Klage gegen Burghausen
Streit um Grenzbrücke geht in nächste Runde
Die Diskussion um die Alte Brücke zwischen Ach und Burghausen nimmt kein Ende. Bei Gesprächen mit Verkehrsplanern von beiden Seiten kam es zu keinem Ergebnis. Unterdessen klagt ein Österreicher gegen die Einbahn-Regelung der Stadt Burghausen.
HOCHBURG-ACH, BURGHAUSEN. Genau wie zwischen Braunau und Simbach existiert zwischen Ach und Burghausen eine alte als auch eine neue Brücke über den trennenden Grenzfluss. Immer wieder wurde sie zum Streitthema zwischen den Grenznachbarn. Erst im Oktober kam es zu einer Demonstration, und im Dezember reichte ein Österreicher Klage gegen die StadtBurghausen ein. Hintergründe und Fakten sollen hier dargelegt werden.
Zu schmal für zweispurigen Verkehr
Die Salzach-Brücke zwischen dem Stadtplatz Burghausen und Ach wurde 1962 erbaut. Schon die Acher Gasse, die in Ach auf die Brücke zuführt, ist eng und auch die Grenzbrücke selbst ist für zweispurigen Verkehr und Fußgänger zu schmal: So wird im Verkehrsgutachten der Stadt Burghausen die Fahrbahnbreite mit 4,80 Meter und für den Fußgängerweg 0,80 Meter Breite angegeben. Mindestbreite für Fußgängerwege sind aktuell 2,50 Meter in Deutschland und 1,50 Meter in Österreich. Lange schon existiert von Seiten der Stadt Burghausen der Wunsch, die Brücke als Einbahn zu betreiben, bisher ist das am Land Österreich gescheitert, welches über seine Hälfte der Brücke selbst bestimmt.
Sache von Stadt und Land
Während die Verkehrsregelung der österreichischen Hälfte der Brücke der Bezirkshauptmannschaft Braunau obliegt, wurde die deutsche Seite der Brücke inklusive Staatsstraße 2108 mit Wirkung zum 1. Januar 2020 laut Bayerischen Bauministerium zur Ortsstraße abgestuft. Seither liegt die Baulast der Straße und Brücke bei Burghausen.
Während die österreichische Brückenhälfte beidseitig frei befahrbar ist, führte Burghausen für die deutsche Hälfte am 01. Januar 2021 eine Einbahnregelung ein: Im Probebetrieb. Als Ziel der Maßnahme wird im Verkehrsgutachten angegeben: "die Aufenthaltsqualität auf dem Stadtplatz von Burghausen nachhaltig zu verbessern". Sofort formiert sich Widerstand und so schließt sich die Bürgerinitiative L501 in Ach zusammen.
Klage gegen die Einbahn
Während die Acher Bürgerinitiative L501 noch im Oktober demonstrierte und das angesuchte Gespräch mit dem Bürgermeister von Burghausen und Verkehrsexperten immer wieder verschoben wurde, ging ein Bewohner aus Duttendorf eigene Wege. Hannes Preishuber legte im Eilantrag Klage beim Verwaltungsgericht München ein. Der Anspruch auf Klage gegen eine Verkehrsregelung verjährt nämlich, wenn ein Zustand länger als ein Jahr klaglos hingenommen wird.
6 cm lange Einbahnstraße?
In der Anklageschrift des Duttendorfers heißt es:
"... wurde auf Beschluss der Stadt Burghausen eine skurrile Einbahn errichtet. Beide Zeichen 220 und 267* befinden sich am gleichen Ort und bilden damit eine ca 6cm lange Einbahnstrasse am Beginn der alten Brücke Bruckgasse."
Hannes Preishuber* Die Zeichen 220 und 267 sind das "Einbahn" und das "Einfahrt verboten"-Zeichen
Hannes Preishuber beklagt außerdem, dass es weder eine Wendemöglichkeit, noch alternative öffentliche Verkehrsmittel oder ein spezifiziertes Ausweich-Mobilitätskonzept gäbe. Derzeit ist nicht bekannt wie lange die Entscheidung des Gerichts auf sich warten lässt. Die Stadt Burghausen hat am 30. Dezember 2021 einen Antrag auf Klageabweisung gestellt.
EU-Rechte-Dschungel
Die rechtlichen Hintergründe zur Situation sind komplex, denn es handelt sich nicht nur um zwei verschiedene Brückenbesitzer, sondern auch um zwei Mitgliedsstaaten der EU. So heißt es in der Verordnung 1931/2006 des EU-Parlamentes unter Punkt 2:
"Es liegt im Interesse der erweiterten Gemeinschaft, sicherzustellen, dass die Grenzen mit ihren Nachbarländern kein Hemmnis für den Handel, den sozialen und kulturellenAustausch oder die regionale Zusammenarbeit sind."
In einer Stellungnahme des Bayerischen Landtags zum Thema wird auf die EU-Regelungen hingewiesen. Vor allem auf den Artikel 34 der AEUV, der jede Maßnahme verbietet, "die geeignet ist, den Handel innerhalb der Union unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern." Außerdem auf Artikel 56 AEUV welcher Regelungen verbietet, die eine zwischenstaatliche Dienstleistung gegenüber einer in einem Land erbrachten Dienstleistung erschweren. Des weiteren untersagt auch der Artikel 24 des Schengener Grenzkodex "alle Hindernisse für den flüssigen Verkehr an den Straßenübergängen der Binnengrenzen, insbesondere Geschwindigkeitsbeschränkungen, die nicht ausschließlich auf Gesichtspunkten der Verkehrssicherheit beruhen."
