Hotel Europa
Aufklärung, Fehlinformationen aufdecken und Verantwortlichen ausmachen

Eingangstüren Ostwand. Aufnahme BDA 122020 | Foto: BDA
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INNSBRUCK. Nach den Abbrucharbeiten im neubarocken Festsaal im Hotel Europa haben die städtischen Ämter Stadtplanung, Stadtentwicklung und Integration, Bau-, Wasser-, Gewerbe- und Straßenrecht sowie das Amt für Präsidialangelegenheiten einen Katalog von Fragen aus dem Ausschuss für Stadtentwicklung, Wohnbau und Projekte beantwortet. Dadurch sollten sowohl rechtliche Fragen als auch jene zu den zeitlichen Abläufen geklärt und Transparenz geschaffen werden.

Indiskutabel

„Die Zerstörung des Barocksaals ist indiskutabel und hat – zu Recht – auch viele Menschen in der Stadt bewegt. Was geschehen ist, können wir nicht mehr rückgängig machen. Was wir aber tun müssen, ist für vollständige Aufklärung zu sorgen, Fehlinformationen aufzudecken und die Verantwortlichen auszumachen. Eine solche Tat darf keinesfalls ohne ernsthafte Folgen bleiben“, sind sich Bürgermeister Georg Willi und die Mitglieder des Ausschusses für Stadtentwicklung, Wohnbau und Projekte einig.

Bausperre verhängt

Das Amt für Stadtplanung, Stadtentwicklung und Integration informierte sich bereits im vergangenen Herbst beim Bundesdenkmalamt (BDA) über den Schutz des Barocksaals und unterstützte bei der Recherche von Planunterlagen. Zudem wurde auf Beschluss des Gemeinderates im November 2020 eine Bausperre, die seit vergangenen Dezember in Kraft ist, im Bereich des Hotels verhängt. „Das Amt für Stadtplanung, Stadtentwicklung und Integration hat viel Handlungseinsatz gezeigt und sich im Rahmen des Möglichen engagiert“, betont das Innsbrucker Stadtoberhaupt und führt weiter aus: „In der nächsten Ausschusssitzung werden wir die weiteren Schritte beraten.“

Initiative

Lucas Krackl (Obmann des Bauausschusses, Liste Für Innsbruck) hat die Initiative gestartet und den Gemeidneratsmitgliedern u.a. geschrieben: "Die vergangenen Tage haben immer wieder neue Details zu Tage gebracht und es wäre aus unserer Sicht angebracht eine umfassende Prüfung in Auftrag zu geben. Neben dem genauen Zeitablauf sollen vor allem auch rechtliche Fragen geprüft werden. In der Öffentlichkeit wird der sogenannte Schwarze Peter häufig auch der Stadt zugeschoben. Das ist aus meiner Sicht nicht zutreffend und passend. Besonders wichtig ist es mir daher auch die Rolle der Stadtplanung zu dokumentieren, denn hier hat man aus meiner Sicht redlich versucht zu handeln und das sollten viele Menschen wissen." Gleichzeitig hat Krackl einige Fragen ausgearbeitet, die nun beantwortet wurden.

Innenraum gegen Nordosten. Aufnahme BDA 122020 | Foto: BDA
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Antworten

Die Ämter Stadtplanung, Stadtentwicklung und Integration, Bau-, Wasser-, Gewerbe- -und Straßenrecht sowie das Amt für Präsidialangelegenheiten haben in Zusammenarbeit nachstehenden Fragen beantwortet, wobei einleitend und allgemein zu den Bestimmungen des Denkmalschutzgesetzes Folgendes auszuführen ist:
Bei Denkmälern, die nicht bloß kraft gesetzlicher Vermutung oder durch Verordnung unter Denkmalschutz stehen (das sind solche, die sich im alleinigen oder überwiegenden Eigentum des Bundes, eines Landes oder von anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften, Anstalten, Fonds sowie von gesetzlich anerkannten Kirchen oder Religionsgesellschaften einschließlich ihrer Einrichtungen befinden), gilt gemäß § 3 Abs. 1 DMSG ein öffentliches Interesse an ihrer Erhaltung erst dann als gegeben, wenn sein Vorhandensein vom Bundesdenkmalamt durch Bescheid festgestellt worden ist (Unterschutzstellung durch Bescheid).
Die Tatsache der Unterschutzstellung unbeweglicher Denkmäler durch Bescheid ist über Mitteilung des Bundesdenkmalamtes im Grundbuch von Amts wegen ersichtlich zu machen. Bei bescheidmäßiger Aufhebung des festgestellten öffentlichen Interesses an der Erhaltung durch Bescheid ist die Ersichtlichmachung über Mitteilung des Bundesdenkmalamtes von Amts wegen zu löschen. Die Mitteilung hat jeweils spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der bescheidmäßigen Feststellungen zu erfolgen.
In Verfahren gemäß § 3 Abs. 1 DMSG, die die (positive oder negative) Feststellung des öffentlichen Interesses an der Erhaltung unbeweglicher Denkmäler betreffen, kommt gemäß § 26 DMSG neben dem Eigentümer und dem Landeshauptmann auch der Gemeinde und dem Bürgermeister Parteistellung zu. Ein Antragsrecht in Bezug auf die Unterschutzstellung kommt jedoch nicht (ein solches besteht nur in Bezug auf Denkmäler im alleinigen oder überwiegenden Eigentum des Bundes, eines Landes oder einer anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaft, einer Anstalt, eines Fonds oder einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft).
Im vorliegenden Fall ist aus dem Grundbuch keine Unterschutzstellung nach dem DMSG ersichtlich, weder aktuell noch aus einem historischen Auszug. Damit liegt rechtlich gesehen keine Unterschutzstellung vor.

