Anonyme Geburt und Babyklappe in der Steiermark

Um hoch belasteten Frauen, die ihre Schwangerschaft verdrängen bzw. verheimlichen, einen menschlichen Ausweg aus ihrer Notlage zu eröffnen, gibt es seit 2001 die Möglichkeit der anonymen Geburt. Gleichzeitig wurde an der Außenwand der Gebärklinik in Graz eine Babyklappe installiert.
Die Caritas betreibt im Auftrag des Landes eine Hotline (Tel. 0800 838383) und eine Kontaktstelle, die für Frauen in dieser Ausnahmesituationen bereits vor aber auch nach der Geburt kostenlos und anonym Information, Beratung und Unterstützung bietet.
„Ich hätte mir nie gedacht, dass ich einmal in eine solche Situation komme.“ So oder so ähnlich äußern sich viele Frauen, wenn sie sich erstmals bei der Hotline oder der Kontaktstelle melden.
Vorerst geht es darum, den Frauen den Raum zu geben, (oft erstmals) über ihre quälenden Ängste und Sorgen offen zu sprechen.
Danach erhalten die Frauen umfassende Informationen über die anonyme Geburt, Babyklappe und alle alternativen Möglichkeiten, wie Adoptionsfreigabe, Pflegeplatzunterbringung und weitere Unterstützungsangebote. Sie werden auch darauf hingewiesen, Informationen über sich und ihre Familie für das Kind zu hinterlassen (Briefe, Andenken, kleine Geschenke), weil alle Kinder nach ihrer Herkunft fragen daher gebeten – wenn möglich - einige persönliche Zeilen für ihr Kind zu schreiben.
Für die Zeit bis zur Geburt, aber auch nach der Geburt des Kindes, steht die Kontaktstelle den betroffenen Frauen mit Beratung und Unterstützung zur Seite.

In den elf Jahren seit Einführung der anonymen Geburt gab es 92 anonyme Geburten in der Steiermark. Zwei Abgaben an der Babyklappe und eine anonyme Übergabe in der Steiermark. Drei dieser Mütter haben einige Zeit nach der Geburt ihre Anonymität aufgehoben und ihr Kind zurück bekommen.
31 weitere betroffene Frauen haben sich kurz vor bzw. nach der anonymen Geburt (noch im Krankenhaus) für ein Leben mit dem Kind oder eine Adoptionsfreigabe unter ihrem Namen entschieden.
Pro Jahr gibt es ca. 8 – 10 anonyme Geburten.
Die Geburten verteilen sich auf alle Bezirke der Steiermark. (47 Graz, 10 Feldbach, 10 Leoben, 7 Hartberg, 5 Wagna, 4 Deutschlandsberg, 2 Bruck a.d. Mur, 3 Judenburg, 1 Voitsberg, 3 Rottenmann)
Die betroffenen Frauen kommen aus allen sozialen Schichten, sie sind im Schnitt 27 Jahre alt. Mehr als die Hälfte der Frauen hat bereits Kinder und über 80% von ihnen sind gebürtige Österreicherinnen.
Etwa die Hälfte der betroffenen Frauen hat sich vorher bei der Kontaktstelle bzw. einem Krankenhaus oder dem Jugendamt gemeldet.

Fast alle Frauen, die eine anonyme Geburt durchführen, sind „heimlich“ schwanger. Die meisten berichten, die Schwangerschaft erst sehr spät bemerkt und anschließend verheimlicht zu haben. Meist weiß niemand in ihrem Umfeld von ihrer Schwangerschaft und nimmt ihre Not wahr.
Dass eine bestehende Schwangerschaft von der Schwangeren nicht wahrgenommen wird, ist ein Phänomen, das nicht so selten vorkommt. Durchschnittlich kommt ein Fall auf ca. 475 Geburten, bei welchem eine Schwangerschaft erst jenseits der 20. Schwangerschaftswoche wahrgenommen wird. Betroffen sind wiederum Frauen aus allen sozialen Schichten und jeden Alters, auch Frauen, die bereits geboren haben.
(Legt man die steirischen Geburtenzahlen ca. 10.000 pro Jahr zugrunde, kommt man auf über 20 verdrängte Schwangerschaften pro Jahr)
Wenn die Frauen Gründe für die anonyme Geburt benennen, werden neben dem zu späten Bemerken der Schwangerschaft oft ein Bündel an weiteren Problemen genannt (wirtschaftliche Schwierigkeiten, Überforderung, mangelnde Unterstützung in ihrem sozialen Umfeld, problematische Partnerbeziehungen, Gewalt, Erkrankung, eine schwierige Lebensphase, Druck).
Zusätzlich leiden diese Frauen darunter in der Gesellschaft auf Unverständnis und Ablehnung zu stoßen und als „Rabenmütter“ und verantwortungslos abgestempelt zu werden.

