Berivan Aslan: "Ich sah viel Hoffnung"

Aslan und Begeiter in der Menge: "Familien nehmen Flüchtlinge auf. Das Menschliche steht bei ihnen im Vordergrund." | Foto: Bruna
55Bilder
  • Aslan und Begeiter in der Menge: "Familien nehmen Flüchtlinge auf. Das Menschliche steht bei ihnen im Vordergrund."
  • Foto: Bruna
  • hochgeladen von Georg Larcher

TELFS (lage). Leid und Hoffnung haben die Parlamentarier aus Österreich bei ihrem 4-tägigen Aufenthalt im Krisengebiet im Südosten der Türkei erfahren, dort wo die Terrormiliz IS "Islamischer Staat" die syrische Kurdenstadt Kobane bedroht. Die Grüne Nationalratsabgeordnete und Frauensprecherin Berivan Aslan aus Telfs hat die Reise initiiert. Die kurdischstämmige Tirolerin wurde begleitet von Elisabeth Pfurtscheller, Menschenrechtssprecherin ÖVP sowie SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder. Im BEZIRKSBLÄTTER-Interview erzählt Aslan auch von ihren Emotionen beim Besuch des Volkes, aus dem sie stammt.

Wie kam es zu dieser Reise?
Ich brachte das Thema aus frauenpolitischer Sicht im Parlament zur Sprache, habe von den Entführungen durch die IS gesprochen, da hat sich fast das ganze Parlament solidarisch gezeigt, einige haben mich umarmt. Ich wollte vor Ort helfen, dann kam die parteiübergreifende Reise zustande. Es wollten mehr mit, aber es war wichtig, die Gruppe klein zu halten, aus Sicherheitsgründen.

Was wollten Sie bewegen?
Österreich hat als einziger Staat den humanitären Korridor beschlossen. Wir Grüne haben vor der Türkischen Botschaft in Wien auch eine symbolische Aktion gemacht, wo wir einen humanitären Hilfskorridor gefordert haben. Die gleiche Forderung wurde dann von allen Parteien im außenpolitischen Ausschuss einstimmig beschlossen. In Kobane gibt es kein Krankenhaus, nur sieben Ärzte. Menschen verbluten an der Grenze, es kann nicht sein dass Verletzte nicht versorgt werden. Da mussten wir Druck machen.

Wie steht es um die Flüchtlinge in der Türkei?
Die Kurden, die in die Türkei geflüchtet sind, wollen wieder zurück nach Kobane, keiner von denen will nach Europa. Das war für mich sehr berührend, sie haben es satt in der Diaspora zu leben, haben genug von Migration und Flucht. In Kobane haben sie eine eigene Selbstverwaltung gegründet, dafür haben sie lange gekämpft. Sie wünschen sich eine Stabilisierung der Lage. Wenn es ihnen gut geht, hat der Westen auch nicht das Flüchtlingsproblem. Sie wollen keinen einheitlichen kurdischen Staat, das haben die kurdischstämmigen Politiker dort gesagt, nur eine Autonomie in den Regionen, wo sie leben - so wie die Südtiroler in Italien.

Wie haben Sie als Kurdin den Aufenthalt erlebt?
Ich war noch nie in den kurdischen Gebieten, wusste nicht, was mit mir passiert. Tirol ist einerseits meine Heimat, auf der anderen Seite habe ich doch meine Wurzeln da drüben. Es war für mich ua. auch eine Selbstreflexions-Reise.

Haben Sie deswegen diese Reise gemacht?
Ich hätte mir gewünscht, ein anderes Mal dorthin auf Erkundungsreise zu reisen. Nun kam es anders, wir kamen um zu helfen. Wir als neutrales Land können an einem nachhaltigen politischen Konzept arbeiten, können dazu beitragen, dass die Menschen eine Heimat haben.

Könnte diese Region wieder Ihre Heimat werden?
Für mich wurde schon klar, ich kann nicht mein ganzen Leben lang in dieser Region leben. Ich habe das Gefühl gehabt, ich bin schon entwurzelt. Meine Heimat ist Tirol und am Ende will ich auch hier begraben werden. Ich habe hier auch die Voraussetzungen, den Menschen zu helfen, die diese Rahmenbedingungen nicht haben, so hat sich meine Lebensaufgabe hier verstärkt.

Wie war die Erfahrung mit Ihrer Muttersprache?
Es war ein toller Effekt für mich. In meinem Leben habe ich erstmals erlebt, dass in den Straßen ganz offen und frei kurdisch geredet wurde, wir haben das als Kinder immer heimlich gesprochen. Lustig war, dass ich kurdisch in einem Tiroler Dialekt rede, da hat mich eine Dolmetscherin darauf aufmerksam gemacht. Im emotionalen Zustand ist es passiert, angesichts der Situation der Menschen dort.

Was war so emotional?
Dass ich wieder zuschauen musste, dass Kurden wieder auf der Flucht sind, sie sind das letzte Mal 1991 von Saddam vergast worden, haben viele Massacker miterlebt. Mein Opa hat sich schon für seine Rechte eingesetzt, mein Vater, ich auch, wie lange soll das noch gehen? Ich war enttäuscht, verzweifelt, diese Hilflosigkeit mitanzusehen, die Armut, das Leid. Es war schon normal, wenn in Familien Brüder umgebracht wurden oder in Haft waren, unvorstellbar. Was mich auch bewegt hat: Es waren Kriegsflüchtlinge, trotzdem hat niemand von Rache gesprochen, keiner sagte, er werde es der IS heimzahlen. Sie haben Hoffnung gehabt. Trotz der patriarchalen Region denken die an Demokratie, Pro-Kurdische Parteien haben eine Doppelspitze, werden von einer Frau und einem Mann geleitet. Da haben auch meine Mitreisenden gestaunt und dazugelernt.

(Fotos: Christian Bruna)

Du möchtest regelmäßig Infos über das, was in deiner Region passiert?

Dann melde dich für den MeinBezirk.at-Newsletter an

Gleich anmelden

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

Folge uns auf:

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.