Gefahr für Schulkinder
In der Klageabweisung argumentiert die Stadt Burghausen nun nicht mehr mit Verkehrsberuhigung, sondern erstmals mit einer Senkung des Gefahrenpotenzials. Die Antwortschrift legt dar, dass die Einbahn auf der Brücke bis 31. März 2022 im Probebetrieb angeordnet wurde und den Zweck habe, die Verkehrssicherheit im Rahmen einer neuen Straßenraumgestaltung am Stadtplatz zu prüfen.
Laut Stadt Burghausen liege eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben von Fußgängern und Radfahrer auf der Brücke, und Unfallgefahr am Stadtplatz vor, welche durch die Einbahnregelung verringert würde.
Unfallgefahr Fehlanzeige?
Im Unfallatlas des deutschen Statistikportals sind nun aber für das Jahr 2020 nur zwei Unfälle mit Personenschaden in der Salzlände verzeichnet. Die Salzlände und die Mautnerstraße sind in der Burghauser Altstadt die Ausweichstraßen für den Verkehr auf der Alten Brücke, und werden nun entsprechend mehr befahren.
Vier Unfälle mit Personenschaden in der Mautnerstraße lagen im Jahr 2019 vor, je ein Unfall mit Personenschaden geschah 2018 an der Kreuzung zur neuen Grenzbrücke und in derMautnerstraße, und ein Unfall am Ende des Stadtplatz (am Fuß des Ludwigsbergs).
2017 kam es zu drei Unfällen mit Personenschaden am Stadtplatz, alle jedoch am Ende, Richtung Ludwigsberg. 2016 geschah ein Unfall an der Kreuzung zur neuen Grenzbrücke, in der Mautnerstraße, und einer am Stadtplatz auf Höhe Stadtsaal. Es handelte sich bei oben genannten Unfällen immer um leichte Verletzungen, jedoch wird klar, dass die Mautnertraße und die Kreuzung zur neuen Grenzbrücke mehr Unfallpotenzial haben, als die Bruckgasse und die Grenzbrücke gemeinsam.
Auf der österreichischen Seite, genauer auf der Uferstraße zwischen der neuen Grenzbrücke bei Wanghausen und Ach, ereignete sich seit 2013 nur ein Unfall im Jahr 2020. Die Zahlen aus dem Jahr 2021 (Probebetrieb der Einbahn) liegen derzeit noch nicht vor.
Nach Rückmeldung des Bayerischen Landesamtes für Statistik liegen die Unfallauswertungen 2021 für Burghausen ebenfalls noch nicht vor. Voraussichtlich werden diese ab Mitte Februar fertiggestellt. sein.
Gefahr: Konfliktpotenzial
Auf der Grenzbrücke und in der Bruckgasse wurden im Unfallatlas zwischen 2016 und 2020 keinerlei Unfälle verzeichnet. Allerdings gab es einen Vorfall seit der Einführung der Einbahnstraße, bei dem sich eine Frau auf die PKW-Motorhaube eines deutschen Staatsbürgers aus dem Bezirk Braunau warf. Der Grund: Er war gegen die Einbahn gefahren.
Stellungnahme der Bezirkshauptmannschaft Braunau
In einer E-Mail hat die Bezirkshauptmannschaft Braunau sich zur Verkehrsregelung auf der Brücke zwischen Ach und Burghausen geäußert. Hier geht es zum Artikel.
Stellungnahme des Bürgermeisters von Burghausen
In einem Telefonat hat sich auch der Bürgermeister von Burghausen, Florian Schneider, zur Sache geäußert. Hier geht es zum Artikel.
Chronologie
- 1962: Brückenbau (Fahrbahnbreite 4,5 m, zwei Gehwege)
- 2000: Sanierung: Gehwege werden entfernt
- 2010: Erste Ideen zur Einbahnregelung
- 2011: Erste Unterschriftenaktion gegen Einbahnregelung
- 2017: Burghausens Bürgermeister Steindl arbeitet Anfrage an Land OÖ aus
- 2017: Zweite Unterschriftenaktion, Gespräche mit Ämtern in OÖ
- 2020: Baulast der deutschen Brückenhälfte fällt an Burghausen
- 2020: Burghauser Stadtrat beschließt Einbahnregelung
- 2021: Start einer sechsmonatigen Testphase der Einbahnregelung. Es folgt die Verlängerung des Testbetriebes. Die Entscheidung über einen Dauerbetrieb wird bis auf weiteres vertagt.
- 2021: Gründung einer Bürgerinitiative, Unterschriftenaktion, offener Brief an die Bürgermeister und Demo gegen die Einbahn.
- 2021, Dezember: Gespräch von Arbeitsgruppen und Verkehrsplanern aus Ach und Burghausen, Klage von Hannes Preishuber gegen die Einbahnregelung
- 2022, März bis Oktober: Anstehende Salzländen-Sanierung in Burghausen mit siebenmonatiger Vollsperrung.
Quellen:
Deutsche Straßenverkehrsordnung
Anfrage an den Bayerischen Landtag
Verkehrsunfallkarte Österreich
Weitere Artikel zum Thema:
Vollsperrung der Salzlände für sieben Monate
Frau wirft sich auf Motorhaube
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