Zufall lüftet „Nackte Tatsachen“

Akt um 1880 auf Hartkarton | Foto: privat
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REITH. Weil er historische Fotografien und Ansichtskarten des alten Tirols suchte, kaufte der Heimatskundler Martin Reiter auf der Trödlermesse „Euroantik“ für wenig Geld eine noch unsortierte Schachtel mit Landschaftsaufnahmen. Erst zu Hause stellte sich heraus, welchen Schatz Reiter da per Zufall erworben hatte.
Denn die Kiste enthielt ein Paket mit erotischen Fotografien und Akten aus der Zeit von 1845 bis 1925. Unter den Fundstücken befinden sich zahlreiche Originale aus den Anfängen der Fotografie, deren kunsthistorischer Wert nicht hoch genug einzuschätzen ist. Auch der reale Wert der Bilder liegt weit über der Summe des ursprünglichen Kaufpreises.
„Ich will den Schatz, den mir der Zufall beschert hat, aber nicht verkaufen“, sagt Martin Reiter. Vielmehr möchte er ihn im Rahmen der Ausstellung „Nackte Tatsachen“ im „Stofflhäusl“ in St. Gertraudi am 6. Juni einem breiten Publikum präsentieren. Der Blick auf die Kunstwerke soll dem Besucher auch Einblicke in die Entwicklung der Aktfotografie des 19. Jahrhunderts gewähren.

Neue Möglichkeiten durch Fotografie

Die damals neu entwickelte Technik der Fotografie eröffnete zunächst den Malern neue Möglichkeiten. Bis dato konnten sie den menschlichen Körper nur in natura oder mit Hilfe von Stichen studieren. „Die ersten Aktfotografien wurden daher auch Akademien genannt, deren Herstellung viel Geduld erforderte, denn damals arbeitete man mit einer Belichtungszeit von 10 bis 30 Minuten“, erzählt Reiter. Erst später wurden lichtempfindlichere Platten entwickelt, aber vom schnellen Schuss der Papparazzi war die Technik von damals noch meilenweit entfernt.

Akt und Erotik

Seit Anbeginn unterschied man zwischen der künstlerisch wertvollen Aktfotografie und der erotischen Darstellung des menschlichen Körpers. Denn natürlich fanden findige Fotografen einen Weg, um die akademischen Malvorlagen „prickelnder“ zu gestalten. Karge Studioeinrichtungen wurden durch Kulissen ersetzt. Im Gegenzug dazu begann man die Modelle ein wenig zu verhüllen, um aus nackten Tatsachen wieder feurige Fantasien zu erschaffen. Paris entwickelte sich zur Hauptproduktionsstätte für solche Aufnahmen, was von der Obrigkeit im Hinblick auf einen florierenden Tourismus stillschweigend geduldet wurde. Um 1900 tabuisierte der allgemein gültige Moralkodex den menschlichen Körper zusehends, weshalb die Bilder immer öfter „unter dem Ladentisch“ verkauft wurden. Und doch handelte es sich meist nur um die Illusion von nackten Tatsachen.
Die Modelle trugen sehr oft enganliegende Strumpfhosen oder gepuderte Trikots. Die unter hauchdünnen Negligés lockenden Freizügigkeiten waren in Wahrheit ganz gut verpackt. Die künstlerisch wertvollen Aktfotografien konzentrierten sich mehr auf den Ausdruck. Ihr Ziel war es, ein dauerhaftes Abbild von Schönheit zu erschaffen.

Wer mehr über den Zauber der Bilder und den Schatz, auf den Martin Reiter gestoßen ist, erfahren möchte, der kann das am 6., 8. und 9. Juni jeweils von 19 bis 22 Uhr im „Stofflhäusl“ in St. Gertraudi bei der Ausstellung „Nackte Tatsachen – Erotische Photographie & Akte 1845-1925“ tun. Zu sehen sind vor allem originale Fotografien aus der Zeit, als die Beschäftigung mit dem unverhüllten menschlichen Körper eine Blütezeit erlebte. Die Ausstellung wird am Freitag, 6. Juni um 19 Uhr, mit einer Lesung erotischer Gedichte und Geschichten von „The Voice“ Ludwig Dornauer eröffnet.

Wo: Stoffelhu00e4usl, St. Gertraudi 16, 6235 Reith im Alpbachtal auf Karte anzeigen
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