Berufliche Integration Wien
"Depressionen sind nicht sichtbar"
Das Institut zur beruflichen Integration Wien (ibi) feiert sein 30. Jubiläum. Die BezirksZeitung hat mit Leiter Stefan Grasser über die rasante Zunahme der Fälle von psychischen Erkrankungen und über die Hilfestellungen des Instituts gesprochen.
WIEN. "Das ibi Wien berät Menschen mit psychischen Problemen und Erkrankungen, die auf Arbeitssuche sind oder Probleme im Job haben", erklärt Einrichtungsleiter Stefan Grasser. Auch Arbeitgeber erhalten von dem Institut mit Standorten in Ottakring und Simmering Unterstützung. Als öffentlich finanzierte Beratungsstelle ist das Angebot kostenlos.
Psychisch krank im Job: Was ist dann zu tun?
STEFAN GRASSER: Die psychische Belastung hat zugenommen. Das spiegelt sich auch in der Geschichte unserer Beratungsstelle wider. Am besten ist es, sich in diesem Fall an uns zu wenden. Wir begleiten 600 Personen pro Jahr. Wir helfen dabei, einen Job zu finden oder diesen nicht zu verlieren.
Hat sich der Umgang mit psychischen Erkrankungen im Job verändert?
Im Arbeitskontext sind psychische Erkrankungen speziell. Es gibt immer noch Berührungsängste und eine Stigmatisierung. Bei einem Bandscheibenvorfall oder einer Knie-OP erzähle ich davon. Wenn ich stationär auf der Psychiatrie war, ist das schwieriger.
Welche sind die häufigsten Krankheitsbilder?
Depressionen, Angststörungen, Panikattacken und Burn-out, in geringerem Ausmaß auch Schizophrenie.
Wer ist von diesen Erkrankungen am häufigsten betroffen?
Psychische Erkrankungen können jeden treffen. Das zieht sich quer durch die Bevölkerung, alle Berufs- und Altersgruppen sowie sozialen Schichten.
Haben sich zwei Jahre Pandemie auf die Häufigkeit dieser Erkrankungen ausgewirkt?
In dieser Zeit waren und sind wir massiven Belastungen ausgesetzt. Das spüren wir deutlich bei der Nachfrage. Wir merken, dass es unseren Klienten schlechter geht.
Welche Probleme sind beim Auftreten einer psychischen Erkrankung im Job am gravierendsten?
Fehlende Kommunikation. Psychische Erkrankungen sind nicht sichtbar, daher ist es oft schwierig, darüber zu reden. Viele Menschen können sich nichts darunter vorstellen, wenn sie eine Depression beschrieben bekommen.
Und aus der Sicht des Arbeitgebers?
Arbeitgeber wünschen sich Planbarkeit. Das ist auch verständlich. Psychische Erkrankungen können als einmaliges Ereignis oder in Phasen auftreten. Für die Betroffenen ist es ein langer Lernprozess, um damit umgehen zu können. Laut Weltgesundheitsorganisation hat jeder vierte Mensch irgendwann eine psychische Krise. Statistisch gesehen gibt es also in jedem Betrieb psychisch kranke Mitarbeiter. Das ist einfach so.
Was raten Sie den Firmen?
Wenn man proaktiv reagiert, wird man gewinnen. Wenn sich psychisch Kranke nicht outen dürfen, weil sie dann nicht als belastbar gelten, dann wird sich niemand melden. Wenn doch, dann wird man sicher eine gute Lösung finden. Ein offener Umgang schafft auch ein besseres Arbeitsklima.
ZUR SACHE
Standorte von ibi Wien:
11., Hauffgasse 3–5: 01/729 95 45
16., Thaliastraße 125b: 01/512 65 22
Infos:www.psz.co.at
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