Club Tirol - Bodenfraß
Stopp dem zunehmenden „Bodenfraß“ - mit UMFRAGE

Das Problem "Bodenfraß" (Flächenverbrauch, Bodenversiegelung) macht auch vor den Tiroler Regionen nicht Halt. | Foto: Kogler
  • Das Problem "Bodenfraß" (Flächenverbrauch, Bodenversiegelung) macht auch vor den Tiroler Regionen nicht Halt.
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Virtuelle Club Tirol-Diskussion zur Problematik "Bodenversiegelung und Flächenverbrauch".
WIEN, TIROL, BEZIRK KITZBÜHEL. Ein wahrlich „heißes Eisen“ hat der Club Tirol bei seinem jüngsten virtuellen Meeting aufgegriffen: Was tun gegen die Bodenversiegelung, den grassierenden Flächenverbrauch in ganz Österreich und im Speziellen in Tirol (und im Bezirk, Anm.). Eines scheint dabei klar – so wie in den letzten Jahren darf man mit der nicht vermehrbaren Ressource Boden nicht mehr umgehen. Von wild wachsenden Gewerbegebieten auf der grünen Wiese, teuren Ferienwohnsitzen am Berghang oder dem Traum vom Einfamilienhaus heißt es da wohl Abschied nehmen.

„Es ist ein sehr komplexes Thema“, stellt Club Tirol Präsident Julian Hadschieff klar. Vier Experten brachten beim Meeting eine Menge Aspekte zum Thema ein.

Wird man dem Bodenfraß Herr werden können?

Erschreckende Flächenverschwendung

„Leider stehen wir erst am Anfang eines Umdenkens, wie wir den Wandel beim Umgang mit unserem Boden schaffen können“, konstatierte Architekt Peter Lorenz. Deutliche Worte fand er im Hinblick auf den „Ist-Zustand“ bei der erschreckenden Flächenverschwendung und explodierenden Versiegelung, gerade in Tirol. Diese betreffe vor allem drei Bereiche. Zum einen die „planlos entstehenden Gewerbegebiete, die ohne Rücksicht auf irgendetwas bebaut werden.“

Das Nächste sind die Einfamilienhäuser, für die

„wir uns keine Umwidmungen mehr leisten können“, und natürlich die Geldanlage Zweitwohnung, wo Lichtjahre von jeglichem Gedanken an Umwelt- und Landschaftsschutz entfernt und konträr zu allen sozialen Aspekten für junge TirolerInnen gebaut wird.“

Dieses System der Flächenverschwendung („Österreich ist leider seit Jahren Europameister der Zersiedelung“) sei noch immer kein wichtiges politisches Thema, auch wenn die Ziele der jeweiligen Bundesregierung seit Jahrzehnten verfehlt werden, außerdem gehe diese Flächenverschwendung mit einem grässlichen Zusammenbruch der Baukultur einher. Die Verantwortung dafür, das zu ändern, liege jedoch letztlich bei allen BürgerInnen. Denn, so Lorenz, „ich halte nichts davon, die Lösung all dieser Probleme nur auf die PolitikerInnen zu schieben.“

Bewusstseinsänderung nötig

Einen auf die Landwirtschaft fokussierten Blick über die Auswirkungen des zunehmenden Bodenverbrauchs brachte Hagelversicherer Mario Winkler ein:

„Es ist auch eine gesellschaftspolitische Frage, es geht etwa um die Zukunft der Versorgung Österreichs mit Lebensmitteln sowie um viele Arbeitsplätze.“

Pro Tag gehen 11,5 Hektar an Agrarflächen verloren (Stand 2020). Gehe es in diesem Tempo weiter, dann sind bald keine Anbauflächen mehr vorhanden. Dabei habe zuletzt gerade die Corona-Pandemie gezeigt, wie wichtig eine ausreichende Souveränität bei der Selbstversorgung eines Landes ist.

„Wir müssen dringend ein Bewusstsein schaffen für eine Änderung, nur mit einem umfassendes Maßnahmenbündel bekommen wir den zu großen Bodenverbrauch in den Griff“, appellierte Winkler – damit Österreich nicht zum „Land ohne Äcker wird“

Ähnlich sieht das auch „Tirol Versicherer“ Franz Mair. Seit Jahren beobachte man, dass innerörtliche Überflutungen an Frequenz und Intensität zunehmen. Daher sieht er auch die oft als quasi alternativlos propagierte verdichtete Bauweise in den Dörfern kritisch. Er fordert den Mut zu (Bau-)Lücken und gezielte Planung von größeren Grünflächen zwischen den Häusern. Verdichtung ja, aber in die Höhe (vor allem in den Städten) und – Stichwort „innerstädtische Erwärmung“ - die Rückkehr „echter“ Bäume in die zentralen Siedlungsräume. Mair weist auch darauf hin, dass man in Tirol den Wert von Waldflächen abseits seiner Funktion als Schutz vor Lawinen unterschätzt.

Lösungen

Und wie kommen wir aus der Sache raus, wie beenden wir diesen Bodenfraß? „Das ist eine wahre Mammutaufgabe, da gibt es sehr viele Punkte zu lösen“, hält Univ.-Prof. Gerlind Weber fest. Zunächst müsse man sich einfach mit dem Gedanken anfreunden, dass

„wir den jemals erforderlichen Baubestand ja bereits haben, mehr brauchen wir nicht, es gibt allenfalls ein Verteilungsproblem.“

Es brauche den Übergang zu einer Flächenkreislaufwirtschaft, also weg vom Verbauen der grünen Wiese hin zur optimierten Nutzung bereits bebauter Gebiete. Das heißt etwa, dass jeder Planungsprozess mit dem Grünlandschutz beginnt, wenn nötig Bausperren verhängt, Nullvarianten vereinbart werden. „Wir haben einen enormen Überhang an gewidmeten Bauflächen, der gehört abgebaut“, so Weber.

Neuwidmungen sollten durch Rückwidmungen kompensiert, bestehende Gebäude erweitert oder abgerissen und neu gebaut sowie Baulücken geschlossen werden. Die Widmung von Sonderflächen für touristische Großprojekte gehöre gestrichen, ebenso weitere Verkaufsflächen in der Siedlungsperipherie. Und es sollte keine „Inselwidmungen“ mehr für Industrieanlagen sowie Gewerbeparks geben.
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