Medizinische Universität
Wichtiges Neurofibromin-Gen entschlüsselt

Neue Ergebnisse bringen die Erforschung der Erbkrankheit Neurofibromatose einen großen Schritt voran. | Foto: GenEpi Innsbruck
  • Neue Ergebnisse bringen die Erforschung der Erbkrankheit Neurofibromatose einen großen Schritt voran.
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INNSBRUCK. Dem Strukturbiologen Bernhard Rupp ist es gelungen, erstmals die Molekularstruktur von Neurofibromin in hoher Auflösung zu entschlüsseln. Die Ergebnisse bringen die Erforschung der Erbkrankheit Neurofibromatose einen großen Schritt voran.

Eine der häufigsten Erbkrankheiten

Neurofibromatose ist eine Krankheit, bei der Patientinnen und Patienten teilweise schon im Kindesalter an den unterschiedlichsten Symptomen leiden, welche oftmals von gutartigen oder bösartigen Tumoren der Haut und des Nervensystems hervorgerufen werden. 

„Mit einer
Geburtenhäufigkeit von 1:3000 gehört Neurofibromatose zu einer der häufigsten Erbkrankheiten, und das Verständnis der molekularen Mechanismen dieser Erkrankung ist Voraussetzung für die Entwicklung von therapeutischen Ansätzen und Wirksoffen“

, erklärt Bernhard Rupp, Wissenschaftler am Institut für Genetische Epidemiologie der MedUni Innsbruck. Mit seinem früheren Mitarbeiter Andreas Naschberger und weiteren
Forschenden von der Stockholm University hat er eine Studie durchgeführt, die nun im wissenschaftlichen Fachjournal Nature veröffentlicht wird.

Therapeutische Angriffsfläche

Für die Strukturauflösung des Proteins haben die Wissenschafterinnen und Wissenschaftler eine Technik benutzt, die in den vergangenen Jahren eine Revolution in der Strukturbiologie ausgelöst hat. Mit der kryoElektronen Mikroskopie (cryoEM), für deren Entwicklung 2017 der Nobelpreis für Chemie verliehen wurde, ist es möglich, Projektionen von Abbildungen einzelner makromolekularer Strukturen, eingebettet in einer dünnen amorphen Eisschicht, aufzunehmen. Aus vielen dieser zweidimensionalen Projektionen kann die gesamte dreidimensionale Struktur rechnerisch rekonstruiert werden. Dabei werden mittlerweile Auflösungen erzielt, die es erlauben, die räumliche Anordnung der Proteinmoleküle, oft bereits in atomarem Detail, zu bestimmen. Die aktuelle Publikation zeigt, dass Neurofibromin zwei biologische Zustände einnehmen kann. In einer dieser Anordnungen ist Neurofibromin inaktiv, da seine katalytische Domäne, also ein wichtiger Teilbereich des Tumorsuppressor-Proteins
Neurofibromin, der an das RAS Onkogen bindet, (GRD) durch seine eigene zentrale Kerndomäne sterisch inhibiert ist. Das bedeutet, dass der Zugang der GRD an das Onkoprotein RAS, ein Protein, das bei fehlerhafter Regulierung Krebswucherung verursacht, nicht möglich ist, was zu unkontrolliertem Zellwachstum und Krebs führen kann. In der aktiven Form von Neurofibromin kann die katalytische Domäne durch eine massive Konformationsänderung RAS binden, und RAS kann daher reguliert werden.

„Das Ergebnis zeigt, dass nicht nur RAS selbst wie ein molekularer Schalter an- und
abgeschaltet werden kann, sondern, dass auch Neurofibromin einen inaktiven und aktiven Zustand besitzt"

, erklärt Andreas Naschberger, der das Projekt als Postdoktorand in Innsbruck zusammen mit Rupp konzipiert und das Protein hergestellt hat. Die Struktur erklärt zudem, warum eine Vielzahl krankmachender Mutationen auch außerhalb der katalytischen Domäne auftritt, da für die beschriebene weitreichende Konformationsänderung Neurofibromin flexibel sein muss. Diese notwendige Flexibilität kann durch Mutationen an vielen Stellen des gesamten Proteins effektiv eingeschränkt werden, sodass Neurofibromin nicht mehr in die aktive, funktionelle Form übergehen kann. Aus diesem Grund kann die Krankheit auftreten, auch wenn die Mutationen nicht in der katalytischen Domäne liegen.

Revolutionäre Technik

„Es ist erstaunlich, wie sich die Strukturbiologie und damit die gesamte biologische und
biomedizinische Forschung durch cryoEM verändert hat und noch verändern wird. Mit
modernsten Instrumenten und neuen Detektoren können Daten über Nacht aufgenommen und oft in wenigen Tagen prozessiert werden. Mittels cryoEM ist es somit möglich, viele verschiedene, biologisch relevante molekulare Konformationen flexibler Strukturen in kurzer Zeit zu entschlüsseln“

, sagt Rupp. Dank laufender Weiterentwicklung seien diese high-end cryoEM-Instrumente auch für Universitäten finanzierbar geworden.

„Die Anschaffung einer leistungsfähigen biomolekularen cryoEM-Anlage wäre auch am
Forschungsstandort Innsbruck sinnvoll“

, so Rupp. Denn erst nach Naschbergers Übersiedelung nach Schweden konnten die Arbeiten an der eigentlichen Strukturbestimmung in der cryoEM-Abteilung abgeschlossen werden. Naschberger und Rupp haben anschließend die Struktur von Neurofibromin verfeinert und öffentlich zugänglich gemacht.
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