Gemeindetag
Landesüblicher Empfang und "auf ein Wort mit BK Nehammer"

Tiroler Tradition und heimischen Spitzenpolitik vereint.  | Foto: Gemeindebund
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Mit einem landesüblichen Empfang startete der zweite Tag des 69. österreichischen Gemeindetages in Innsbruck. Die Vertreterinnen und Vertreter der Gemeinde haben inaltlich einige Schwerpunkte gesetzt. Erstmals war die Tagung der Europa-Gemeinderätinnen und Europa-Gemeinderäte in den Österreichischen Gemeindetag integriert.

INNSBRUCK. Die Schützenkompanie Grinzens, die Bundesmusikkapelle Grinzens sowie die Abordnungen der Traditionsverbände unter dem Gesamtkommando von Landeskommandant Major Thomas Saurer eröffneten den zweiten Tag vor der Messe in Innsbruck. Neben der kommunalpolitischen Haupttagung, dem Treffen der Europagemeinderätinnen und -räte und dem Informationsangebot auf der Kommunalmesse stand auch ein Small-Tal unter dem Motto "Auf ein Wort mit BK Nehammer" auf dem Programm.

Auftakt zum zweiten Tag mit einem landesüblichen Empfang. | Foto: Hassl
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Haupttagung

Unter den Gästen und Rednern: Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, Bundeskanzler Karl Nehammer, Frauen- und Familienministerin Susanne Raab, Innenminister Gerhard Karner, Finanzminister Magnus Brunner, Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig, Staatssekretär Florian Tursky, Landeshauptmann Anton Mattle, Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher, Städtebund-Generalsekretär Thomas Weninger sowie zahlreiche Mandatare aus Bund und Ländern. Vor über 2.000 versammelten Gemeindevertreterinnen und -vertretern betonten alle die nicht zu unterschätzende Bedeutung der Gemeinden für Österreich. Der Gemeindetag steht unter dem Motto „Lokal. Regional. Europäisch. Gemeinden im Herzen Europas.“ und rückt die Europaregion „Tirol-Südtirol-Trentino“ in den Fokus. Erstmals findet im Rahmen des Österreichischen Gemeindetages auch die Tagung der Europagemeinderäte statt.

Schneidiger Aufmarsch der "Grinziger" beim Gemeindetag

Bundespräsident Alexander Van der Bellen: „In den Gemeinden sind die Bürgermeister täglich mit den Sorgen und Wünschen der Menschen, die sie persönlich kennen, konfrontiert. Daher wissen sie auch, wo den Landsleuten der Schuh drückt. Sie müssen Druck aushalten, viele Entscheidungen treffen, die dem Allgemeinwohl dienen, aber manchen nicht gefallen. Nicht umsonst ist das Vertrauen in die Ortschefs groß, da es hart erarbeitet ist.“ Aufgrund der Teuerung steigen die Nöte und Sorgen der Menschen. Auch die Gemeinden sind von den höheren Kosten betroffen. „Die Gemeinden sind Wellenbrecher gegen die Armut“, so der Bundespräsident, der zum Abschluss seiner Rede betont, dass „Wissen und Erfahrungen der Gemeinden ganz Österreich voranbringen, denn die kleinste Einheit ist auch unser größter Lehrmeister.

