"Die eigene Leistung wächst mit dem Team"

Mehr als 100 Tage im Amt: Mariazell-Bürgermeister Walter Schweighofer mit einer ersten umfassenden Bilanz. | Foto: Josef Kuss
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  • Mehr als 100 Tage im Amt: Mariazell-Bürgermeister Walter Schweighofer mit einer ersten umfassenden Bilanz.
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Die WOCHE im Gespräch mit Walter Schweighofer (ÖVP), seit 4. August offiziell Bürgermeister von Mariazell – also fast eine Bilanz der ersten 100 Tage.

Gleich zu Beginn: Wie geht es Ihnen im Lockdown?
WALTER SCHWEIGHOFER: Es ist eine außergewöhnliche Situation. In diesem zweiten Lockdown können wir jedoch schon auf Erfahrungen aus dem ersten Lockdown zurückgreifen. Im Laufe der Zeit entsteht schon eine gewisse Routine in der Gewichtung von Themen. Als Gemeinde bieten wir wieder unseren sozialen Dienst mit Einkaufsfahrten und Medikamentenbesorgungen an, da greifen wir schon auf Erfahrungswerte zurück.

Haben Sie sich schon eine gewisse Routine als Bürgermeister erarbeiten können? Ist die Einarbeitungsphase schon abgeschlossen?
Nachdem die ersten hundert Tage vorbei sind, hat man schon einen guten Überblick über das ganze Geschehen und hat sich als Team gefunden; es braucht eine gewisse Zeit bis man sich aufeinander eingestellt hat. Es ist aber schon noch eine gewisse Zeit nötig, bis man behaupten kann: Jetzt ist die Einarbeitung abgeschlossen. Es ist jedoch vom ersten Tag an ein Lernprozess, der nie abgeschlossen sein wird, mit täglich neuen Herausforderungen. Das ist aber auch das spannende an diesem Amt.

Für die Kommunen ist es kein leichtes Jahr: Was sind für Mariazell die größten Herausforderungen im Corona-Jahr?
Nachdem wir ja als Abgangsgemeinde von den Ertragsanteilen des Bundes und Landes abhängig sind, gilt es großes Augenmerk darauf zu legen, dass einem ausgabenseitig nichts entgleist. Viele geplanten Maßnahmen wie zum Beispiel der Schulneubau müssen neu durchdacht werden. Aber ich bin auch der Ansicht, dass man in dieser Zeit eine Kommune nicht zu Tode sparen darf. Man ist gefordert, Investitionsprogramme trotzdem voranzutreiben. Die Gemeindemilliarde hilft zwar, aber es wird noch weitere Maßnahmen des Bundes und des Landes geben müssen. Der nächste Schritt nach vorne muss gemacht werden, steckenzubleiben wäre fatal.

Wie schwer ist es, unter diesen Voraussetzungen ein halbwegs planbares Budget für 2021 auf die Beine zu stellen?
Es gibt viele Unbekannte, weil das Steueraufkommen in Bund und Land nicht abschätzbar ist. Wichtig für Mariazell ist, dass der Abgang vom Land weiterhin abgedeckt wird. Dieses Versprechen des Landes gibt es, dass ertragsschwache Regionen unterstützt werden. Eine gute Abstimmung mit dem Land ist jetzt wesentlich: was ist machbar, was ist umsetzbar, was macht für die Region Sinn? Lösungen, die Hand und Fuß haben, sind gefragt und auch möglich.

Abseits von Corona: Was werden die Schwerpunkte Ihrer Amtsperiode sein?
Ganz wichtig wird der Neubau des Schulzentrums sein, auch als wichtiges Signal an die Jugend und die Zukunft dieser Region. Das Projekt ist ja schon weit fortgeschritten und liegt bei der Begutachtung im Land; Details vor allem im Bereich der Finanzierung müssen noch geklärt werden.
Ein wichtiger Schwerpunkt wird das Pflegeheim des SHV in Mariazell sein. Ich habe das Gefühl, dass das Heim in punkto Personalausstattung ein Stiefkind des SHVs ist. Momentan ist es nicht nachvollziehbar, dass ein modernes, wunderschönes Haus nur zur Hälfte ausgelastet ist, weil das Personal dazu fehlt. Es braucht einen Pflegegipfel mit allen Beteiligten für Mariazell. Auf touristischer Ebene sind wir mitten in der Planung eines Erholungszentrums am Erlaufsee, das schrittweise umgesetzt werden soll. Ein weiteres wesentliches Zeichen wird der Bahnhofsneubau der Mariazeller Bahn sein, dort könnte eine wichtige Verkehrs-Drehscheibe für eine ganze Region entstehen.

