Gewalt sprechen oder einfach nur Informationen bekommen: Was heißt es heute eine Frau/ein Mann zu sein? Was sind die Erwartungen der Gesellschaft an mich? Wie gehe ich mit schwierigen Gefühlen wie z.B. Wut um? Darf ich als Mann auch weinen? Wie kann ich mich als Opfer gegen Übergriffe wehren? Wo erhalte ich Hilfe? Wie kann ich anderen Betroffenen helfen?
Ausstellung zum Thema
Mit dem Ziel, das Tabuthema „Gewalt gegen Frauen“ aufzubrechen, schufen Schülerinnen der BASOP Zwettl und der landwirtschaftlichen Fach- und Berufsschule Edelhof in den vergangenen Monaten Werke, die sich diesem wichtigen Thema künstlerisch annähern.
„Wir freuen uns sehr, dass wir die Kunst der jungen SchülerInnen nun in einer Ausstellung in Zwettl präsentieren dürfen“, so Anna Haneder von der Frauenberatung. Die Werke sind anlässlich des Frauentages zwischen 8. und 18. März in der Sparkasse Zwettl Galerie zu sehen. Der Eintritt ist kostenlos.
"Es lohnt sich also auch 2022 noch hinter die Fassade von Blumen und Prozenten zu schauen und sich am Frauentag mutig auch unangenehmen Themen zu stellen. Wir könnten alle – Frauen, wie Männer – davon profitieren!" - Sonja Hahnl
Weitere Informationen zur Frauenberatung Waldviertel und ihren Standorten in Zwettl, Gmünd, Horn und Waidhofen/Thaya: www.fbwv.at
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