Messerundgang von Bundeskanzler Karl Nehammer auf der Kommunalmesse. | Foto: BezirksBlätter
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Bundeskanzler Karl Nehammer ging in seiner Festansprache ebenfalls auf das hohe Vertrauen in die Kommunen und den Österreichischen Gemeindebund ein. „Die Bundesregierung hat größtes Vertrauen in die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister. Daher haben wir auch die Mittelausschüttung bei der Gemeindemilliarde so unbürokratisch organisieren können. Es braucht dieses starke und vertrauensvolle Zusammenarbeiten“, so der Kanzler. Weiters dankte er den Kommunen für ihre solidarische Hilfe für die Ukraine und die ukrainischen Vertriebenen, von denen ja mehr als 90.000 Menschen in den Gemeinden aufgenommen wurden. „Österreich steht jedenfalls an der Seite der Ukraine. Diese Hilfe zeigt, wie stark eine solidarische Gesellschaft sein kann“, so Nehammer. Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister stehen für den Kanzler an der „Spitze der Wehrhaftigkeit. Sie haben niemals Pause und sind immer für die Menschen da.“ In einer Zeit der Unsicherheit, mit Krieg in Europa, gebe es immer wieder Kräfte, die versuchen Ängste zu kapitalisieren. Hier braucht es Menschen, die wehrhaft sind, ein festes Wertekorsett haben und Ängste nehmen, indem sie da sind, zuhören und helfen. „Selbst, wenn die Krise noch so groß ist, so sehr bewährt sich dieses Land, die Menschen“, betont Nehammer. Jedenfalls gelte es nun nach neuen Lösungen zu suchen, weil sich die Zeiten verändert haben. Mit alten Konzepten könne man nicht die Probleme von heute lösen.

„Als politisch Verantwortliche haben wir die Pflicht, das Leben der Menschen besser zu machen. Die Gemeindevertreter sind Garanten dafür, dass wir uns von den Krisen nicht erschüttern lassen.“

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka: „Durch die vielen Krisen ist das Vertrauen in Parteien, in Repräsentanten der Parteien und ins Parlament gesunken. Aber in den Gemeinden gibt es weiterhin hohes Vertrauen, denn die Bürgermeister leben die Bürgernähe. Und das ist ein wichtiger stabilisierender Faktor für die Demokratie.“ Es gelte jedenfalls jeden Tag an der Demokratie zu arbeiten. Herausfordernde Tendenzen in ganz Europa verstärken den Druck auf die Demokratie. Auch beim Umgang mit der künstlichen Intelligenz gehe es um Vertrauen.

Stabilität, Sicherheit und Geschwindigkeit im Fokus

Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl betont als Gastgeber des 69. Österreichischen Gemeindetages, dass die Anwesenheit der Spitzenpolitik inklusive Staatsspitze in Innsbruck die große Bedeutung der Gemeinden unterstreiche. Sie schaffen Heimat für die Landsleute. Eine wichtige Rolle spielt dabei auch das Ehrenamt. Riedl: „Die Vereine dürfen nicht in Bürokratie ersticken und mit Haftungsfragen überfordert werden.“ Mit Blick auf die laufenden Finanzausgleichsverhandlungen ist die Botschaft des Gemeindebund-Präsidenten klar: „Es braucht mehr Geld für die Gemeinden!“ Beim Thema Raumordnung brauche es belastbares Zahlenmaterial. Riedl ist zuversichtlich, dass man die überaus wichtige Bodenstrategie noch auf die Reihe bekomme.

Der DenkSportWeg der Diözese Innsbruck präsentierte sich auf der Kommunalmesse. | Foto: BezirksBlätter
  • Der DenkSportWeg der Diözese Innsbruck präsentierte sich auf der Kommunalmesse.
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In allen Redebeiträgen des Tages wurde das Thema Finanzen und der Finanzausgleich angesprochen. Der Ansprache von Finanzminister Magnus Brunner wurde daher aufmerksam gelauscht. „Bürgermeister und Finanzminister haben manchmal dieselben Aufgaben: Den Menschen erklären, dass etwas nicht geht“, so Brunner. Die großen Herausforderungen der letzten Jahre wurden jedenfalls gut bewältigt. So gab es in Österreich im letzten Jahr fünf Prozent Wachstum.

„Aktuell verhandeln wir über den nächsten Finanzausgleich und damit über die künftige Verteilung von Steuergeld. Aber – und das ist mir wichtig zu betonen – wir reden nicht einfach nur über „mehr Geld“. Wir diskutieren auch über klare Aufgabenverteilung, gemeinsame Verantwortungen und messbare Kriterien“, so Brunner.

