Katharina Rogenhofer
"Macht es uns einfach, nachhaltig zu leben"
Die Klima-Aktivistin Katharina Rogenhofer zeigt mit dem Buch "Ändert sich nichts, ändert sich alles", was wir gewinnen können, wenn jetzt konsequenter Klimaschutz betrieben wird – und was auf dem Spiel steht, wenn wir es nicht tun.
WIEN. Die 27-jährige Katharina Rogenhofer war wesentlich daran beteiligt, die Klimaschutzbewegung Fridays for Future nach Österreich zu holen. Am bisher größten Klimastreik nahmen 150.000 Menschen im ganzen Land teil, der nächste weltweite Aktionstag ist für den 24. September angesetzt. Rogenhofer ist auch Sprecherin des Klimavolksbegehrens, das von 380.590 Menschen unterzeichnet wurde. Im Interview spricht sie über ihr neues Buch und den Rückhalt, den strengere Klimaschutzmaßnahmen in der Gesellschaft hätten.
Ihre zentrale Botschaft in dem Buch ist, dass sich auf jeden Fall etwas ändert, egal ob wir etwas tun oder nichts tun...
KATHARINA ROGENHOFER: Wenn wir gar nichts daran ändern, wie wir jetzt leben und wirtschaften, wird sich die Welt noch viel mehr und drastischer verändern, als wenn wir handeln. Wenn wir nichts machen wartet eine Welt auf uns, die viel heißer ist, die viel mehr Extremwetterereignisse hat, die Ernteausfälle bringen wird; eine Welt in der wir nicht leben wollen.
Wie wird es in 20 Jahren in Wien aussehen, wenn Klimaschutzmaßnahmen ergriffen werden – und wie, wenn nichts passiert?
Wenn nichts passiert, wird sich die Stadt noch mehr erhitzen als jetzt – vielleicht werden wir gar nicht mehr aus unseren Häusern kommen. Für die, die es sich leisten können, werden sie zwar klimatisiert sein aber es werden viele Menschen unter der Hitze leiden, gerade ältere Menschen und Kleinkinder. Aber nicht nur die Hitze ist ein Problem: Es kommen dann auch Krankheitserreger wie Malaria, aber auch mehr Allergien, weil die Allergiezeit viel länger ist. In Österreich allgemein wird es eine große Naturkrise geben, deren Anfänge wir mit Waldsterben und stärkeren Schädlingsbefällen durch etwa den Borkenkäfer schon bemerken. Es wird Dürreperioden geben, während derer wir gewohntes Gemüse, Obst und Getreide nicht mehr anbauen können und es wird Vermurungen und Überschwemmungen geben, wenn die Erde starke Regenfälle nicht mehr aufnehmen kann.
Die andere Zukunft, die ich mir vorstelle, ist viel lebenswerter: Wir werden vor die Haustür treten und es wird ruhig sein. Wir gehen auf die Straße und es spielen vielleicht Kinder, die Straßenränder sind begrünt und es gibt Bäume, die die Stadt abkühlen. Es werden weniger Autos unterwegs sein. Es wird sauberere Luft geben und man wird sich wahrscheinlich aktiv von A nach B bewegen – ein gesünderes Leben wird da auf uns warten.
Würden die Menschen hinter strengen Klimaschutzmaßnahmen stehen?
Ja, es gibt ganz viele Umfragen, die das bestätigen. Gerade durch die Klimabewegung ist das Bewusstsein stark gestiegen. Es gab während des ersten Lockdowns eine Umfrage, die bestätigte, dass für über die Hälfte der Menschen der Klimawandel trotz der Corona-Pandemie die drängendste Krise blieb. Etwa 80 Prozent wollen jeweils, dass die Corona-Investitionen auch für die Klimawende verwendet werden, dass es eine Umstellung unseres Steuersystems gibt und dass die Regierung mehr für den Klimaschutz tut. Für diese riesige, globale Krise braucht es nicht mehr nur kleine, schrittweise Veränderungen. Die Menschen appellieren berechtigterweise an die Politik.
Warum hat Sebastian Kurz dann vor kurzem gesagt, man wolle durch den Klimaschutz nicht in die Steinzeit zurück – offenbar nicht, um auf Stimmenfang zu gehen?
