Wiener Bildungschancen
"Es ist quasi wie ein Amazon für Workshops"
Von Theaterpädagogik bis Sexualkunde: Mit dem Projekt "Wiener Bildungschancen" finanziert die Stadt künftig kostenpflichtige Workshops an den Wiener Pflichtschulen.
WIEN. Wiens Vizebürgermeister und Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (Neos) verrät im Interview mit der BezirksZeitung, was es mit den Wiener Bildungschancen auf sich hat, wie er damit das Schulsystem aufbrechen möchte und wieviel Budget den Wiener Pflichtschulen künftig zur Verfügung steht.
Worum geht es bei den "Wiener Bildungschancen"?
CHRISTOPH WIEDERKEHR: Dabei können externe, kostenpflichtige Angebote von den Schulen gebucht werden und wir übernehmen die Kosten. Das können Workshops zu Theaterpädagogik, aber auch Erlebnisausflüge zu Wiener Gärtnereien mit einer interaktiven Komponente sein. Damit wollen wir allen Kindern in Wien ermöglichen, externe Angebote in Anspruch zu nehmen.
Warum gibt es das erst jetzt?
Das ist eine gute Frage. Wir haben eruiert, woran es liegt, dass externe Workshops nicht von allen Schulen gebucht werden. Einerseits scheitert es am Geld, da Schulen, die keinen Elternverein haben, der hier finanziell einspringen könnte, sich diese externen Angebote nicht leisten können. Andererseits ist es für das Lehrpersonal und die Direktionen teilweise schwierig, das passende Angebot zu finden. Für diese beiden Probleme haben wir jetzt eine Lösung, nämlich eine übersichtliche Onlineplattform, quasi ein Amazon für Workshops. Dabei fallen für die Schulen weder Kosten noch ein bürokratischer Aufwand an.
Welche Wünsche gab es diesbezüglich seitens der Pädagogen?
Die größten Wünsche waren kostenfreie Angebote und eine bessere Informationsdarstellung. Darüber hinaus wollten wir wissen, was sie sich inhaltlich wünschen. Das Ergebnis ist sehr spannend: Am wichtigsten ist ihnen die Stärkung der individuellen Persönlichkeit der Kinder. Das finde ich persönlich sehr schön und wichtig, weil ein Erlebnis von außen dabei oft hilft, zum Beispiel ein externer Workshop zu Theaterpädagogik, in dem Kinder, die vielleicht nicht so gerne reden, über das Theaterspielen ihre eigene Wirksamkeit bemerken. Ich finde es wichtig, das Schulsystem hier ein bisschen aufzubrechen, um den Kindern andere Erlebnisse zu bieten als nur mit den Klassenlehrerinnen und -lehrern. Bitte nicht falsch verstehen: Die geben tagtäglich ihr Bestes. Aber für manche Kinder braucht es eine Initialzündung von außen, um mehr Selbstbewusstsein zu erlangen.
Stichwort: bessere Informationsdarstellung. Wird es auf der Plattform auch eine Übersicht über kostenfreie Angebote für Schulen geben?
Auf der Plattform sollen all jene kostenpflichtigen Angebote zu finden sein, deren Kosten von der Stadt Wien übernommen werden. Was ich mir jedoch in weiterer Folge gut vorstellen kann, ist, dass wir auch Hinweise auf andere wertvolle und kostenlose Angebote einfließen lassen, um auf der Plattform eine gute Übersicht zur Verfügung zu stellen.
Wie viel Geld wird hier investiert?
Wir haben es geschafft, ein Budget über vier Millionen Euro aufzustellen. Jede Schule bekommt ein eigenes Budget. Dessen Höhe richtet sich nach der Anzahl der Klassen und der Klassengröße. Dieses Budget können sie für Workshops in den Klassen oder für Projekte, die die ganze Schule durchführt, verwenden.
Wie hoch ist dieser Betrag in etwa pro Klasse?
In etwa 700 Euro. Das entspricht durchschnittlich zwei kostenpflichtigen Workshops pro Klasse, wobei die Kosten der einzelnen Workshops sehr unterschiedlich sind. Beispielsweise ein Besuch eines Bienenzüchters – den habe ich selbst in meiner Schulzeit gemacht – wird keine 350 Euro pro Klasse kosten. Wenn es jedoch einen Fall von Rassismus oder Mobbing in der Klasse gab, den man aufarbeiten muss, wird man sich einen Verein reinholen, der sich damit auskennt. Und der wird länger als nur eine Stunde mit der Klasse arbeiten. Es wird auf jeden Fall viele unterschiedliche Angebote geben.
Das Budget ist für das Schuljahr 2023/24. Wie sieht es in weiterer Folge aus?
Nach dem ersten Schuljahr werden wir wissen, wie viel von den vier Millionen aufgebraucht wurde. Danach werden wir beurteilen können, wie wir mit dem Projekt weitermachen werden.
Nach welchen Kriterien werden die Anbieter auf der Plattform aufgenommen?
Ein Fachgremium achtet penibel auf die pädagogische Qualität und darauf, dass der Kinderschutz gewährleistet ist. Ansonsten sollen es kostenpflichtige Workshops für die erste bis neunte Schulstufe sein. Hier haben wir mehrere inhaltliche Kategorien, beispielsweise Erlebnispädagogik, Kunst und Kultur, Themen zur psychischen Gesundheit, aber auch Sexualpädagogik. Die Vereine und Institutionen können ab 11. April ihre Projekte anmelden und kommen dann, sofern sie die Kriterien erfüllen, auf die Plattform.
Wie funktioniert die Buchung?
Wir sind die Vermittlungsplattform zwischen dem Verein und der Schule. Das heißt, die Schule kann über die Plattform ihr Interesse bekunden und der Verein kann selbst auswählen, mit welcher Schule er kooperieren will. Bisher war das meist informell. Das heißt, manche Schulen haben mit manchen Vereinen exklusiv zusammengearbeitet. Mit unserer Plattform wollen wir einen gerechteren Zugang für alle schaffen.
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