„Österreich war immer stark, wenn sich die Verantwortungsträgerinnen und Verantwortungsträger an einen Tisch gesetzt und an einem Strang gezogen haben. Ich bin zuversichtlich, dass, wenn die Verhandlungen in die heiße Phase kommen, alle Finanzausgleichspartner nicht nur die eigenen, sondern auch die Interessen des jeweiligen Gegenübers im Auge haben werden. Am Ende wird eine gute und partnerschaftliche Lösung im Interesse der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler stehen“, betont der Finanzminister.

Innenminister Gerhard Karner, der als ehemaliger Bürgermeister und Bundesvorstandsmitglied des Gemeindebundes schon einiges an Gemeindetags-Erfahrung hat, berichtet über die aktuellen gemeinderelevanten Themen aus seinem Ressort, wie etwa die Wahlrechtsreform oder Digitalisierung. „Durch die Änderung des Wahlrechts haben wir den Samstag als Eintragungszeitraum für Volksbegehren gestrichen - eine große Erleichterung für die Gemeinden“, so Gerhard Karner. „Die Digitalisierung hat unser Leben nachhaltig verändert. Mit einer Vielzahl an Chancen durch die Digitalisierung sind natürlich auch Gefahren verbunden. Die Polizei ist in Fragen der Cyber-Sicherheit ein verlässlicher Partner für die Gemeinden“, so der Innenminister.

Landwirtschafts- und Regionenminister Norbert Totschnig ging auf die Bodenstrategie ein. „Für die Umsetzung braucht es jedenfalls die Gemeinden und Länder. Es braucht auch Standorte für erneuerbare Energie, Wohnraum, Betriebsentwicklung aber auch Lösungen für effiziente Innenentwicklung“, so Totschnig. Er berichtete auch über die Förderprogramme LEADER und INTERREG, bei denen sich Regionen und Kommunen viele Fördermittel zur Unterstützung abholen können.

Staatssekretär Florian Tursky: „Die digitale Infrastruktur ist Teil der Daseinsvorsorge“, so Tursky. Bis 2030 soll es überall Gigabit-fähiges Internet geben. Im letzten Jahr wurden 900 Millionen Euro in den Breitbandausbau investiert. Auch dieses Jahr gibt es einen weiteren Call, um die weißen Flecken in der Breitbandversorgung zu schließen. In Sachen Künstliche Intelligenz sieht er die Aufgabe des Staates darin, die Herausforderungen aufzuzeigen und gleichzeitig die Ängste zu nehmen.

"Auf ein Wort mit BK Nehammer" im "saunamäßigen" Festzelt. | Foto: BezirksBlätter
  • "Auf ein Wort mit BK Nehammer" im "saunamäßigen" Festzelt.
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Frauen- und Familienministerin Susanne Raab dankte den Gemeinden für ihre Leistungen für die Familien im Land. Ihre Vision ist es, „Österreich zum Familienland Nummer 1 zu machen. Ich will, dass jede Familie das Lebensmodell wählen kann, das sie möchte. Die Gemeinden schaffen dabei ein kinderfreundliches Umfeld“, so Raab. Sie hebt den bisherigen Einsatz der Gemeinden bei der Organisation der Kinderbetreuung hervor. Im Rahmen des Gemeindetages werden auch zahlreiche familienfreundliche Gemeinden ausgezeichnet. Mittlerweile gibt es mehr als 600 familienfreundliche Gemeinden im Land.