Wann wurde der Kaufvertrag unterfertigt?
Laut Grundbuch am 17.11.2020

Was beinhaltet dieser hinsichtlich dem Übergabezeitpunkt?

Die Übergabe erfolgt innerhalb von 3 Tagen ab der Eigentumseinverleibung im Grundbuch. Diese erfolgte am 26.11.2020, weshalb die Käufer ab Ende November im Besitz der Immobilie waren. Übergabe der Liegenschaft erfolgte in dem Zustand, in dem sich diese an diesem Tag befand.

Gibt es im Kaufvertrag Hinweise auf den Denkmalschutz?
Zusicherung des Verkäufers, dass hinsichtlich des gesamten Kaufgegenstandes keine Unterschutzstellung nach dem DMSG oder sonstiger behördlicher Objektschutz zur verpflichtenden Erhaltung des Gebäudes besteht.

Ist aus dem Kaufvertrag ersichtlich, in welchem Zustand die Liegenschaft übergeben wird?
Übergabe der Liegenschaft erfolgte laut Kaufvertrag in dem Zustand, in dem sich diese an diesem Tag befindet

Die Zerstörung dürfte laut Bericht des Bundesdenkmalamtes im Dezember vollendet worden sein. Wer war zu diesem Zeitpunkt Eigentümer und wer hatte volle Verfügung über das Objekt?
Eigentümer war im Dezember die Käuferin, nämlich die Carl Ludwig Immobilien GmbH.

Hätten die Abbrucharbeiten eine baurechtliche Anzeige erfordert? Wenn ja, wurde diese erstattet?
Es wurde keine baurechtliche Abbruchanzeige erstattet.

Seitens der Baubehörde wurde die Bau- und Feuerpolizei, unmittelbar nach Bekanntwerden des Vorfalles, mit der Durchführung eines Lokalaugenscheines beauftragt. Mit Stellungnahme vom 18.01.2021 teilte die Bau- und Feuerpolizei unter anderem mit: Vor Ort wurde der Barocksaal, das Erdgeschoss und das Untergeschoss besichtigt. Ausschließlich im Barocksaal haben offensichtlich Bauarbeiten stattgefunden. Alle Stuckverzierungen der Wände und Decken wurden entfernt bzw. abgeschlagen. Die Stuckelemente wurden offensichtlich über das Fenster in den Innenhof geworfen. Hier befindet sich ein abgedeckter Schutthaufen mit den abgebrochenen Stuckteilen. Im Anhang sind zwei Fotos angefügt mit der aktuellen Ansicht des Saals und den Schutthaufen im Innenhof. In den weiteren besichtigten Räumlichkeiten wurden keine aktuellen Baumaßnahmen festgestellt. Die durchgeführten Arbeiten sind als weder anzeige- noch bewilligungspflichtig zu beurteilen. Es handelt sich dabei um Baumaßnahmen im Inneren, bei denen keine allgemeinen bautechnischen Erfordernisse wesentlich berührt wurden.

Aufgrund der schlüssigen Stellungnahme der Bau- und Feuerpolizei kann davon ausgegangen werden, dass keine Maßnahmen gesetzt wurden, welche baurechtlich genehmigungs- oder anzeigepflichtig gewesen wären (die Ausführungen der Bau- und Feuerpolizei bestätigen die Vermutung, welche wir bereits aufgrund der vorliegenden Fotos gehegt haben).

Hätte die Stadt eine rechtliche Möglichkeit gehabt, auch außerhalb des Denkmalschutzes einen Abbruch zumindest temporär zu verhindern?
Im Zuständigkeitsbereich des Amtes BWGS hätte es keine Möglichkeit gegeben.

