Die Watschen und die seelische Gesundheit

Ich begebe mich jetzt auf ein heißes Pflaster, hat doch der ORF erst vor wenigen Tagen eine Kampagne gegen die "Watschen" gestartet und in der aktuellen "Woche" Nr. 6/2013 schreibt Karin Strobl ebenfalls ihre "Meinung" darüber nieder.

Ein Problem habe ich damit: Die Mehrheit der Eltern zu kriminalisieren halte ich für bedenklich und lehne das ab. Eine Minderheit versucht, mit ihrer Meinung den Zeitgeist zu beeinflussen, ihn allen aufzuzwingen. Es wird nicht differenziert, wobei sehr wohl die Dosis den Unterschied zwischen Medizin und Gift ausmachen kann. Pauschalverurteilungen sind immer falsch. Auch wenn ein Fachmann wie Klaus Vavrik "diese Zahlen für alarmierend" hält, so ist das dennoch seine Privatmeinung.

Wenn jetzt gut die Hälfte der Eltern (plus Dunkelziffer?) die "leichte Watschen" befürwortet, bedeutet das immerhin, dass die andere knappe Hälfte darauf verzichtet. Ich behaupte jetzt einmal, dass vor 30 oder 50 Jahren vermutlich noch mehr "gewatscht" wurde, ohne dass das zu einer erkennbaren Mehrschädigung der heute 35 - 60-jährigen Österreicher geführt hat.

Dass wir inzwischen Europameister bei den Rauchern sind und immerhin einen Stockerlplatz beim Saufen ergattern (ist nicht neu) und dass viele Jugendliche Gewalterfahrung haben, liegt sicher nicht an diesen Watschen. Ich sehe ursächlich dahinter Langeweile, Verlust an Hierachien, Orientierungslosigkeit, das Fehlen von klaren Vorgaben, Richtlinien und Perspektiven.

Paradox erscheint mir, dass jegliche körperliche Strafe gebranntmarkt wird, andererseits in TV und im Kino noch nie so viel und brutal Gewalt gezeigt wurde wie in unseren Tagen.
Schauten sich die Leute in den 50er und 60er Jahren Filme mit Hans Moser und Hörbiger an und verteilten ohne viel zu denken locker ihre Watschen, so kommt es nun soweit, dass ein Sprößling seinen Vater vor den Kadi bringt und sich dann in Kino oder mittels DVD "Saw" hineinzieht. Eigentlich irre.

Da passt für mich einiges nicht zusammen. Dieser verordnete und medial gepushte Pazifismus hat bis jetzt gar nichts zur Befriedung unserer Gesellschaft beigetragen, im Gegenteil: In Städten tragen heute Gangs ihre Revierkämpfe aus, Vandalen ziehen ihre Zerstörungsspuren, tagtäglich wird von Raufereien und Gewaltverbrechen - oft unter Alkohol- oder Drogeneinfluss - berichtet. Was ist besser geworden?

In Gegensatz zum Schulunterricht vor 40 oder 50 Jahren, wo Lehrer Respektspersonen waren und mit 40 und mehr Schülern Unterricht möglich war, so ist es in unseren Zeiten schon ein Problem mit der Hälfte dieser Schülerzahl. Lehrer haben keine Handhabe mehr, die Schüler wissen das und einige wenige genügen, um Unruhe und Chaos in die Klassen zu bringen, sodass Unterricht unmöglich wird. Viele Lehrer halten das nicht durch, Burn out wird zur Berufskrankheit, Motivation schwindet. So sieht heute unsere "heile Welt" aus.
Aber auch für die Jungen ist vieles schwieriger geworden. Das schulische und berufliche Spektrum wurde immer unüberschaubarer und die Anforderungen nach der Schule steigen immer mehr, die Konkurrenz ist oft riesengroß.

Weniger die Watschen als die Zeit und Zuwendung, die Eltern ihren Kindern vorenthalten haben, tragen zu deren seelischer Verwahrlosung bei. Damit sind wir wieder bei Gewalt und Alkohol.

Mir geht es keineswegs darum, Gewalt zu legitimieren, aber die Dinge zurecht zu rücken.

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