FPÖ Wien-Chef Dominik Nepp
"Die Stadt Wien holt sich hier ein Körberlgeld"
FPÖ Wien-Landesparteiobmann und nicht-amtsführender Stadtrat Dominik Nepp über die Inflation, den Wiener Wohnbau und warum er für die Abschaffung des Valorisierungsgesetzes ist.
WIEN. Die Inflation ist auf einem historischen Höchststand. Wie können die Wienerinnen und Wiener entlastet werden und was wurde bisher verabsäumt? Dominik Nepp, Landesparteiobmann der FPÖ Wien, steht der BezirksZeitung Rede und Antwort.
Sie kritisierten zuletzt, dass die Stadtregierung ein „Wellenbrecher“ gegen die Teuerung sein könnte, stattdessen der Bevölkerung aber weitere Belastungen zumute. Können Sie das konkretisieren?
DOMINIK NEPP: Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass die Politik einwirken kann. Was man nicht machen darf, ist, dass man sich gegenseitig die Schuld zuweist. Die SPÖ in Wien sagt, der Bund ist schuld und umgekehrt. Jeder schiebt die Verantwortung ab, damit hilft man den Leuten nicht.
Was also sollte die Stadtregierung tun? Welchen konkreten Vorschlag haben Sie?
Gerade in Wien gibt es die Möglichkeit, die Wienerinnen und Wiener zu entlasten, etwa bei der Erhöhung des Richtwertmietzinses im Gemeindebau. Alleine dadurch bekommt die Wiener Stadtkasse 26 Millionen pro Jahr mehr. Das sind bei einer 70 Quadratmeter Wohnung eine durchschnittliche Mehrbelastung von 300 Euro. Das können sich viele nicht mehr leisten. Hier könnte Bürgermeister Ludwig eingreifen und die Erhöhung rückgängig machen um die Menschen zu entlasten.
Wie lange sollte die Erhöhung ausgesetzt werden, sofern sie zunächst einmal rückgängig gemacht wird?
Da muss man erst abschätzen, wie die Teuerungsrate noch weitergeht. Wenn man es schafft, die Inflation wieder einzupendeln, dass keine automatische Erhöhung des Richtwertmietzinses da ist, dann wäre das eine einmalige Sache. Wenn man sieht, dass die Inflation noch immer weggaloppiert, dann wird man wohl auch hier diese Maßnahme länger setzen müssen und nicht nur einmalig.
Wie könnte die Stadt die Wienerinnen und Wiener noch entlasten?
Die Gebühren für Kanal, Wasser, Abfallentsorgung steigen jährlich. Hier fordern wir, dass das Valorisierungsgesetz abgeschafft wird und die jährliche Steigerung zurückgenommen wird.
Die SPÖ argumentiert, dass die Valorisierung unter anderem dafür sorgt, dass Gebühren kalkulierbar und nachvollziehbar sind. Ihnen scheint das Valorisierungsgesetz jedoch generell ein Dorn im Auge zu sein.
Was ist eine Gebühr? Eine Gebühr sollte 100 Prozent kostendeckend sein – nicht mehr und nicht weniger. Der Rechnungshof hat bestätigt, dass die Abgaben in Wien aber nicht kostendeckend sind, sondern 120 bis 130 Prozent des Kostenfaktors ausmachen. Das heißt, die Stadt Wien holt sich hier ein Körberlgeld rein. Darum fordern wir, dass die Abgaben um 20 Prozent gesenkt werden und die automatische Erhöhung abgeschafft wird.
Thema Wiener Wohnbau: Sie sprachen zuletzt von einem „Normendschungel“, der „entschlackt“ gehöre. Was meinen Sie damit?
Ein Grund, warum die Mieten ständig explodieren, sind die steigenden Baukosten. Es gibt immer mehr und vor allem immer komplexere Auflagen, dadurch wird das Bauen immer teurer. Man kann aber auch qualitativ und sicherheitstechnisch genauso gut bauen, ohne ständig die Standards zu erhöhen. Durch günstigere Baukosten wird die Immobilie günstiger und in Folge dessen auch die Mieten.
Wien gilt als Musterstadt des sozialen Wohnbaus und dient als Vorbild für viele europäische Städte. Sehen Sie das auch so?
Reden wir zuerst einmal über den Sanierungsbedarf. Wir haben den Rechnungshof beauftragt zu prüfen, wie es um den Wiener Gemeindebau steht. Der Rechnungshof hat attestiert, dass es einen fünf Milliarden Euro Sanierungsrückstau gibt. Das heißt, schon unter Wohnbaustadtrat Ludwig* wurde der Wiener Gemeindebau nicht saniert. Viele Bewohner zeigen mir ihre Wohnungen, da sind noch Doppelfenster aus Holz, die so verzogen sind, dass Kälte reinzieht. Das verursacht wieder mehr Heizkosten – und das ist nur ein Beispiel von vielen.
Was ist mit den vielen Gemeindebauten, die neu errichtet werden?
Natürlich brauchen wir in Wien ein Wohnangebot durch geförderten Wohnbau oder durch den Bau von Gemeindebauten. Aber die vielen angekündigten Neubauten bleiben beinahe aus. Ich glaube, im letzte Jahr wurden 427 Gemeindewohnungen neu übergeben – das ist alles ein Schmäh. Andererseits regt es die Leute auf, die in sanierungsbedürftigen Gemeindebauten wohnen.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Nehmen Sie den Karl-Mark-Hof in Döbling. Da wird dahinter ein neuer Gemeindebau errichtet, aber der bestehende seit Jahren nicht saniert.
Was soll die Stadt nun also tun?
Wir verlangen ein Investitionspaket, um diese fünf Milliarden Euro Sanierungsrückstand so schnell wie möglich aufzuholen.
Wie soll das konkret aussehen?
Jährlich soll eine Milliarde Euro investiert werden, also insgesamt fünf Milliarden in fünf Jahren. Das ist unsere Forderung. Es muss im Gemeindebau wieder ein menschenwürdiges Leben geben, wo die Menschen nicht frieren oder durch Nässe eine Gesundheitsgefährdung ertragen müssen.
* Anmerkung: Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) war 2007-2018 Wiener Wohnbaustadtrat.
Mehr zum Thema liest du hier:
Du möchtest selbst beitragen?
Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.