Welche Schritte wurden von der Stadtplanung wann gesetzt, um eine Schutzstellung zu erreichen?
In den vergangenen Jahren gab es immer wieder Gerüchte, dass das Hotel Europa zum Verkauf stünde. Außerdem gab es auch einige Anfragen von Bauträgern, die sich über Randbedingungen des Bebauungsplanes und etwaige Entwicklungsmöglichkeiten (z.B. Möglichkeit der Aufstockung) des Hotel Europa erkundigten.
Im Herbst 2020 verdichteten sich diese Gerüchte und es wurde bekannt, dass die Bertreibergesellschaft des Hotel Europa den Hotelbetrieb geschlossen hat. Die Stadtplanung hat deshalb umgehend beim Bundesdenkmalamt nachgefragt (Telefonat am 01.10.2020), ob der Saal unter Denkmalschutz steht oder unter Schutz gestellt wird. Die Stadtplanung hat die Auskunft erhalten, dass das Gebäude nicht unter Denkmalschutz steht, dem BDA die Existenz dieses Saales aber bekannt sei und ein Ermittlungsverfahren angestrebt würde. Dafür sollte zeitnah ein Begehungstermin durch das BDA stattfinden. Der Zeitpunkt der Begehung stand damals noch nicht fest.
Die Stadtplanung hatte in dieser Zeit erneut im Zuge von Parteienverkehr Anfragen wahrgenommen, die auch möglichen Neuausrichtungen des langjährigen Hotelstandortes im Rahmen des rechtsgültigen Flächenwidmungsplanes nachgingen. Um eine allenfalls den Zielen widerstrebende Entwicklung hintanzuhalten bzw. Steuerungs- bzw. Eingriffsmöglichkeiten (Flächenwidmungsplan) zu haben, hat die Stadtplanung eine Bausperre für den Bereich des Hotel Europa erarbeitet. Diese wurde am 5.11.2020 dem Ausschuss für Stadtentwicklung, Wohnbau und Projekte vorgelegt, vom Gemeinderat am 19.11.2020 beschlossen und ist seit 11.12.2020 in Kraft.
Von Mitarbeitern der Stadtplanung wurde das Denkmalamt in dieser Zeit (Oktober 2020) bei der Recherche von Planunterlagen unterstützt.
Über die Zerstörung des Inventars des neubarocken Festsaals wurde die Stadtplanung vom BDA am 13.01.2021 per Telefon und per E-Mail durch den Leiter des BDA Walter Hauser informiert.

Welche rechtlichen Möglichkeiten hätte das Bundesdenkmalamt gehabt, um eine offenbar hinausgezögerte Begehung zu erzwingen?
Gemäß § 30 DMSG ist jedermann verpflichtet, zur Ermittlung und Auffindung von Denkmalen und zur Verzeichnung, zur Beaufsichtigung (Kontrolle) und Bewahrung (Rettung) vorhandener Denkmalbestände der in § 1 bezeichneten Art dem Bundesdenkmalamt und dessen Organen alle erforderlichen Auskünfte zu erteilen und diesen (samt Hilfspersonen) die Besichtigung und wissenschaftliche Untersuchung der in Frage kommenden Denkmale und vermuteten Bodenfunde zu gestatten. Besteht Gefahr, dass Denkmale (vor allem entgegen den Bestimmungen der §§ 4 bis 6) zerstört, verändert oder veräußert werden und dadurch das Interesse an der unversehrten Erhaltung des Denkmals wesentlich geschädigt würde, so hat gemäß § 31 DMSG die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde auf Antrag des Bundesdenkmalamtes oder - bei Gefahr im Verzug - von Amts wegen die jeweils geeigneten Maßnahmen (einschließlich baulicher Art), Verfügungen und Verbote zur Abwendung dieser Gefahr zu treffen.

Gibt es stadtinterne Dokumentationen über ein angebliches Verfahren, wonach bereits 1989/90 der Barocksaal unter Schutz gestellt werden hätte sollen? Wenn ja, stellt sich die Frage, weshalb der letzte Akt offenbar nicht vollzogen wurde?
In den Akten der MA III (vormals MA VI) findet sich ein Schreiben des Bundesdenkmalamtes aus dem Jahre 1992 (Beilage 1), in dem unter anderem ausgeführt wird, dass seitens „Frau Dir. Kittler“ um Kennzeichnung des Hotel Europa im Sinne der „Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten vom 14. Mai 1954“ angesucht wurde und wird weiter ausgeführt, dass diesem Antrag stattgegeben wurde. Die Stadt Innsbruck wurde ersucht die vom BDA übermittelten Unterlagen und Kennzeichnungen an die Berechtigten auszuhändigen. Bei den Kennzeichnungen dürfte es sich unter anderem um Schilder wie in Beilage 2 (befindet sich im Eingangsbereich des Hotel Europa) handeln. Unterlagen bzgl. eines darüber hinaus gehenden Verfahrens nach dem Denkmalschutzgesetz liegen nicht vor.

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