Stadtpsychologie
Cornelia Ehmayer-Rosinak legt Wien auf die Couch
Die Stadtpsychologin Cornelia Ehmayer-Rosinak ist dem "Wesen Wiens" mittels wissenschaftlicher Studie auf der Spur. Als Gründerin und Leiterin der "Stadtpsychologie" arbeitet und forscht sie seit vielen Jahren im Bereich der dialogorientierten Stadtentwicklung.
WIEN. Die Stadtpsychologin Cornelia Ehmayer-Rosinak hat schon vor 20 Jahren begonnen, sich mit dem "Wesen Wien" aus der Sicht der Menschen, die hier leben und/oder arbeiten, zu beschäftigen. "Die Studie aus 2003 war der erste Versuch überhaupt, das Wesen einer Großstadt mit qualitativen, wissenschaftlich fundierten Methoden, genauer zu erforschen. Es ist uns damit erstmals gelungen zu beweisen, dass auch eine Stadt auf die Couch gelegt und analysiert werden kann", so Ehmayer-Rosinak.
Als Gründerin und Leiterin der "Stadtpsychologie" arbeitet und forscht sie seit vielen Jahren im Bereich der dialogorientierten Stadtentwicklung: von der Schaffung von Fairnesszonen am Donaukanal bis hin zum konfliktfreien Miteinander in der Zollergasse oder mehr Platz für den Kutschkermarkt, um nur einige ihrer Projekte zu nennen.
Neue Studie, überraschende Ergebnisse
"2023 haben wir die Stadt nochmals 'auf die Couch gelegt', diesmal in einer Online-Variante und unter Einbindung von sozialen Medien. Und das Resultat hat Vieles aus 2003 bestätigt, aber in anderen Bereichen doch überrascht", so die studierte Umwelt- und Gesundheitspsychologin, die ab Herbst 2023 auch an der Universität Wien unterrichten wird. "Schon 2003 hat sich abgezeichnet, dass alles, was Wien ausmacht, von Ambivalenz geprägt ist: Es gibt das sympathische Chaos, die befreiende Distanziertheit. Wien ist grau und grün zugleich, es ist modern und veraltet. Der Wiener ist grantig und herzlich, Wien ist Dorf und Großstadt."
Damals hieß es: Wien hängt stark der Vergangenheit nach und will daran festhalten. Die Art der Wienerinnen und Wiener wurde als großteils negativ beschrieben, als grantig, intolerant und Neuerungen wenig aufgeschlossen. "Doch in der Zwischenzeit hat sich viel getan, die neue Studie zeigt: Viele Wienerinnen und Wiener sind sich gesellschaftlicher Probleme bewusster geworden und haben erkannt, dass man sie nur gemeinsam lösen kann."
Es gibt mehr Umweltbewusstsein und die Bereitschaft, mehr Grün zuzulassen – jeder verlorengegangene Parkplatz war 2003 noch ein persönlicher Aufreger. Auch der Umgang mit anderen habe sich verbessert. Der grantige, ich-bezogene typische Wiener sei immer noch grantig, aber mit einem Augenzwinkern und seinen Mitmenschen gegenüber offener und warmherziger geworden. "Die neuen Stadtteilentwicklungen, Grätzelinitiativen und Aktivitäten in der Nachbarschaft haben mittlerweile bewirkt, sich im positiven Sinne den öffentlichen Raum anzueignen, sich mit anderen zu vernetzen. Weil nur eine Stadt mit guten sozialen Netzwerken auch Krisen meistern kann", so die Wissenschaftlerin.
Dass sich der Wunsch nach sozialem Frieden und Sicherheit nach der Pandemie und in Kriegszeiten ganz oben auf der Wunschliste der Wienerinnen und Wiener befindet, verwundert nicht. "Die meisten sind der Meinung, dass Integration nur stattfinden kann, wenn jeder, der hier lebt, auch wählen darf. In manchen Bezirken ist derzeit ja nur jeder Dritte auch wahlberechtigt. Das isoliert, schafft Menschen zweiter Klasse. Wie soll eine Stadt für jemanden wichtig sein, der sie nicht mitgestalten darf?"
Die Zukunft von Wien
Bei der letzten Frage der Studie „Können sie sich vorstellen, dass es Wien nicht mehr gibt“ waren sich die Teilnehmende der neuen Umfrage fast alle einig. "91 Prozent sagten: Nein! Antworten wie 'Wie soll das gehen?' oder 'Definitiv unvorstellbar, mein Anker in dieser Welt!' zeigen, welch stabiler Faktor eine Stadt im Leben ihrer Menschen sein kann. Menschen und ihre Schicksale kommen und gehen, die Stadt bleibt. Das gibt uns emotionale Sicherheit in einer sich ständig ändernden Welt. Auch wenn die Zukunft, das war allen Befragten bewusst, uns vor viele neue Herausforderungen stellen wird, die nur zu meistern sind, wenn wir Veränderungen zulassen und aktiv angehen!“, heißt es.
Mehr Info auf: www.stadtpsychologie.at
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