Lieblingsplatzerl Erlaufsee
Eine Naturoase im Dienste der Entschleunigung
Als „Lieblingsort in der Natur“ im Bezirk Bruck-Mürzzuschlag kürte die Redaktion das eingeschickte Bild von Doris Frank. Ihr Favorit ist der Erlaufsee, doch was macht die Naturoase für sie und viele weitere Obersteirerinnen und Obersteirer so besonders? Eine Spurensuche im Mariazellerland.
MARIAZELL. Am Fuße der Gemeindealpe lag einst fruchtbares Land. Ein fließiger Bauer bepflanzte und bewirtschaftete es, arbeitete Tag und Nacht. Armen und Sammlern gab er von seinen Ernten aber nichts ab. Eines Tages zog ein schreckliches Gewitter auf. Ein Blitz fuhr in die Erde ein und riss er den Boden auf, der Bauer und sein Gespann wurde in den Abgrund hineingerissen.
Der Regen hörte aber nicht auf, prasselte weiter herab und füllte das Tal mit Wasser auf. Es war das Werk des sogenannten Quellgeists und so entstand der Sage nach der Erlaufsee. Er ist das „Lieblingsplatzerl“ unserer Leserin Doris Frank und vermutlich vieler anderer Obersteirer.
Erholungsort für Tier und Mensch
Der Erlaufsee ist eine vielgeschätzte Naturoase im Mariazellerland und verbindet die Bundesländer Steiermark und Niederösterreich. „Die Kulisse mit den Bergen im Hintergrund“ ist dabei nicht nur für Stefan Postl einzigartig. „Es ist sehr idyllisch und ruhig“, findet der Grazer. Das von Bergen und Wäldern umgebene Tal bietet ein besonderes Bild, in den See ragende Stege und einige hingepflanzte Häuser stören die Sicht auf das andere Ufer nicht großartig. Die entschleunigt wirkende Idylle schätzt auch die Tierwelt.
Die Besucher des Erlaufsees kommen von vielerorts. So zelebriert Stefan Postl an diesem Tag mit seiner Freundin Eva die Genehmigung ihres Diplomarbeitsthemas. Statt großer Feier, wurde zuerst spirituell in Mariazell eine Kerze angezündet. Beide seien zwar nicht sonderlich gläubig, dennoch verspürten sie einen Ruf dorthin. Den Erlaufsee sehen sie erstmals, viele Tagestouristen und Wallfahrer nehmen ihn bei ihrem Ausflug zur Basilika mit, da er mit dem Auto nur einen Katzensprung vom Ortskern entfernt liegt. Auf der Liegewiese beim Naturbadestrand am Südufer abschalten und sich erholen, das lockt viele hierher.
Eine hundertjährige Christina dampft dahin
An heißen Tagen gestaltet sich die Parkplatzsuche am Ufer aber schwierig, das Abkühlen im glasklaren Nass des Erlaufsees ist beliebt. Alternativen zur Anreise sind für Einheimische das Fahrrad oder für Flaneure der Museumstramway, der an Wochenenden und Feiertags vom Bahnhof Mariazell bis zum Erlaufsee fährt. Der Zugang zum Badestrand ist gratis, für Autos wird aber eine Parkgebühr fällig.
Das Schwimmen im See mögen auch Alfred und Herta Koch. Sie fahren jedes Jahr aus Retz im niederösterreichischen Weinviertel zum Urlauben ins Mariazellerland. „Wenn wir da sind, dann ist der Erlaufsee ein Pflichttermin“, so Herta Koch. Der an einer Stelle stolze 38 Meter tiefe Bergsee enttäuscht dabei nie, bei Wassertemperaturen um die 21 Grad Celsius wird ein herzschonendes, langsames Einsteigen empfohlen.
Das saubere und klare Wasser mit Trinkqualität garantiert Sichtweiten von mehreren Metern, Grund genug zum Abtauchen. Insgesamt zwei Tauschschulen gibt es entlang des Südufers. Landratten können aber auch beim Stand-up-Paddling versuchen, Gleichgewichtskünstler fallen dabei nicht vom Brett. Sonst stehen klassische Motorboote zur Miete bereit oder das über hundert Jahre alte Ausflugsschiff „Christina“. Während des Ersten Weltkriegs dampfte sie über die Donau, jetzt erkunden auf ihr seit Sommer 2019 regelmäßig Touristen die Natur des Tals, so auch die Kochs alljährlich.
Genug von Wasser? Auf den Wanderwegen entlang des Sees ist eine diverse Pflanzenvielfalt zu sehen. Abenteurer kommen außerdem im Waldseilgarten bei zwei verschiedenen Kletterrouten mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden auf ihre Kosten.
Von der Tramway in das Waggoncafé
Aufgrund des großen Artenreichtums ist auch das Fischen am Erlaufsee äußerst beliebt. Wer sein Essen oder seine Jause aber lieber gleich fixfertig auf dem Teller serviert bekommen möchte, der hat die Auswahl zwischen drei verschiedenen Gastronomien. Die jüngste davon ist das Café „Mein Waggon“ des jungen Andreas Fleissner. Der ausrangierte Eisenbahnwaggon steht etwas abseits des Trubels auf einem Campingparkplatz am Südufer.
Der Besitzer des Buffetwagens, die Museumstramway Mariazell, nutzte ihn aber lange nur sporadisch. „Da ich seit der Kindheit beim Verein dabei bin, haben sie mich angesprochen, ob ich nicht den Waggon bewirtschaften möchte“, so Andreas Fleissner. Der ausgelernte Koch, Kellner, Gastronom, Diplom-Barkeeper und Barista aus Mariazell ließ sich nicht zweimal bitten, sanierte den Wagen und richtete ihn traditionell ein. „Der Waggon ist Baujahr 1928 und natürlich ein Kulturgut, das Erhalten gehört“, führt Fleissner aus.
„Mein Waggon“ führt er nun den dritten Sommer in kompletter Eigenregie. Insbesondere Besucher, die mit der Tramway aus Mariazell beim Erlaufsee ankommen, soll das Ambiente ansprechen. Auch um das altertümliche Flair einzufangen, setzt Fleissner bewusst auf frische Produkte und hat bewusst nur eine kleine Karte, denn laut ihm habe sowieso nur so „die Gastronomie eine Zukunft.“
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