Kulturarbeit
Automobilpaparazzo II
Gleisdorf ist geradezu ein Freilichtmuseum der regionalen Szene von Schraubern und Sammlern. Naturgemäß wird hauptsächlich mit Youngtimers gefahren, die sich als alltagstauglich bewähren. Das meint Kraftfahrzeuge, die wenigstens 25 Jahre alt sind, aber unter heutigen Verkehrsbedingungen nicht ständig Probleme machen.
Meine Jagd- und Sammelleidenschaft mit dem Fotoapparat schließt aber zeitgemäße Kuriositäten ein. Ein sehr teurer Ferrari, einer der seltenen Fisker, ein McLaren, kommt alles vor. Und wenn ich Teile meiner Community triezen will, poste ich einen elektrischen Ford Mustang. Da hupfen dann einige Leute vor Ärger einen halben Meter hoch.
Weshalb? Erstens: elektrisch. Zweitens: Ford Mustang. Das dürfe es nicht geben, sagen Puristen, das habe Gott verboten. Tja, die Petrol Heads („Benzinköpfe“) leben mit so allerhand Glaubenssätze und wehe, man tut sich da als Ketzer hervor. Okay, es ist dann doch hauptsächlich launige Unterhaltung, bei der wir so ganz nebenbei heimische Mobilitätsgeschichte durchnehmen, kein bitterer Ernst.
Die Youngtimer-Szene bündelt verschiedene Liebhabereien. Oft handelt das von einem Auto, wie man es selbst als junger Mensch gehabt hat; vielleicht sogar als das erste eigene Auto. Vorzugsweise wird halbwegs robuste Technik betreut, die man ohne einen großen Satz von Spezialwerkzeugen und ohne Diagnose-Computer warten kann. Mäßige Elektronik und möglichst auch moderate Preise
Das sind so ein paar wesentliche Punkte im „lebenden Museum“. Bei älteren Automobilen ist man nämlich schnell in hochpreisigen Segmenten. Aber das geht heute ohnehin schon los, wenn Sie etwa ein gut erhaltenes Puch-Schammerl erwerben möchten oder einen unverbastelten Einser-Golf. Es wird teuer.
Für sehr alte Autos muß man nicht nur genug Geld verfügbar haben. Der heutige Stop-and-go-Verkehr im städtischen Raum kann einen betagten Motor leicht zum Kochen bringen. Die Bremsen sind mit aktuellen Systemen nicht vergleichbar. Die Schaltung braucht oft gleichermaßen Feingefühl und körperliche Kondition.
Was außerhalb der eigenen Biographie, also vor der eigenen Lebenszeit, auf den Straßen lief, ist dann den meisten Leuten nicht mehr geläufig. (Nur eine Minderheit würde wohl einen alten Austro-Daimler oder einen Steyr erkennen.)
Dagegen bleiben Autos aus der eigenen Biografie, wenn sie längst vom Markt verschwunden sind, aber noch ab und zu auftauchen, mit vielen Lebenssituation verknüpft. Erinnerungen, Musikstücke. Reminiszenzen. Auch davon, wie eine Straße oder ein Platz einst ausgesehen hat, sogar wie die Stadt sich verändert hat.
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