Tirols Landeshauptmann Anton Mattle erläutert in seiner Ansprache, warum die Gemeinden so wichtig für die Gesellschaft sind. Er selbst war 29 Jahre und zwei Monate lang Bürgermeister von Galtür und kennt daher die Sorgen und Anliegen der Kommunen aus eigener Erfahrung. „Im Wort Gemeinde steckt auch Gemeinschaft drinnen und gerade in Krisen ist die Gemeinschaft wichtig, da es gilt, alle Teile der Bevölkerung am Weg mitzunehmen“, so Mattle. Der Österreichische Gemeindebund ist einer der ganz großen Verantwortungsträger im Bund, der 70 Prozent der Bevölkerung repräsentiert. „Die Bundesländer und der Gemeindebund haben sich in Sachen Finanzausgleich positioniert. Alle tragen gemeinsam Verantwortung fürs große Ganze. Es geht um Bürgergeld und Steuergeld und wir müssen nun das Geld richtig umverteilen, damit ein Land wie Österreich gut funktionieren und soziale Sicherheit und Wohlstand anbieten kann.“

Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher dankt dem Bund, dem Land Tirol und den Gemeinden für die Unterstützung bei allen Fragen der Autonomie seines Bundeslandes. Für ihn begleiten die Gemeinden „die Bürger von der Wiege bis zur Bahre mit ihren Dienstleistungen“. Sie haben auch eine wichtige Rolle bei der Implementierung von Maßnahmen gegen den Klimawandel. Ein Großteil der Maßnahmen findet auf kommunaler Ebene statt. Klar sei, dass sich „Europa nur von unten, von der Basis bauen lässt“, so Kompatscher.

Bürgermeister Georg Willi: „In den Gemeinden ist man nah am Pulsschlag der Bevölkerung. Man spürt, wenn es mit dem Puls bergauf oder bergab geht. Entscheidungen in den Kommunen selbst sind direkt spürbar bei den Menschen vor Ort. Die Gemeinden sind daher wichtige Seismographen für die Stimmung der Menschen. Wir spüren auch Nicht-Entscheidungen, wie eine fehlende Mietpreisbremse.“ Seine Bürgermeisterkollegen bittet Willi, eng zusammenzuarbeiten und von den Konzepten der anderen zu lernen. Er appelliert an Finanzminister Magnus Brunner, bei der finanziellen Ausstattung der Gemeinden ein großes Herz zu zeigen.

Städtebund-Generalsekretär Thomas Weninger ergänzt, dass zwischen Gemeindebund und Städtebund in Sachen Finanzausgleich kein Blatt Papier passe. Der Gemeindetag ist für ihn auch wie eine „kommunale Selbsthilfegruppe“, wo Gemeinden und Städte über ihre Probleme reden. Die vielen Aufgabenbereiche bringen große Herausforderungen für die Gemeinden, wie Elementarpädagogik, Bildung und Soziales. Ein weiterer Punkt ist die Bewältigung des Klimawandels und die Verkehrswende. In Richtung Raumordnungskonferenz sagt der Generalsekretär, dass noch eine Konkretisierung fehlt, was Bodensparen im Detail bedeutet. Das Umweltbundesamt habe den Auftrag, entsprechende Methoden vorzulegen. So werde man für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs auch Boden in Anspruch nehmen müssen.
 

Resolution

Im Rahmen der Sitzung des Bundesvorstandes am 69. Österreichischen Gemeindetag in Innsbruck hat das höchste Gremium des Österreichischen Gemeindebundes parteiübergreifend eine Resolution beschlossen. Mit der Resolution „Finanzausgleich ab 2024: Kommunale Strukturen und Finanzen stärken“ will der Gemeindebund die finanziellen Rahmenbedingungen aller Kommunen absichern. Die Gemeinden – und auch die Länder – sind in vielen Bereichen von einer hohen Ausgabendynamik betroffen, wie etwa in den Kindergärten, den Schulen, im Gesundheits-, Pflege- und Sozialbereich.

