Lothar Rübelt
Er brachte den Ball ins Foto
"Wiener Bilder" heißt ein neues Buch über Lothar Rübelt. Seine Fotos dokumentieren das 20. Jahrhundert.
WIEN. Wissen Sie, wo einst die Rotunde stand oder wie der Stephansdom als Brandruine aussah? Fotos von diesen und anderen Wiener Sehenswürdigkeiten sind Lothar Rübelt (1901–1990) zu verdanken, einem der ersten "rasenden Reporter": "Zu Beginn seiner Laufbahn wurde die Kleinbildkamera erfunden. Damit konnte er rascher auf spannende Situationen reagieren, als es mit alten Bildplattenkameras möglich gewesen wäre", erzählt der Historiker Matthias Marschik.
Mit Michaela Pfundner hat er nun den Band "Wiener Bilder" herausgebracht, der das Zeitgeschehen des 20. Jahrhunderts mit Rübelts Fotos samt Anmerkungen dokumentiert. Praktisch: Rübelts fotografischer Nachlass wird in der Bilddokumentation der Nationalbibliothek aufbewahrt, wo Pfundner tätig ist.
Ein Fotograf mit Schlagseite
"In der Zwischenkriegszeit entwickelte sich Rübelt zu einem der produktivsten Fotojournalisten des Landes und versorgte die boomenden Bildillustrierten mit immer neuen Bildern. Sport, Gesellschaft und Politik, aber auch Mode, Theater und Film gehörten zu seinen Sujets, mit denen er die Redaktionen belieferte", erzählt Marschik. So fotografierte Rübelt etwa das sozialistische Jugendtreffen 1929 genauso wie eine NS-Kundgebung auf der Ringstraße 1932. Aus seiner Bewunderung für den Nationalsozialismus machte der Fotografdabei keinen Hehl: "Daher kommt auch die Arbeiterbewegung, das wichtigste gesellschaftliche Phänomen der Zwischenkriegszeit, bei ihm kaum vor", weiß Marschik. "Dass er dann ausgerechnet beim Anschluss im März 1938 nicht in Wien war, ist eine Ironie der Geschichte."
Quer durch die Zeitgeschichte gibt es unzählige Sportfotos, die Marschik als Sporthistoriker besonders interessieren: "Rübelt hat als Erster hochdynamische Situationen etwa bei Fußballspielen eingefangen", erklärt Marschik. So sei es bis dahin üblich gewesen, den Ball in Fotos von Fußballspielen erst nachträglich hineinzumontieren: "Die alten Kameras waren einfach zu träge, um dem Ball folgen zu können. Mit seiner Kleinbildkamera sind Rübelt Fotos gelungen, als wäre man mitten auf dem Spielfeld."
Das Buch haben Marschik und Pfundner großteils im Freien produziert: "Wegen Corona konnten wir uns nicht in der Nationalbibliothek treffen. So haben wir uns auf ein Holzbankerl im Prater gesetzt und die Fotos sortiert. Leider wurden sie vom Wind oft in alle Richtungen geweht, was uns viel Laufarbeit gekostet hat, um sie wieder einzufangen", schmunzelt Marschik. Ganz in der Nähe stand einst übrigens die Rotunde: als größte Kuppel der Welt bis zu ihrem Abbrennen 1937 ein Fotomotiv Rübelts.
"Wiener Bilder" ist im Verlag Winkler-Hermaden erschienen und kostet 34,90 Euro.
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