Als Bürgermeister muss man ja auch Visionen haben: Welche Visionen haben Sie für Mariazell?
Visionen hätte ich genug, aber ich bin auch Realist. Wichtig wäre für mich, dass wir weiter zusammenwachsen. Die Fusion ist noch nicht ganz verdaut. Eine Vision ist es, dieses Zusammenfinden noch besser zu fördern und zu unterstützen. Da bin ich auch in meiner Person als Bürgermeister gefordert, allen Bewohnern das Gefühl zu geben, dass sie gleich viel wert sind. Es dreht sich nicht alles um den Hauptplatz von Mariazell – dies wäre sozusagen meine politische Vision. Ein weitere Vision zeigt sich aus der Corona-Pandemie heraus: Mariazell als hochwertige Wohnsitzgemeinde zu positionieren, mit digitalen Teilarbeitszeitplätzen. Wir sollten attraktiver für Jungfamilien werden, die hier ihren Lebensmittelpunkt planen, z.B. helfen hier Ganztageskindergarten und Ganztagesschulen als Erweiterung des bestehenden Angebots.
Ich habe auch eine touristische Vision, die sich bereits abzeichnet: Eine starkes Zusammenwachsen mit den niederösterreichischen Nachbargemeinden. Da gibt es unzählige Möglichkeiten und Projekte. Dieses vorhandene Potenzial gilt es zu nutzen. Das ist aber mehr als eine Vision, das ist meine Leidenschaft.

Mit dem Wechsel der Mehrheitsverhältnisse von SPÖ auf ÖVP in Mariazell – wird es auch eine Änderung im Amtsverständnis geben?
In gewissem Maße sicherlich. Für mich hat ein Gemeindeamt zu hundert Prozent ein Dienstleistungsbetrieb zu sein. Beste Unterstützung für den Bürger – das fängt beim Bauhof an und hört im Bürgerservice auf. Ein Umstrukturierungsprozess wird notwendig sein, muss aber vorausschicken, dass es jetzt schon gut funktioniert und wir auf Top-Mitarbeiter zurückgreifen können.

Gibt es gravierende Versäumnisse in Mariazell in den vergangenen Jahren?
Das liegt jetzt schon lange zurück und ist zum Teil auch der Fusion geschuldet, aber momentan beschäftigt es uns massiv: das Trinkwassernetz mit den vielen Quellen ist uralt. Ohne jetzt jemanden dafür verantwortlich zu machen: das hat man ständig hinausgeschoben. Wir müssen in der Lage sein, jeden Bürger mit Trinkwasser in bester Qualität versorgen zu können. Das sind Hausaufgaben, die gilt es zu erledigen.

Wie sehen sie die Neustrukturierung im steirischen Tourismus? Mariazell soll ja in den Großverband Hochsteiermark eingegliedert werden. Gut oder schlecht für Mariazell?
Im ganzen Vertragsentwurf kann ich nichts Positives für Mariazell erkennen. Gerade in touristischen Belangen ist Mariazell mit seinem ganz speziellen Tourismus völlig anders gelagert. Dieser Mix aus Wallfahrern, Tagesausflüglern, Wanderern, Sommerfrischlern und Skifahrern ist einzigartig für Österreich. Dieser Tourismus ist so komplex, der in Wahrheit nirgendwo dazupasst. Das lässt sich aber in Graz nur schwer vermitteln. Ich habe das Gefühl, dass wir in diesem Hochsteiermark-Verband nur deswegen drinnen sind, um als Zugpferd den Tourismus anzuziehen. Freude haben wir damit alle nicht.

Wie lässt sich Ihr persönlicher Bürgermeister-Stil definieren?
Ganz einfach gesagt: Ich bin ein offener, teamorientierter Mensch mit klaren Grundlinien, die jeder sofort erkennt. Die eigene Leistung wächst mit dem Team.

Werden Sie das Bürgermeisteramt im Hauptberuf ausüben?
Nein. Es lässt sich derzeit noch gut mit meinem Brotberuf als Forst- und Landwirt kombinieren. In der Familie ist das gut abgesprochen. Mein Beruf ist meine Leidenschaft, so wie jetzt auch schon das Bürgermeisteramt. Für mich ist es der spannendste Job auf der ganzen Welt.

Eine letzte Frage: Was ist Ihr Lieblingsplatzerl in Ihrer Heimatgemeinde?
Ja, den gibt es tatsächlich: Es ist der Grazberg, der Hausberg hinter unserem Bauernhof. Damit verbinde ich sehr viele Kindheits- und Jugenderinnerungen. Er ist auch unser Urnenberg und für mich ein Kraft- und Ruheort mit einem großartigen Ausblick auf Halltal.

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