Gemeindetag steht im Zeichen des europäischen Miteinanders

Erhöhung gefordert

Damit die Gemeinden in den kommenden Jahren die vielen finanziellen Herausforderungen stemmen können, fordert der Bundesvorstand unter anderem eine substanzielle Erhöhung des Anteils der Gemeinden an den Ertragsanteilen von derzeit 11,849 Prozent auf 14,55 Prozent. Außerdem soll der Strukturfonds zur Unterstützung finanzschwacher Gemeinden auf 150 Millionen Euro angehoben werden. Strukturelle Maßnahmen im Gesundheits- und Pflegebereich sind ebenso gefragt, wie eine deutliche Aufstockung des Pflegefonds. Im Schulbereich erwarten sich die Gemeinden eine Entflechtung bei den Kompetenzen. Gemeinden sollen von der Pflicht der Bereitstellung von pädagogischem Personal in ganztägigen Schulformen entbunden werden. Die Kosten der Digitalisierung des Unterrichts seien außerdem zur Gänze vom Bund zu tragen. Das überholte Schularztwesen solle außerdem endlich reformiert werden, wofür der Gemeindebund bereits vor Jahren ein Modell vorgelegt hat. Im Kindergartenbereich sollen den Gemeinden auch die finanziellen Mittel zur Verfügung stehen, um die vielen Vorgaben und Anforderungen von Bund und Ländern erfüllen zu können. Ein Thema, das die Gemeinden und Städte seit Jahren fordern, soll nun bis Ende 2024 umgesetzt werden: die Reform der Grundsteuer.

Bei den Vorführungen der Cobra wurde jede "Aussichtsplattform" genutzt. | Foto: BezirksBlätter
  • Bei den Vorführungen der Cobra wurde jede "Aussichtsplattform" genutzt.
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Europa-Gemeinderat

Über 100 Europa-Gemeinderätinnen und Europa-Gemeinderäte nehmen am 22. Juni 2023 an der Jahrestagung der Initiative im Rahmen des 69. Österreichischen Gemeindetages in Innsbruck teil. Europaministerin Karoline Edtstadler streicht aus diesem Anlass hervor: „Erstmals ist die Tagung der Europa-Gemeinderätinnen und Europa-Gemeinderäte in den Österreichischen Gemeindetag integriert. Das zeigt bereits, wie eng verzahnt diese beiden Ebenen, die europäische und die kommunale, sind“, hält Edtstadler fest. „Die Gemeinden sind die unverzichtbare Lebensader für das Zusammenleben in Österreich und in der Europäischen Union“, betont die Europaministerin.

„Wo, wenn nicht in unseren Gemeinden, wissen die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die Gemeinderätinnen und Gemeinderäte am besten über die Sorgen, Anliegen und Wünsche der Menschen Bescheid? Und wie, wenn nicht auf dieser Ebene und durch den unmittelbaren, direkten Kontakt mit der Bevölkerung, können wir Lösungen für die Herausforderungen unserer Zeit finden? Ob Energieversorgungssicherheit, Migration, Klimawandel oder Digitalisierung – diese Themen betreffen zuallererst die Bürgerinnen und Bürger vor Ort. Entscheidungen auf europäischer Ebene benötigen daher das kontinuierliche Feedback der lokalen und regionalen Ebene.“

‘Europa fängt in der Gemeinde‘ an, so lautet der Leitspruch der Initiative seit ihrem Beginn. Denn die EU befindet sich nicht in Brüssel oder Straßburg, sondern dort, wo die Menschen leben und arbeiten. Genau dort setzt die Initiative an, nahe an den Bürgerinnen und Bürgern.“ Als Plattform für Austausch und Vernetzung, Fortbildung und Unterstützung, etwa bei der Beantragung von EU-Fördergeldern, würden die Europa-Gemeinderätinnen und Europa-Gemeinderäte wichtige Aufgaben übernehmen, bedankt sich die Europaministerin: „Euer Engagement ist Garant dafür, dass der europäische Gedanke aktiv gelebt wird – durch konkrete Projekte, durch persönliche Gespräche, kurz, durch Euren Einsatz und Enthusiasmus! Ihr macht die Europäische Union vor Ort erlebbar, spürbar und sichtbar.“

