Wertpapierhandel
Wie sich die Russland-Krise auf die Wiener Börse auswirkt
Die Russland-Ukraine-Krise dauert an, der russische Präsident Wladimir Putin hat mit der Anerkennung der ostukrainischen Gebiete Donezk und Luhansk als unabhängige Staaten die Eskalationsschraube weiter angezogen. Damit sorgte er auch für Anspannung am Wertpapiermarkt. Die BezirksZeitung hat bei Österreichs Chefanalysten nachgefragt, wie es nun weitergeht.
WIEN. Wladimir Putin setzt auf Eskalation. Dies lässt auch die Weltwirtschaft nicht kalt. Obwohl im gleichen Atemzug mit der Unterzeichnung des Dekrets zur Anerkennung der "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk schon von Sanktionen gegen Russland die Rede war, kam der Wertpapiermarkt der Wiener Börse am ersten Handelstag kurz danach (Dienstag, 22. Februar) noch mit einem blauen Auge davon.
Der wichtigste Index der Wiener Börse ATX (Austrian Traded Index) schloss am Dienstag mit einem Verlust von 1,63 Prozent zum Vortag ab. Zu Beginn des Handelstages rasselte der österreichische Leitindex zwar 4,42 Prozent Richtung Keller, konnte sich aber bald schon im leichten Verlustbereich erholen. Am Mittwoch, 23. Februar, stand der ATX eine Stunde vor Handelsschluss an der Börse Wien bei einem Minus von 0,60 Prozent zum Vortag Dienstag.
Eine angespannte Lage also für alle börsennotierten österreichischen Unternehmen und viele heimische Anlegerinnen und Anleger. Die BezirksZeitung hat bei Österreichs Top-Analysten nachgefragt, was am derzeit unsicheren Wiener Börsenparkett zu erwarten ist.
Erste Group: Markt hängt von Putin ab
Fritz Mostböck leitet den Bereich Group Research der Erste Group Bank AG und blickt gespannt auf die Märkte, wie er erklärt. Der Wertpapiermarkt ist "natürlich stark von Verunsicherung geprägt, wenn ein geopolitischer Konflikt knapp vor möglichen militärischen Auseinandersetzungen steht."
Dabei spiele auch die Orientierung der heimischen Wirtschaft eine Rolle: "Österreichische börsennotierte Unternehmen sind stark im näheren Kreis Zentral- und Osteuropas engagiert, einige wenige Unternehmen aber auch direkt in Ukraine/Russland (wie Raiffeisen Bank International oder OMV, Anm). Auf der anderen Seite profitiert aber OMV von höheren Öl- und Gaspreisen." Internationale Investoren sollten dies zwar bereits wissen, werfen aber leider oft alles in einen Topf, was für Mostböck ein falscher Zugang sei.
Auch eine vorsichtige Einschätzung gibt der Analyst der Erste Group ab: "Ich gehe davon aus, dass der ATX eigentlich im schlimmsten Fall genauso betroffen ist, wie andere Märkte. Bis dato hat er seit Jahresbeginn (Ytd) mit etwas über minus vier Prozent teils sogar deutlich weniger verloren wie andere Märkte, etwa dem DAX (Anm.Red: Deutscher Performance) mit über minus sieben Prozent."
Daher rät Mostböck dazu, derzeit eher auf Aktien zu setzen, die nicht zu sehr von Konjunktur- und Kursschwankungen abhängig sind und dafür höhere Gewinnbeteiligungen ausschütten. "Das sind z.B. Titel der Lebensmittel- oder Pharmaindustrie, teils Technologiewerte, Haushalts- und Pflegeprodukte, Gesundheitswerte, etc. In Österreich wäre das z.B. die Österreichische Post, welche infrastrukturrelevant ist und immer gute Cash Flows (Anm. Red: Gewinnbeteiligung) generiert." Auch eine Investition in risikoärmere Fonds-Sparpläne bzw. in nachhaltige Aktien sei sinnvoll.
Raiffeisen Bank sieht "Rückkehr zum Aufwärtstrend" möglich
Bernd Maurer, Chef des Bereichs Institutional Equity Company Research der Raiffeisen Bank, springt in die selbe Kerbe. Er sieht nach Putins Ankündigungen die Gefahr, "dass es von hier aus zu weiteren Verspannungen kommt." Der Konflikt wird wirtschaftlich "auch in den kommenden Wochen einen Belastungsfaktor darstellen", so Maurer.
Es komme auch darauf an, inwieweit ein börsennotiertes Unternehmen in Osteuropa verankert ist. Denn die wirtschaftlichen Auswirkungen sind noch recht regional beschränkt. "Zu berücksichtigen sind jedoch auch eventuelle zusätzliche Spillover-Effekte (Anm.Red: Ausbreitungs-Effekt) auf die gesamte Region Osteuropa, über möglichen Druck auf die lokalen Währungen gegenüber dem Euro und negative Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum in der Region." All dies könne sich auch auf die Unternehmen in Österreich auswirken, die ihren Handelsraum auf den Osten fokussiert haben.
Wie sich die Sanktionen auswirken werde aber erst bewertet, so Maurer. "Im Lichte dieser Neubewertung erwarten wir in den nächsten Wochen eine schwierige Marktphase und sehen die Verspannungen in den Beziehungen zwischen Russland und dem Westen mit einer möglichen Serie aus Sanktionen und Gegensanktionen aktienmarktseitig noch nicht ausreichend eingepreist."
Maurer verweist aber auf die Erfahrungen mit solchen Konflikten. "Es bleibt jedoch festzuhalten, dass historisch-politisch bedingte Kursverwerfungen häufig nur von kurzer Dauer waren." Der Investment-Spezialist schätzt vorsichtig mit einer Beruhigung des Märkte im zweiten Halbjahr 2022: "Hier spricht aufgrund des grundsätzlich soliden Konjunktur- und Gewinnausblicks dann Vieles für eine Rückkehr in den Aufwärtstrend".
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