Kippt der ländliche Raum weg?

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Von links: EU-Konsulent Dr. Johannes Außerladscheiter, Bundesratspräsident Georg Keuschnigg, Raumplaner DI Robert Ortner (Landesregierung) und Martin Reiter.
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ST. GERTRAUDI (2012-08-15) – „Der Wohlstand eines Staates manifestiert sich wesentlich durch eine flächendeckende Infrastruktur sowie Bildungseinrichtungen in Stadt und Land“, so die Einstiegsthese von EU-Konsulent Dr. Johannes Außerladscheiter im Rahmen des „3. Dialogs im Stoffelhäusl“ in St. Gertraudi zu dem er mit Martin Reiter eingeladen hatte Dass die Ausgewogenheit zwischen Stadt und Land in Gefahr, ja bereits beim Kippen sei, bestätigte der derzeit amtierende Präsident des Bundesrates, Georg Keuschnigg. Der Präsident forderte daher im Rahmen des Gesprächs gemeinschaftliches Denken und die Bereitschaft eines finanziellen Ausgleichs zwischen Stadt- und Landgemeinden. Keuschnigg: „Auch der Bürger eines Seitentals hat Ansprüche und das Bedürfnis nach sozialen und örtlichen Betreuungseinrichtungen, Bildung, Wegenetzte und Internetanbindung.“ Vor allem die Jungen ziehe es in die Städte. Die Landflucht wird in den nächsten Jahren rapide zunehmen, zeigen Prognosen. Keuschnigg: „Hier sind es wieder in erster Linie junge Frauen, die aus den Dörfern abziehen. Die Männer sind eher noch durch männlich dominierte Vereine u. ä. an ihre Heimatgemeinden gebunden. Diese soziale Bindung ist jedoch bei den Frauen nur sehr gering vorhanden.“

Täler verlieren bis zu ein Fünftel der Erwerbsfähigen

Schon jetzt zeige sich, so Keuschnigg, dass Innsbruck-Stadt an Einwohnern gewinnt. 16.506 sind 2010 nach Innsbruck gezogen, 15.577 wieder weg. Ergibt einen positiven Saldo von 929. Am zweitbeliebtesten ist der Bezirk Innsbruck-Land. Hier zogen 14.211 Menschen hin und 13.734 wieder weg. Ergibt einen positiven Saldo von 477. Anders sieht es in den Bezirken Landeck, Lienz und Reutte aus. Diese verloren Einwohner. Lienz hatte 2010 den größten negativen Saldo mit 215, gefolgt von Landeck mit 147 und Reutte mit 63. Alle anderen Bezirke steigen leicht positiv aus. Betrachtet man die Binnenwanderung in den Bezirken, ergibt sich ein ähnliches Bild. Innsbruck ist Spitzenreiter.

Diese Tendenz bestätigte im Rahmen des Gesprächs Raumplaner DI Robert Ortner: „Die Zahlen der Landesstatistik belegen einen Trend zur Landflucht. Dieser wird sich bis 2035 verschärfen und danach noch einmal rapide zulegen. Bereits jetzt verlieren manche Talschaften in Tirol bis zu ein Fünftel ihrer Erwerbsfähigen. In manchen Bezirken, in denen die Bevölkerungszahl steigt und die Jungen abwandern, droht eine Überalterung. Der Anteil der über 65-Jährigen explodiert.“

Anreize für Revitalisierung nitz genutzter Bauten in den Dorfkernen

Österreichweit verlieren 1000 Gemeinden bis 2035 Einwohner und damit auch Geld. „Wir müssen beim Finanzausgleich den Abrechnungsmodus ändern. Entscheidend darf nicht mehr sein, wie viele Menschen in welcher Gemeinde leben“, erklärt Georg Keuschnigg. Robert Ortner, Leiter der Tiroler Raumplanung, wies auf die Kostenbelastung bei der Erschließung neuer entlegener Baugebiete hin. Ein Lösungsansatz wäre für ihn, Anreize für die Revitalisierung und Ausnutzung bereits erschlossener Dorfgebiete zu schaffen. Gerade die Nutzung und Förderung leerstehender Bauten in vollerschlossenen Dorfkernen müsse attraktiver werden.

Die Gründe, warum es Menschen in die Städte zieht, sind leicht erklärt: Jobs und Ausbildungsmöglichkeiten wirken wie Magneten. „Aus dem Stubai- oder dem Wipptal pendeln die Leute zur Arbeit nach Innsbruck, wohnen aber weiterhin im Tal“, erklärt Keuschnigg. Es gelte also, den ländlichen Raum attraktiver bzw. leichter mit Öffis erschließbar zu machen. Zwar sei mit einem verstärkten Angebot an Kinderbetreuungseinrichtungen oder der Breitbandinitiative schon einiges passiert, das werde aber nicht ausreichen.
Ein Problem manifestiert sich bereits im ländlichen Raum. Die Zahl der Landärzte geht zurück. Einige Praxen drohen zu verwaisen. Dr. Reinhard Schranzhofer aus Münster: „Eine Entwicklung, die kein Tiroler Phänomen ist. In Deutschland sind bereits einige Ordinationen zu, weil es die jungen Ärzte nicht aufs Land zieht.“

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