Bewusstseinschaffung

Der Präsident des Österreichischen Gemeindebundes, Alfred Riedl, erläutert anlässlich der Tagung der Europa-Gemeinderätinnen und Europa-Gemeinderäte: „Wir spüren seit Jahren, dass Informationen über und Vertrauen in die EU immer weniger in den Gemeinden ankommen. Daher ist es verstärkt unsere Aufgabe als Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, aber auch Europa-Gemeinderätinnen und Europa-Gemeinderäte, die EU und die europäischen Themen noch besser für die Menschen in den Gemeinden zu erklären. Denn alles, was wir vor Ort den Gemeindebürgerinnen und Gemeindebürgern nicht erklären können, kommt bei den Menschen nicht an.“ Dies gelte für alle Themen, betont der Präsident des Österreichischen Gemeindebundes: „Es ist also unsere Verantwortung, die in Brüssel beschlossenen Entscheidungen vor Ort einfach, prägnant und rasch zu erklären, beispielsweise, wieso das Wasser aufgrund einer EU-Wasserrichtlinie verteuert worden wäre, wenn wir nicht rechtzeitig massiv dagegen aufgetreten wären, oder wieso der europäische Außengrenzschutz nicht funktioniert – und das werden wir in gelebter Praxis weiterhin tun. Ich bin sehr dankbar, dass diese Tagung hier in Innsbruck stattfindet, sie schafft noch mehr Bewusstsein bei allen Beteiligten für unsere Aufgaben und Herausforderungen. Gleichzeitig können wir in diesem Rahmen auch gemeinsam an Lösungen arbeiten und gestärkt an die Arbeit gehen.“

„Best Practice“-Projekte

Wie die Umsetzung von EU-Projekten auf lokaler und regionaler Ebene erfolgreich gelingen kann, zeigen beispielhaft vier Europa-Gemeinderätinnen und Europa-Gemeinderäte aus vier unterschiedlichen Bundesländern: So präsentiert Gerda Schnetzer-Sutterlüty (Europa-Gemeinderätin in Sulz, Vorarlberg) im Rahmen der Tagung das Buch „Briefe an Angelika Kauffmann – Zeilen in die europäische Vergangenheit“. Robert Hirsch (Europa-Gemeinderat in Arnfels, Steiermark) setzt mit „Café Europa“, einem „EU-Familienradwandertag“ und der „EU-Damenfreundschaft“ dies- und jenseits der steirisch-slowenischen Grenze Akzente. Renate Habetler (Europa-Gemeinderätin in Bernstein, Burgenland) berichtet von ihren Aktivitäten – vor allem davon, wie die Vorteile der Europäischen Union in den Fokus gerückt werden können. Felix Hell (Europa-Gemeinderat in Telfs, Tirol) unterstreicht die Bedeutung von EU-Mitteln für die Umsetzung von Projekten, etwa im schulischen Bereich durch Comenius (Erasmus+) oder im Rahmen des Vereins Regionalmanagement Innsbruck-Land (LEADER – Programm für die Entwicklung des ländlichen Raums).

Erfolgsprojekt aus Österreich

Das abwechslungsreiche Tagungsprogramm beinhaltet unter dem Titel „Inside Europa“ mit einer Rede von Peter Launsky-Tieffenthal, Generalsekretär für auswärtige Angelegenheiten im Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten (BMEIA), exklusive Einblicke hinter die Kulissen des europäischen Geschehens. Wie wichtig die bürgerinnen- und bürgernahe Kommunikation über EU-Themen ist, betonen die Mitglieder des Europäischen Parlaments Theresa Bielowski, Barbara Thaler, Monika Vana und Angelika Winzig in Form von Impulsreferaten und bei einer von Sabine Amhof moderierten Diskussion. Von 6. bis 9. Juni 2024 finden in allen EU-Mitgliedstaaten die Europawahlen statt, und die Europa-Gemeinderätinnen und Europa-Gemeinderäte spielen eine Schlüsselrolle, wenn es darum geht, eine möglichst hohe Wahlbeteiligung zu erzielen.

