Kulturamtsleiterin Isabelle Brandauer und Projektleiterin "Kulturstrategie 2030" Rita Hebenstreit im Interview
„Kulturschaffende nagen am Hungertuch“

Kunst und Kultur kann so vieles sein: Alle Sparten zu berücksichtigen, das ist eine der schwierigen Aufgaben der Kulturstrategie 2030. | Foto: Isser
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Kulturstrategie 2030: Ein langfristiges Projekt, dass Innsbrucks Kulturleben auf die Beine helfen soll.

INNSBRUCK. Die Kulturstrategie 2030 hat sich viel vorgenommen: Sie will eine Vernetzung zwischen den Kunst- und Kulturschaffenden ermöglichen, die prekäre Situation verbessern und das im möglichst breiten Spektrum, also für alle Kunst- und Kulturschaffenden, wie z. B. die Hoch-, Volks-, Sub- und auch Clubkultur. Das STADTBLATT hat sich mit Kulturamtsleiterin Isabelle Brandauer und Projektleiterin "Kulturstrategie 2030" Rita Hebenstreit zum Interview via Videocall getroffen:

STADTBLATT: Was war der Auslöser für die Kulturstrategie 2030?
Rita Hebenstreit: Den Wunsch nach einer Kulturstrategie gab es bei der derzeitigen Vizebürgermeisterin Uschi Schwarzl schon sehr lange. Auch aus der Kulturszene ist der Wunsch an uns herangetragen worden: Die Battlegroup for Art, das ist ein Zusammenschluss verschiedener kultureller Interessenvertreter, hat diesen Prozess schon sehr lange gefordert. 2018 gab es dann ein Arbeitstreffen zwischen der Battlegroup und dem Kulturamt, das war dann der Auslöser. Dafür wurde dann meine Stelle ausgeschrieben – und meine Aufgabe war es, zu schauen, wie man so etwas angeht.

STADTBLATT: Wie sehen Sie die kulturelle Situation in Innsbruck vor Corona?
Isabelle Brandauer: Ich muss sagen, im Amt bin ich erst seit 1. September – vorher war ich im Museumsbereich tätig und habe deswegen die museale Brille aufgehabt. Es wäre vermessen, wenn ich die kulturelle Szene der letzten Jahre skizzieren würde. Aber aktuell ist es natürlich – auch vor dem Hintergrund der Coronapandemie – mehr als schwierig. Der Kulturbereich ist ein sehr prekärer Bereich, auch was die finanzielle Situation betrifft. Wir haben uns auch vor ca. einem Monat mit der Battlegroup getroffen, wo es um den „Fair-Pay“-Prozess ging – das ist jetzt, Gott sei Dank, beim Bund Thema. Da muss man wirklich schauen, dass Bewegung in die Sache kommt und man diesen Prozess beschleunigt, weil die Kulturschaffenden teilweise am Hungertuch nagen. Das hat nicht nur mit Corona zu tun, das ist ein Umstand der schon lange grassiert. Wir sind jetzt alle gefordert, die Situation der Kulturschaffenden auch langfristig zu sichern.

Rita Hebenstreit: Das ist genau der Punkt. Jeder hat seinen Standpunkt und auch die Scheuklappen, die sich entwickeln – das ist immer so, wenn man lange wo dabei ist. Andere sind ganz neu, haben den Weitblick, aber dafür nicht den Tiefblick. Und das ist genau die Idee des Kulturstrategieprozesses: dass man an den Anfang eine Grundlagenarbeit stellt. Vermeintlich kennt man alles, aber ich glaube, es ist sehr wertvoll, immer wieder die eigenen Grenzen in der Kulturarbeit zu überschreiten, indem man neue Kontakte knüpft oder seinen Horizont erweitert. Das ist nicht als Vorwurf zu verstehen, sondern als Angebot. Es wird auch Interviews geben mit ersten Akteuren aus der Kulturszene. Bei den sechs Themen-Workshops kann man dann auch neue Kontakte knüpfen. Das Ergebnis der Kulturstrategie soll nicht sein, dass dann die Stadt gefordert ist 15 Maßnahmen umzusetzen, sondern, dass wir alle gemeinsam, die aktiv sind in dieser Kulturszene, überlegen, was sind Schritte, die wir gemeinsam unternehmen können.

STADTBLATT: Was wird hier unter Kultur verstanden? Gibt es einen Schwerpunkt auf die Ernste Kunst, oder wird hier die ganze Bandbreite über Subkultur, Clubkultur und Volkskultur abgedeckt?
Isabelle Brandauer: Wir haben uns intensiv ausgetauscht und versucht möglichst breit und inklusiv zu denken. So, dass man wirklich alle Sparten und auch alle Altersgruppen erreicht. Die Interessen sind ja wirklich sehr vielfältig und es soll doch ein breites Spektrum eröffnen, damit sich nicht der ein oder andere ausgeschlossen fühlt. Das war schon ein gutes Stück Arbeit und wir sind auch noch nicht ganz am Ende angelangt, bei der Aufstellung unserer Arbeitsgruppe zum Beispiel. Es soll auch ein breiter Beteiligungsprozess bei den Workshops sein.