In meinem Buch schreibe ich sogar „niemand will zurück in die Steinzeit“ – vielleicht sollte er es mal lesen? Ich muss ehrlich sagen, dass ich dahinter extremes Unwissen vermute. Ich habe das Gefühl, dass viele Teile der Regierung und Politik nicht verstanden haben, worum es geht. Das Steinzeit-Narrativ macht den Leuten Angst. Das befeuert die Emotion, dass man nichts verlieren will und nicht auf den Lebensstandard verzichten, den man jetzt hat. Dabei müsste das gar nicht sein, denn wir es richtig machen, wartet eine bessere Welt auf uns. Das Ehrlichste wäre, aufzuzeigen welche Dringlichkeit das Handeln hat, und was zu gewinnen ist, wenn wir handeln.
Viele Menschen haben aber wirklich Angst, dass sich ihr Leben durch Klimaschutzmaßnahmen verteuern oder verschlechtern könnte.
Ja. Und deshalb dürfen sich Produkte nicht einfach nur teurer werden und eine CO2-Steuer darf nur mit einem Rückvergütungssystem eingeführt werden, von dem die unteren Einkommen profitieren. Ein Teil der Klimaschutzmaßnahmen sind gleichzeitig soziale Maßnahmen: Der Ausbau der Öffis etwa – denn fast die Hälfte der Haushalte aus dem unteren Einkommensviertel besitzt kein Auto. Wir leben in einer Welt, in der das klimaschädigende Verhalten immer die Norm ist: Es ist billiger, macht weniger Umstände und nimmt weniger Zeit in Anspruch. Die Politik könnte aber die Gesetze so ändern, dass das klimafreundliche Verhalten die billigste, bequemste und einfachste Alternative ist.
Was der oder die Einzelne tun kann, um klimaschonend zu leben, steht im Moment oft im Fokus und sorgt auch manchmal für Streit. Zurecht?
Es ist wahrscheinlich wichtig, sich Gedanken über die eigene Lebensweise zu machen. Aber dieser Perfektionismus muss ein Ende haben. Wir können gar nicht perfekt leben in dem System, das uns gegeben ist. Weil Infrastruktur fehlt und ich gar nicht öffentlich fahren kann oder weil ich im Supermarkt extrem überfordert bin, welche Produkte wirklich nachhaltig sind. Sogar ich mit Nachhaltigkeitsstudium kann nicht sagen, welche Tomate weniger CO2 produziert hat, welche Socken weniger Chemikalien in sich tragen. Da bräuchte ich ja 15 Stunden um das zu recherchieren und wäre nachher nicht klüger. Da darf man nicht mit dem erhobenen Zeigefinger anzuprangern, dass die Mama mit den drei Kindern Einwegwindeln kauft - sie schafft es eben nicht, auch noch Windeln zu waschen und sich über alle Produkte zu informieren. Hier geht es darum, zu sagen: "Politik, mach es uns einfach, nachhaltig zu leben."
Jahrelang hören wir schon Pläne, wie und wann Treibhausgase reduziert werden. Es passiert aber wenig. Wann wird sich das ändern?
Das weiß ich nicht. Jetzt wurde für alle noch einmal mehr spürbar, was die Folgen sind: Diese extremen Unwetterkatstrophen in Deutschland, die Überschwemmungen bei uns, aber auch die Hitzewelle, die es davor gab. Die Waldbrände in Kalifornien, Sibirien und so vielen anderen Ländern der Welt. Ich glaube das rüttelt schon auf, und der Druck auf die Politik wird noch steigen. Irgendwann wird es einen gesellschaftlichen Kipppunkt geben, wo sich Politiker und Wirtschaft nicht mehr rausreden können. Das haben sie jetzt lange gemacht. Sie haben sich nach vorne gestellt und ein Ziel der Klimaneutralität verkündet, ohne geeignete Maßnahme dahinter zu setzen. Die Menschen werden nun aber schnell klar machen, dass Politikerinnen und Politiker sich nicht mehr der Verantwortung entziehen können, während so viele ihr Leben oder ihr Hab und Gut verlieren. Die Frage ist nur: Passiert das schnell genug? Wir alle haben einen großen Anteil daran, diesen Druck steigen zu lassen. Wir alle sind gefragt, um die Veränderung schnell genug herbeizuführen.
Was soll ich denn tun, wenn ich da mithelfen möchte?
Überall dort, wo man ohnehin ist, aktiv zu werden, ist meiner Meinung nach das beste. In unseren verschiedenen Rollen in der Gesellschaft, sei es im Beruf oder daheim. Man kann sich in der Klimabewegung engagieren, man kann ein Volksbegehren unterschreiben, man kann sich Energiegemeinschaften anschließen aber man kann auch in der Umgebung viel verändern: Wir sind manchmal die Stimme, auf die dann gehört wird in unserer Gemeinde, im familiären Umfeld oder in der Klasse, in der wir unterrichten.
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