Richard Kühnel (Direktor für die Vertretung und Kommunikation der Europäischen Kommission in den EU-Mitgliedstaaten) bietet Rückblicke und Ausblicke – zum einen auf die Entstehung und Anfänge der Initiative im Jahr 2010, zum anderen auf die weitere Entwicklung aus Sicht der Europäischen Kommission. Denn hier hat Österreich Vorbildwirkung: Die Initiative wird, anhand der Erfolgsgeschichte aus Österreich und unter dem etablierten Leitspruch „Europa fängt in der Gemeinde an“, aktuell in den anderen EU-Mitgliedstaaten ausgerollt. Ein vom Bundeskanzleramt betriebener Informationsstand stellt allen Interessierten an zwei Tagen zudem ausführliches Material über die Initiative zur Verfügung.

Über die Initiative

Die seit 2010 existierende, überparteiliche Initiative zählt mittlerweile über 1.600 Europa-Gemeinderätinnen und Europa-Gemeinderäte in allen neun Bundesländern. Ihr Ziel ist es, eine kommunikative Brücke zwischen den Anliegen der Menschen auf lokaler und regionaler Ebene und den europäischen Institutionen zu bauen. Die auf ehrenamtlicher Basis tätigen Europa-Gemeinderätinnen und Europa-Gemeinderäte fungieren als Informationsdrehscheibe für EU-Themen in ihren Gemeinden. Das Bundeskanzleramt unterstützt dabei durch zahlreiche Services und Angebote, darunter Informationsmaterialien (quartalsweise erscheinendes Printmagazin „Unser Europa. Unsere Gemeinde.“, monatlicher Newsletter), den direkten Austausch mit der Europaministerin im Rahmen von „Europa-Sprechstunden“ (online/offline), mehrtägige Studienreisen zu den europäischen Institutionen in Brüssel, eine spezifische Web-Plattform mit Login-Bereich oder regelmäßige Veranstaltungen zur Fortbildung und Vernetzung. Partner der Initiative sind neben dem Bundeskanzleramt (Federführung) das BMEIA, die Europäische Kommission – Vertretung in Österreich, das Europäische Parlament – Verbindungsbüro in Österreich und der Österreichische Gemeindebund. Weitere Informationen: www.europagemeinderaete.at

Daseinsvorsorge, Energiewende und Migration

Rund um den Gemeindetag sind auch sozialdemokratische Persönlichkeiten aus dem ganzen Land zusammengekommen, um sich unter dem Dach des GemeindevertreterInnenverbands (GVV) über Chancen und Herausforderungen in ihren Heimatorten zusätzlich auszutauschen. Unter ihnen: Georg Dornauer, langjähriger Bürgermeister von Sellrain und nunmehr erster Landeshauptmann-Stellvertreter. Er verweist auf essentielle Fragen wie Daseinsvorsorge, Energiewende und Migration. „Meine Zeit als Bürgermeister hat mich vor allem eines gelehrt: Ein gutes Leben steht und fällt immer in den Gemeinden. Dort leben die Menschen, dort arbeiten sie, dort wird Landes- und Bundespolitik in vielen Fällen erst zur Realität. Die Sozialdemokratie sehe ich da wie dort, in den großen Städten wie in den kleinen Dörfern, als das beste Rezept für eine schöne, lebenswerte Heimat. Der Fokus auf den Menschen verbindet uns. Deshalb freut es mich besonders, die sozialdemokratischen Gestalterinnen und Gestalter aus dem ganzen Land hier bei uns in Innsbruck begrüßen zu dürfen“, so Dornauer. Mehr finanzielle Unterstützung für die Gemeinden bei der Bewältigung ihrer vielen Aufgaben sieht Dornauer derweil als „ein Gebot der Stunde“. Das bestätigt auch der Zirler Bürgermeister Thomas Öfner, der 2021 die Nachfolge von Dornauer als Tiroler GVV-Vorsitzenden angetreten hat. „Vom ersten Tag bis ins hohe Alter ist eine Gemeinde für ihre Menschen da. Das ist mit zahlreichen Herausforderungen verbunden, doch die Gemeinden wissen ganz genau, wie es geht und wo der Schuh drückt. Was es wirklich braucht, ist schlicht und ergreifend ein Finanzausgleich, der den Gemeinden mehr Luft zum Atmen lässt“, so Öfner. Den Ball beim Bund sieht in dieser Hinsicht der GVV-Bundesvorsitzende Andreas Kollross: „Wir sorgen für die Kinderbetreuung, sorgen für das Trinkwasser, halten Straßen instand und pflegen unsere Älteren. Deshalb geht es bei unseren Forderungen nach mehr Unterstützung nicht um Bürgermeisterinnen und Bürgermeister. Es geht uns um die Menschen, die bei uns leben. Deshalb werden wir als GVV auch nicht lockerlassen“, stellt der Bürgermeister von Trumau in Niederösterreich klar.

