Frei im Theater: Eine Familie
Showdown in der Familienhölle

Nicht von ungefähr hat Regisseur Stefan Maurer für diese Schlüsselszene das Tableau des letzten Abendmahles gewählt: denn nach dieser Zusammenkunft wird die gesamte Familie auseinanderfallen.  | Foto: Birgit Gufler
  • Nicht von ungefähr hat Regisseur Stefan Maurer für diese Schlüsselszene das Tableau des letzten Abendmahles gewählt: denn nach dieser Zusammenkunft wird die gesamte Familie auseinanderfallen.
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  • hochgeladen von Christine Frei

Das ist meine Familie!“ Diesen Satz, erzählt Autor Tracy Letts, bekomme er am häufigsten zu hören, wenn Menschen mit ihm über sein Stück sprechen. Man mag sich das kaum vorstellen. Denn was sich in „Eine Familie“ abspielt, ist derart zerstörerisch und grausam, dass einem bei den zielsicheren verbalen Rundumschlägen von Matriarchin Violet immer wieder der Atem stockt. Gleichzeitig kann man angesichts ihrer rücksichtlos ausgespuckten Wahrheiten oft gar nicht anders als einfach lauthals loslachen. Violet ist eine tablettenabhängige krebskranke Paradenarzisstin, toxisch durch und durch - Tracy Letts verpasst ihr sinnigerweise Mundhöhlenkrebs. Aber sie ist gleichzeitig in ihrer Monstrosität auch eine grandiose Bühnenfigur – und eine Paraderolle für Janine Wegener, die erst zuletzt in Jelineks „Schnee Weiss“ mit dem Monolog der Autorinnenfigur brillierte und nun gewissermaßen zum Abschied nach sagenhaften 18 Jahren hier im Ensemble des Tiroler Landestheaters noch einmal mit ihrem ganzen Können auftrumpfen darf. Meryl Streep hat diese Rolle in der Kinoverfilmung von „August: Osage Country“ (so auch der originale Stücktitel) einst eine Oscarnominierung eingebracht, ebenso Julia Roberts in der Rolle von Violets vermeintlicher Lieblingstochter Barbara, die hier von Sara Nunius verkörpert wird.

Eindrucksvolles Ensemblestück
Erfinden musste Letts Violet nicht, die eigene Großmutter ist dafür Pate gestanden, und seine Mutter, selbst eine Bestsellerautorin, meinte nach der Lektüre: „Du warst sehr nett zu meiner Mutter.“ Vermutlich kann man sich diesem Stück auch genau deshalb kaum entziehen, weil man die dringliche Wahrhaftigkeit darin einfach in jeder Textzeile  spüren kann. Und wir natürlich alle nur zu gut wissen, dass die so genannte heile Familienwelt schlichtweg ein Mythos ist. Stefan Maurer nutzt für seine Inszenierung die gesamte Bühne des Großen Hauses und öffnet sowohl für den Abgang von Tochter Barbara wie gleich zu Beginn für jenen von Violets Mann Beverly (Kristoffer Nowak) die vierte Wand zum Publikum. Luis Graninger zeichnet in seinem weitläufigen Bühnenbild ein desolates Anwesen mit zwei seitlichen beengten Rückzugsmöglichkeiten. Das bei Beverlys Beerdigung unvermeidliche Familienzusammentreffen endet unweigerlich in einem fatalen Showdown. Und nachdem alle lang gehüteten Geheimnisse offengelegt sind, steht Violet zuletzt wenig verwunderlich allein da. „Eine Familie“ ist ein großartiges Ensemblestück, in dem jede Figur mit all ihren Brüchen und Lebenslügen eindrucksvoll aufleuchten darf. Zudem gibt es ein spannendes Wiedersehen mit Lisa Hörtnagl, die entgegen ihren sonst üblichen Powerfrauenrollen hier als Violets vielfach gebrochene Tochter Ivy brilliert.

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