Lannach: Neun Frauen „besiegten das Böse mit dem Guten“

- Fr. Dr. Irmgard Griss, Nationalratsabgeordnete a. D. mahnte, nicht wegzuschauen
Foto Harald Schober - hochgeladen von Franz Michael Zagler
Lannach. Am Freitag, dem 16. Mai 2025, fand im Schloss Lannach anlässlich des großen Gedenkjahres 2025 die erste KZ-Gedenkfeier statt. Neun Frauen lebten das Prinzip „Liebe“ und leisteten stillen Widerstand.
Im KZ-Außenlager Lannach kamen im März 1944 neun Zeuginnen Jehovas nach jahrelangem Martyrium im KZ Ravensbrück an, die im Schloss Lannach in der Landwirtschaft eingesetzt werden sollten. Dies ermöglichte ihr Überleben und ihre Befreiung am 9. Mai 1945.
Initiiert wurde die Gedenkveranstaltung durch den Verein Lila Winkel, der sich seit 1998 mit der Dokumentation und Aufarbeitung des Schicksals unschuldiger Opfer beschäftigt.
Bernd Gsell vom Verein Lila Winkel sprach in seiner Eröffnungsrede über die Kraft der neun Frauen, „Nein“ zu sagen: „Jehovas Zeugen besiegten im Einklang mit den Worten des Apostel Paulus aus dem Römerbrief, Kapitel 12, Vers 21 „das Böse mit dem Guten“, und lebten das christliche Prinzip „Liebe“ – frei von Rache und Gewalt. Ihr stiller Widerstand beweist: christliche Überzeugung und moralische Integrität haben sogar an Orten der Grausamkeit Bestand.“
Fr. Dr. Irmgard Griss, Nationalratsabgeordnete a. D., betonte in ihrer berührenden Rede, wie wichtig es ist, aus dieser Geschichte zu lernen. Sie blicke mit Sorge in die Zukunft, denn „die Freiheit, die wir heute genießen, sei gefährdet.“ Weiter: „In Russland gelten die Menschenrechte nicht mehr und auch in den USA gibt es eine besorgniserregende Entwicklung.“ Außerdem mahnte sie dazu, nicht wegzuschauen: „Wir müssen uns vor der Überlegung hüten: solange ich nicht betroffen bin, geht mich das nichts an.“
Heide Gsell vom Verein Lila Winkel erzählte, wie es überhaupt dazu kam, dass diese neun mutigen Frauen nach Lannach überstellt wurden: „Es begann mit einer Eskalation im Jänner 1942, als sich Zeuginnen Jehovas im KZ Ravensbrück weigerten, Kriegsmaterial herzustellen. Sie wurden bei eisiger Kälte wochenlang zu Bunker und Dunkelarrest verurteilt, ohne Decken, warme Kleidung und Sitzgelegenheit. Sie erhielten noch weniger Essen und zusätzlich Schläge. Ida Bartosch, die ebenfalls nach Lannach kam, überlebte diese Tortur. Sie berichtete darüber: „Ich habe 25 Stockhiebe mit dem Ochsenziemer erhalten, und dann bekam ich einmal 25 Eimer kaltes Wasser über den Leib gegossen. Daraufhin wurde ich lange in der Krankenbaracke behandelt.“
„Schlussendich erkannte auch Heinrich Himmler“, so Heidi Gsell weiter, „dass selbst die härteste Behandlung den Widerstand dieser Frauen nicht brechen konnte. Dies bezeugt ein Schreiben vom 6. Jänner 1943. Darin wies Himmler an, das „Bibelforscherproblem“ pragmatisch zu lösen und deren Qualitäten z. B. in der Landwirtschaft zu nutzen, wo sie nichts mit dem Krieg zu tun hätten. Hierbei kann man sie bei richtigem Einsatz ohne Aufsicht lassen und sie werden nie weglaufen. Man kann ihnen selbständige Aufträge geben, sie werden die besten Verwalter und Arbeiter sein.“
Für die neun ausgemergelten Frauen war die Überstellung nach Lannach eine Erlösung. Sie mussten zwar weiterhin schwer arbeiten, wurden aber gut behandelt. Von nun an schliefen sie nicht mehr in einer Baracke, sondern in dem schönen Nebengebäude des Schlosses. Sie erhielten bessere Nahrung, wurden nicht mehr bewacht und mussten keine Häftlingskleidung mit dem lila Winkel mehr tragen.
Julia Spari und Valerie Gschwind vom Verein Lila Winkel, gaben anschließend einen Einblick in die Geschichte der neun Frauen. Die Biografie von Josepha Adamski aus Polen berührte besonders. Als sie nach Lannach kam, war sie mit 32 Jahren die jüngste und offensichtlich auch die einzige Mutter.
Julia dazu: „Josepha musste vor allem Feldarbeit auf den Versuchsfeldern Lannachs leisten. Ein Vermesser, der in dieser Zeit eng mit Josepha zusammenarbeitete, wollte sie bei einer günstigen Gelegenheit zur Flucht überreden. Doch sie würde nicht fliehen. Sie habe es schon so lange ausgehalten. Nicht lange nach diesem Angebot, so Julia weiter, wurden alle neuen Frauen am 9. Mai 1945 von der russischen Armee befreit.“
Valerie weiter: „In den Jahren danach litt sie unter großen gesundheitlichen Folgen ihrer Gefangenschaft. Doch ihre Geschichte ist hier noch nicht zu Ende. Denn in ihrer Heimat, in der nun die kommunistische Sowjetunion an der Macht war, wurden Jehovas Zeugen erneut verfolgt. Sie blieb ihrer Überzeugung bis zu ihrem Tod 1981 mit 80 Jahren treu.“
Aufarbeitung seit 2008
Das Ludwig-Boltzmann-Institut für Kriegsfolgenforschung hat 2008 eine wissenschaftliche Studie über das Schloss Lannach durchgeführt und ein Buch mit dem Titel „Schloss Lannach 1938 - 1949“ veröffentlicht.
An dieser Studie hat Heide Gsell, die auch Vorstandsmitglied des Vereins Lila Winkel ist, mitgearbeitet und die Biografien der inhaftierten Frauen verfasst.
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