GVV-Bundevorsitzender Andreas Kollross, Bürgermeisterin Manuela Zebenholzer (Hollenstein a. d. Ybbs), LH-Stv. Georg Dornauer, Bürgermeisterin Victoria Weber (Schwaz), Vizebürgermeisterin Julia Schmid (Hall) und Thomas Öfner (v.l.), Vorsitzender des GVV Tirol und Bürgermeister von Zirl | Foto: SPÖ
  • GVV-Bundevorsitzender Andreas Kollross, Bürgermeisterin Manuela Zebenholzer (Hollenstein a. d. Ybbs), LH-Stv. Georg Dornauer, Bürgermeisterin Victoria Weber (Schwaz), Vizebürgermeisterin Julia Schmid (Hall) und Thomas Öfner (v.l.), Vorsitzender des GVV Tirol und Bürgermeister von Zirl
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Bodenschutz-Strategie gefordert

Anlässlich des Gemeindetages fordern die Grünen Bürgermeister Georg Willi (Innsbruck), Rudi Hemetsberger (Attersee) und Frank Matt (Lochau am Bodensee) einen verstärkten Einsatz vom Gemeindebund und den Landeshauptleuten für eine starke und verbindliche Bodenschutz-Strategie. Georg Willi: „Boden ist nicht vermehrbar. Die Bekämpfung der Klimakrise ist die drängendste Aufgabe unserer Zeit, eine konsequente Bodenschutzstrategie eines der wichtigsten Mittel im Kampf gegen diese akute Bedrohung. Die Bevölkerung erwartet sich zurecht, dass wir jetzt entschlossen handeln. Die Erhaltung unserer Lebensgrundlage duldet keinen Aufschub und verlangt verbindliche und effiziente Vorgaben - gerade für die Kommunen.“ Rudi Hemetsberger: „Boden ist nicht nur Wasser- und CO2-Speicher und schützt uns damit vor Naturgefahren und der Klimakrise, sondern ein gesunder Boden ist auch die Grundlage unserer Landwirtschaft. Unverbaute Böden sind das Fundament unserer eigenständigen Ernährung und verdienen höchsten Schutz. Dieser kann nur durch verbindliche Zielvorgaben erreicht werden.“ Frank Matt: „Wir brauchen dringend eine Bodenschutzstrategie mit verbindlichen Zielen, damit wir unsere fruchtbaren Böden im Rheintal und am Bodensee auch für die nächsten Generationen erhalten. Als Bürgermeister kämpfe ich um jeden Quadratmeter, denn ein sparsamer Umgang mit Grund und Boden hat für mich oberste Priorität“.

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