Ablauf einer anonymen Geburt:
Ein anonymer Transport durch die Rettung ins nächstgelegene Krankenhaus mit geburtshilflicher Abteilung ist möglich.
Im Krankenhaus wird mit der Frau, wenn sie eine anonyme Geburt verlangt, zuerst ein Codename mit dem sie angesprochen werden kann vereinbart. Dann wird die Frau gefragt, ob sie das Baby nach der Geburt sehen möchte, ob sie die Daten erfahren möchte und ob sie dem Kind einen Namen geben möchte.
Die Frauen werden gebeten einen Brief für das Kind zu schreiben. Viele Frauen füllen ein Informationsblatt aus, oder schreiben einige persönliche Zeilen für das Kind. Ein paar Frauen gaben in diesem Brief ihre Daten für das Kind bekannt. Sieht sich die Mutter nicht in der Lage einen Brief zu schreiben, verfasst ein Mitglied des Geburtsteams – meist die Hebamme - einen Brief über den Geburtsverlauf und die Mutter.

Die meisten anonymen Geburten sind ambulante Geburten, d.h. die Frauen verlassen das Krankenhaus sobald als möglich nach der Geburt. Meist noch am selben Tag. In einigen Fällen kamen die Frauen von der Arbeit zur Geburt und gingen am nächsten Tag wieder arbeiten.
 
Was geschieht mit den Kindern:
Die Kinder bleiben nach der Geburt im Krankenhaus und vom Krankenhaus wird das zuständige Jugendamt verständigt. Anonym geborene Kinder sind Findelkindern gleichgestellt und daher ist das Jugendamt mit der Obsorge (den elterlichen Rechten) für das Kind betraut.
Sobald als möglich wird das Baby zu Pflegeeltern, den späteren Adoptiveltern entlassen. Nach 6 Monaten wird dann die Adoption durchgeführt.
Nach der Geburt hat die Mutter sechs Monate bzw. bis zur rechtskräftigen Adoption Zeit zum Kind zurück zu kehren. Dazu muss sie ihre Anonymität aufheben und die Obsorge vom Gericht übertragen erhalten.

Etwa ein Viertel der anonymen Mütter bleibt auch über die Geburt hinaus mit der Kontaktstelle in Verbindung z.B. um über die zurückliegende Geburt zu sprechen, um Informationen über das Kind und seine „neue Familie“ zu erhalten, um Fragen zu ihren Rechten und Ansprüchen zu klären.
Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass es den Müttern nicht leicht fällt ihr Kind nach einer anonymen Geburt zurück zu lassen. Sie sehen zwar keinen Weg für ein Leben mit dem Kind, wollen aber, dass das Kind von Anfang an in einer vollständigen und liebevollen Familie aufwächst. “Man kann auch sagen sie stellen das Wohlergehen des Kindes über ihr Mutterglück.“
Drei von den 92 anonymen Müttern haben einige Zeit nach der Geburt ihre Anonymität aufgehoben und ihr Kind schließlich zurück erhalten.

Die Anonymität kann eine anonyme Mutter für ihr Kind auch später immer noch aufheben. An einer inzwischen erfolgten Adoption ändert sich dadurch allerdings nichts. Aber das Kind erhält dadurch die Chance seine leibliche Mutter später einmal kennenlernen.

Erklärtes Ziel von anonymer Geburt und Babyklappe ist und war es, Kindesweglegungen und Kindestötungen nach der Geburt zu verhindern. Eine Studie von Dr. Claudia Klier vom Universitätsklinikum für Psychiatrie in Wien, in welcher sie die Zahlen zu Kindestötungen im Zeitraum 1995 bis 2005 auswertete, ergab einen Rückgang von Kindestötungen nach der Geburt von 2002 bis 2005 um 50% in Österreich. Dieser Zeitraum fällt mit der Einführung der anonymen Geburt und Babyklappe zusammen und lässt daher einen Zusammenhang mit diesen Angeboten vermuten.

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