WOCHE Tischgespräch
"Jeder Stein hat seine eigene Erotik"

Johann Matschy: "Wir leben von der Mundpropaganda. Die Leute finden uns. So auch die ÖBB." | Foto: Martin Meieregger
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  • Johann Matschy: "Wir leben von der Mundpropaganda. Die Leute finden uns. So auch die ÖBB."
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Der typische Steinmetz hat ausgedient. Gefragt ist laut Johann Matschy ein vielseitiger Alleskönner.

Seit 70 Jahren gibt es in Kapfenberg den Steinmetzbetrieb Matschy. Johann Matschy leitet das Unternehmen in dritter Generation. In der Vorwoche wurde das Jahrhundertprojekt "Sanierung des Weltkulturerbes Ghega-Bahn" am Semmering abgeschlossen. Für Johann Matschy eine günstige Gelegenheit einmal durchzuschnaufen und im WOCHE-Interview Bilanz zu ziehen.

Zum wiederholten Mal ist die Firma Matschy in die Restaurierung der Semmeringbahn involviert. Was ist die Herausforderung dabei?
JOHANN MATSCHY: Das ist kein Projekt, das über Ausschreibungen läuft. Hier wird man von den ÖBB als Auftraggeber schlichtweg gefunden. In diesem Fall wurden wir von der bauausführenden Firma Strabag angerufen. Uns ist dabei sicherlich die Erfahrung im Bereich der Massivarbeiten zugute gekommen. Herausforderung war sicherlich der Personaleinsatz. Dieses Großprojekt hat 40 Mitarbeiter langfristig gebunden. Hier haben wir uns mit Berufskollegen zusammengetan und auch unsere Pensionisten konnten wir reaktivieren.

Die Firma Matschy wird auch gerufen, wenn es um Bahnhofsumbauten in ganz Österreich geht. Warum?
Die ÖBB haben anscheinend gute Erfahrungen mit uns gemacht, wir mit ihnen auch. Wir schaffen es zusätzlich zum normalen Geschäft pro Jahr auch ein bis zwei Großprojekte unterzubringen.

Das Berufsbild des Steinmetz hat sich gewaltig verändert. Früher stand ein Steinmetz doch immer in Friedhofsnähe. Was ist passiert?
Wir sind hier ja auch in der Nähe des Friedhofes (lacht). Wir Steinmetze verkaufen uns immer noch unter unserem Wert. Vielschichtig, das waren die Steinmetze immer schon. Die ersten großen Baumeister waren Steinmetze. Heute sind unsere Befugnisse zu sehr beschnitten. Wir können viel mehr, als wir von der Gewerbeordnung her dürfen.

Wie schaut das "normale Geschäft" eines Steinmetzes aus?
Vom Grabstein bis zum luxuriösen Weinkeller. Wir arbeiten viel im Privatkundenbereich. Ein bißchen spüren wir im Mürztal die Industriementalität. In den urbanen Siedlungsräumen von Graz und Wien leistet man sich viel eher luxuriösen Wohnraum mit edlen Baustoffen.

Wie schauts in Ihrer Branche mit Fachkräften aus?
Es gibt wenig ausgebildete Steinmetze. Speziell im CNC-Bereich müssen wir Mitarbeiter aus der Metallbranche abwerben.

Was ist Ihr Lieblingsstein?
Jeder Stein hat seine eigene Erotik. In dieser Hinsicht bevorzuge ich wechselnde Beziehungen.

Bauprojekt Semmeringbahn

Absolute Termintreue trotz Witterungseinfluss, zwei Jahre lang durcharbeiten, keinen Urlaub, die Wochenenden durcharbeiten. Das waren die Bedingungen an die Firma Matschy für das Jahrhundertvorhaben "Sanierung der Viadukte Wagnergraben, Gamperl- und Rumplergraben". "Ich habe meine Mitarbeiter abgefragt und kein einziger, der nicht aufgezeigt hat", sagt Johann Matschy stolz.
In drei Etappen – 2002, 2017 und jetzt 2018/19 – wurden die Viadukte der Weltkulturerbe-Bahn saniert. Die Firma Matschy erledigte die Steinmetzarbeiten. Sämtliche Brüstungsmauersteine entlang der Gleisanlagen mussten abgetragen, neu zugeschnitten und wieder eingesetzt werden. "5.000 Tonnen an Steinen wurden per Zug zu uns in den Betrieb gebracht, hier behandelt und von uns an Ort und Stelle wieder eingesetzt", erzählt der Firmenchef.
Dass sich nur wenige Steinmetze diese Arbeit zutrauen, zeigt auch das internationale Interesse an diesem Großprojekt, sogar ein Vertreter der Schweizerischen Bundesbahnen kam zum Lokalaugenschein.

Johann Matschy wurde fotografiert von Martin Meieregger

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