AK Wien
Mehrheit der Gastro-Mitarbeitenden erlebte sexuelle Belästigung
Die Arbeiterkammer Wien präsentierte am Freitag, 5. April, Umfrage-Ergebnisse zu sexueller Belästigung in der Wiener Gastronomie. Die Umfrage zeigt, dass 79 Prozent der Arbeitnehmerinnen mit Belästigung konfrontiert sind. In 54 Prozent waren auch männliche Arbeitnehmer betroffen.
WIEN. Die Arbeiterkammer Wien (AK Wien) führte eine Studie zu sexueller Belästigung in der Wiener Gastronomie durch. Die Ergebnisse sind erschreckend: Sexuelle Belästigung ist leider keine Ausnahme, sondern eine traurige Realität von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in der Gastro.
Insgesamt 881 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben an der Umfrage teilgenommen. Unter ihnen waren 72 Prozent Frauen und 26 Prozent Männer. Einige Personen sollen sich keinem Geschlecht zugeordnet haben. Die Umfrage wurde von November bis Dezember 2023 durchgeführt und von "L&R Sozialforschung" ausgewertet. Es sei die erste quantitative Erhebung zu sexueller Belästigung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in der Gastronomie im deutschsprachigen Raum, so die AK Wien.
Frauen und Männer betroffen
Ludwig Dvořák, Bereichsleiter arbeitsrechtliche Beratung und Rechtsschutz der AK Wien, erläutert, dass 79 Prozent aller Frauen, die in der Gastro arbeiten, bereits sexuelle Belästigung erlebt oder beobachtet haben. Bei 54 Prozent der männlichen Kollegen war dies ebenso der fall
In den gemeldeten Fällen sexueller Belästigung gaben lediglich 21 Prozent der Personen an, dass der belästigende Gast des Lokals verwiesen wurde. Nur 21 Prozent berichteten, dass Gesprächen mit dem Belästiger geführt wurden. Ein Lokalverbot wurde nur in 11 Prozent der Fälle ausgesprochen. Auch unter Kollegen kommt es zu Belästigung. Jedoch nur 6 Prozent der Täter wurden gekündigt und in nur 2 Prozent der Fälle wurden die Belästiger versetzt.
35 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer berichteten, dass die Täter Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber oder ihre Vertreterinnen und Vertreter waren. In den Spitzen- und Massengastronomie, wo die Hierarchien ausgeprägter sind, liegt dieser Anteil noch höher. Insgesamt 48 Prozent gaben an, dass die Belästigung von Kolleginnen und Kollegen ausging. Bei 76 Prozent waren die Gäste die Täter.
"Wer nichts tut, macht sich mitschuldig!"
"Das Gesetz sagt klar: Arbeitgeber:innen müssen in jedem Fall im Rahmen ihrer gesetzlichen Fürsorgepflicht Abhilfe schaffen. Egal ob die Täter gut zahlende Gäste, leistungsstarke Kollegen, oder enge Vertraute auf Führungsebene sind. Wer hier nichts tut, macht sich mitschuldig. Dass der Arbeitgeber nichts unternimmt, ist schlicht ein Gesetzesverstoß, für den wir als AK vor Gericht – im Regelfall erfolgreich – Schadenersatz einfordern.", so Dvořák.
Olivia Janisch, Vida-Frauenvorsitzende, erklärt, dass sie derzeit mit der Fachgruppe Gastronomie in Gesprächen über ein Schutzprogramm für die Branche in Wien sind. Um die Elemente dafür zu identifizieren und Prioritäten zu setzen, wurden bei der Online-Umfrage die Menschen befragt, was ihnen helfen würde.
Vonseiten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wurde berichtet, dass 81 Prozent sich eine klare Haltung im Betrieb wünschen, die besagt, dass sexuelle Belästigung nicht toleriert wird. Eine Arbeitnehmerin brachte es laut Janisch auf den Punkt, in dem sie Info-Material unter dem Titel "No respect, no service" wünschte. Aufseiten der Arbeitgeber stand der Wunsch nach Material, welches direkt vor Ort eingesetzt werden kann, ebenso an erster Stelle.
Wunsch nach außerbetrieblichen Schutz
Durch eine offene Antwortmöglichkeit wurden der AK Wien neue Erkenntnisse geliefert, erklärt Janisch. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollen besonders häufig angegeben haben, dass sie sich neben einem Schutz im Betrieb auch eine Unterstützung außerhalb wünschen, insbesondere wenn der Täter auf der Arbeitgeberseite ist.
Von einer Arbeitnehmerin heißt es: "Wenn es der Chef war, braucht es vielleicht eine außerbetriebliche Ansprechperson. In einem Restaurant läuft alle Macht leider auf einen Menschen, dem Chef, zusammen. Er kann schalten und walten, wie er will." Eine weitere Frau erklärte: "Eine Möglichkeit muss es sein, sich beraten zu lassen, ohne Angst zu haben, dass es direkt zur Anzeige kommt. Opfern nützt eine Anzeige oftmals nichts, wenn es der Geschäftsführer macht und man dann arbeitslos ist."
5.000 Euro Strafen
Die AK Wien will mit einer Gesetzänderung vorbeugende Maßnahmen in Betrieben verankern, erklärt Dvořák. Der Schadenersatz soll auf mindestens 5.000 Euro im Falle einer sexuellen Belästigung steigen, wenn Betriebe nachweislich keine Maßnahmen gegen sexuelle Belästigung gesetzt haben.
"Dass vorbeugende Maßnahmen machbar sind, hoffen wir gemeinsam für die Wiener Gastronomie zeigen zu können. Gesetzliche Maßnahmen gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz brauchen die Arbeitnehmer:innen aber in allen Branchen.“, so Dvořák.
Hilfe für gewaltbetroffene Frauen und Mädchen
24-Stunden-Frauennotruf: 01/12 345
24-Stunden-Frauennotruf der Wiener Frauenhäuser: 05 77 22 Frauenhelpline: 0800/222 555 Droht akute Gewalt, Polizeinotruf unter 133 oder 112. Gehörlose und Hörbehinderte können per SMS an 0800/133 133 Hilfe rufen.Das könnte dich auch interessieren:
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