STADTBLATT: Wer sind denn die Interviewpartner?
Rita Hebenstreit: Das können wir im Moment noch nicht verraten, wir sind gerade noch dabei anzufragen, weil es auch Leute gibt, die sich gar nicht zuständig fühlen und sich wünschen, dass wir jemand anderen befragen. Deswegen wollen wir die Namen noch nicht nennen, aber sie werden im Laufe des Dezembers oder Jänners auf der Website veröffentlicht. Was es gut zusammenfasst ist: Kulturentwicklung ist Stadtentwicklung. Das ist schon ein allgemein anerkanntes Thema, aber bei uns in der Stadt Innsbruck ist es ein besonders hohes Anliegen. Es ist eine Besonderheit, dass wir zwischen Kulturamt und Stadtplanung extrem eng zusammenarbeiten. Es geht auch um übergreifende Themen, also nicht nur „Musik“ oder „bildende Kunst“ – es geht darum, wie wir in Zukunft zusammenarbeiten wollen. Oder: Wie kann Infrastruktur verbessert werden? Es ist sehr übergreifend gedacht. Da ist wichtig zu wissen: Die Kulturstrategie ist ein erster Schritt. Es ist nicht so, dass nach diesem Kulturprozess alles anders ist, sondern dann geht es erst los mit der Arbeit.

Isabelle Brandauer: Mit Betonung auf Prozess.

STADTBLATT: Das heißt, man geht auch davon aus, dass Kunst und Kultur etwas Interdisziplinäres ist und noch verstärkt sein kann und wird?
Rita Hebenstreit: Zunehmend wichtiger, ja. Egal an was man dran geht, es macht Sinn zu schauen, auf was wirkt es und was wirkt auf den eigenen Prozess hinein.

STADTBLATT: Die Website zur Kulturstrategie ist erst seit kurzem online. Gab es schon Rückmeldungen?
Isabelle Brandauer: Doch, ja.

Rita Hebenstreit:
Das gibt es immer wieder, wobei ich präziseren möchte: Der Aufruf ist da, dass sich alle einbringen, aber nicht unbedingt, dass sich alle jetzt melden, sondern wir dann aktiv noch einmal dazu aufrufen. Das Kernelement sind natürlich die sechs Workshops, zu denen wir gezielt Leute einladen werden und auch alle eingeladen sind, die sich betroffen fühlen. Der jetzige Aufruf ist: Tragt euch in den Newsletter ein. Darüber werden wir dann auch informieren. Es gibt auch immer die Möglichkeit sich schriftlich zu melden, Workshops sind nicht jedermanns Sache, aber ich lege es jedem ans Herz – dort wird der intensivste Austausch passieren.

Isabelle Brandauer:
Wenn es aber nur darum geht, Bedürfnisse mitzuteilen, dann kann natürlich auch die Seite der Kulturstrategie genützt werden. Haben auch schon einige gemacht.

Rita Hebenstreit: Ich plädiere sehr dafür, dass man seine Sachen nicht einfach irgendwo lässt, sondern dass man sich auch der Diskussion stellt. Weil eine Kulturstrategie ist immer irgendwo auch ein Kompromiss. Sie wird nie alle Bedürfnisse erfüllen. Aber es ist der Versuch möglichst vielen Bedürfnissen gerecht zu werden und gemeinsam zu versuchen, einen Weg zu gehen. Das ist ja auch die Idee der Demokratie: Man kann es nie allen recht machen, aber meistens relativiert  sich das Bedürfnis in manchen Bereichen oder verschärft sich auch, wenn man es in Diskussion mit anderen stellt. Und das ist unheimlich wertvoll.

STADTBLATT: Wie viel Budget hat die Kulturstrategie 2030 zur Verfügung?
Rita Hebenstreit: Im Moment haben wir 135.000 Euro. Wir sind noch auf der Suche nach weiteren 15.000 Euro, also wenn wir 150.000 Euro haben sind wir ganz gut dabei.

STADTBLATT: Die Kultur befindet sich momentan in einer äußerst prekären Lage, einige sprechen von „Berufsverbot“. Die Kulturstrategie ist ein längerfristiges Projekt – welche Hilfen gibt es kurzfristig?
Isabelle Brandauer: Unser Budget hat sich aufgrund von Corona leider auch nicht vermehrt. Im Frühjahr wurden Arbeitsstipendien ausgegeben – das ist jetzt im Herbst von Seiten des Landes aus noch einmal so gedacht, von der Stadtseite aus gibt es hier unmittelbar nichts. Wir sind jetzt schon zu knapp am Jahresabschluss dran, um das noch einmal in dieser Form zu bewerkstelligen.

Rita Hebenstreit: Die Hauptfördertöpfe liegen hier bei Bund und Land, die Aufgabe der Stadt, so wie ich das mitbekommen habe, ist den Betroffenen da zu helfen und darauf hinzuweisen wo es Hilfen gibt. Ein wichtiger Träger ist da die TKI, die hier enormes leistet, um die Kulturszene zu unterstützen. Wir sind da im Austausch. Auch in den Interviews gibt es eine Frage dazu, wo die Stadt noch mehr unterstützen könnte.

Isabelle Braundauer: Wir versuchen individuell auf die Anliegen der Subventionsanfragen zu reagieren. Wir versuchen entgegenzukommen, indem wir die Nachweisfristen verlängern, indem wir die Budgetmittel, die jetzt durch Corona nicht verwendet wurden, dass diese ins nächste Jahr mitgenommen werden können.

Rita Hebenstreit, Projektleiterin "Kulturstrategie 2030" | Foto: privat
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Isabelle Brandauer, Kulturamtsleiterin der Stadt Innsbruck | Foto: Michelle Hirnsberger
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