Sondersitzung in Wörgl
Entlastungspaket kommt trotz verhärteter Fronten
Nach einer über vierstündigen Marathonsitzung stimmt eine Mehrheit für das von Bgm. Michael Riedhart eingereichte Entlastungspaket. Damit reagiert man auf die neuen Tarife der Stadtwerke Wörgl.
WÖRGL. Der neue Tarif "wörglSTROM" ist seit einigen Wochen das Gesprächsthema Nummer 1 in der Stadtgemeinde. Auf einen Dringlichkeitsantrag zur Bekämpfung der Teuerung folgte ein Schreiben der Stadtwerke Wörgl an die Kunden, welches die Kündigung des aktuellen Stromvertrags sowie ein neues Angebot mit deutlich erhöhten Preisen beinhaltete. Dementsprechend groß war das Interesse an der Sondergemeinderatssitzung am Mittwoch, den 10. August, wo einerseits über die Notwendigkeit des neuen Tarifs und andererseits über Maßnahmen zur Entlastung der Bevölkerung diskutiert wurde.
Die ersten 20 Minuten hatten es in sich
Wie geladen die Stimmung bei diesem "Strom-Gipfel" war, wurde gleich zu Beginn deutlich. Die drei von Vize-Bgm. Roland Ponholzer (Wir für Wörgl - WFW) eingebrachten Dringlichkeitsanträge über eine Tiefenprüfung der Stadtwerke Wörgl GmbH, der Wergel AG und der Stadtholding Wörgl GmbH sowie über den Aufschub der Kündigungen wurden allesamt abgelehnt. Dabei gingen die Ausführungen Ponholzers über die Verlesung hinaus, woraufhin Bgm. Riedhart (VP) wiederum mehrmals energisch zur Sache rief. Kurzzeitig konnte man aufgrund eines Wortgefechtes nichts mehr verstehen. Beim Bericht des Bürgermeisters (2. TO-Punkt) ging es in der gleichen Gangart weiter. Zwischenrufe, Ermahnungen, Vorwürfe, Streitereien. Diesmal waren neben Riedhart und Ponholzer auch GR Andreas Widschwenter (WFW) und Gabi Madersbacher (Liste Hedi Wechner, LHW) in Angriffslaune. Auf Vorschlag von SR Christian Kovacevic (LHW) wurde nach 20 Minuten eine fünfminütige Pause eingelegt, um die erhitzten Gemüter zu beruhigen. Bei dieser Sitzung war sogar die Stadtpolizei für den Fall der Fälle anwesend, sie musste allerdings nicht aktiv werden. "Geht es da immer so zu?", hörte man aus dem Publikum.
Der steinige Weg zur Entlastung
Erst nach drei Stunden konnte der Antrag zur Entlastung diskutiert werden. Nach einer weiteren Stunde wurde dieser mehrheitlich mit 13 zu 8 Stimmen angenommen. Zum einen soll ein Energiefonds eingerichtet werden, der sich aus der Gebrauchsabgabe finanziert. Diese Gebrauchsabgabe, welche vor einigen Jahren im Gemeinderat beschlossen wurde, sei auch der Grund, warum einige Haushalte in Umlandsgemeinden den Strom etwas günstiger beziehen können, so Stadtwerke-GF Reinhard Jennewein. Als Vergabekriterien dienen die aktuellen Vorgaben des Tiroler Energiekostenzuschusses.
Weiters bekommt jeder der rund 6.600 Wörgler Haushalte einenEnergiegutschein über 75 Euro. Dieser kann für die Bezahlung von Strom, Wärme, zur Buchung der floMobil-Flotte oder aber auch für Pellets, Gas, Heizöl bzw. Treibstoff bei ausgewählten Partnerbetrieben verwendet werden. Die Abwicklung soll über das Bürgerbüro gemacht werden. Kritisiert wurde vor allem, dass bei dieser Maßnahme das "Gießkannenprinzip" angewendet wird.
Weiters verzichtet die Stadtwerke Wörgl GmbH auf die Indexanpassung bei den Wasser- und Kanalgebühren. In Summe soll dieser Schritt für rund 270.000 Euro an Entlastung sorgen. Wie kann es sein, dass einerseits der Strompreis so stark ansteigt und andererseits die Gebühren bei Wasser und Kanal runter gehen können? Jennewein betont, dass von den abgegebenen 65.640 Megawattstunden nicht alles an Wörgler Kunden geht. Gehe man also beim Strompreis runter, dann subventioniere man zum Beispiel auch Kunden in Wien oder Bayern. Bei Wasser und Kanal bleibe die Entlastung hingegen in Wörgl. Freiwilliges Aussetzen von Abschaltungen bis Ende Februar 2023, Ratenzahlungen von bis zu 18 Monaten, die Aufstockung des AK-Härtefonds sowie weitere Maßnahmen seitens der Stadtwerke runden dieses erste Paket ab, was insgesamt eine Million Euro an Entlastung bringen soll.
Alles Ansichtssache
Generell kann gesagt werden, dass zwei verschiedene Ansätze bzw. Sichtweisen im Gemeinderat aufeinander prallten. Die Volkspartei räumte Fehler in der Kommunikation ein, argumentierte allerdings, dass sie als eine der wenigen Fraktionen tatsächlich Lösungen präsentierten, die rasch umgesetzt werden können.
"Ich will aus der Sache kein Politikum machen, sondern transparente, konstruktive Politik, die zu Entlastungen führt",
so Riedhart. Die Anderen seien nun bemüht, einen Skandal heraufzubeschwören, anstatt sich sachlich einzubringen. Die Grünen, die im Vorfeld zwar ebenfalls Kritik an der Vorgehensweise übten, plädierten ebenfalls für rasche Maßnahmen und befürworteten das vorgeschlagene Entlastungspaket. Die MFG stimmte ebenfalls mit "Ja".
Scharfe Kritik & Wortmeldungen
Dem gegenüber stand WFW, LHW (mit Ausnahme des Ersatz-GR Andreas Schmidt, der GR Emil Dander vertrat) und die Freiheitliche Wörgler Liste (FWL). Deren Argumentation in Kurzform: Bgm. Michael Riedhart hätte bereits im Juni von der Preissteigerung gewusst. Trotz des einstimmigen Beschlusses, "die bevorstehenden massiven Preiserhöhungen für die Wörglerinnen und Wörgler so gering wie möglich zu halten (Zitat aus dem Dringlichkeitsantrag, Anm. d. Red.)", habe er zu lange nichts gemacht. Dieses "Horror-Szenario" (Zitat Kovacevic in Bezug auf die Kündigungen) wäre zu vermeiden gewesen. Auf Druck der Opposition sei der Ball erst ins Rollen gebracht worden. Sich nun zu rühmen, der einzige mit Vorschlägen zu sein, sei "unanständig und schäbig" (Zitat Ponholzer), weil er der einzige mit Vorlaufzeit gewesen sei. Die Opposition hätte hingegen immer erst zum letztmöglichen Zeitpunkt bzw. "scheibchenweise, wie beim Thema Hochwasser-Schutz Infos erhalten" (Zitat Unterberger), was eine konstruktive Zusammenarbeit verunmöglicht hätte.
Gründe für die Ablehnung
Die Ablehnung des Antrags begründen sie damit, dass die Maßnahmen unausgereift und sozial nicht treffsicher seien, die Bürger zum Bittsteller werden, viele Entscheidungen von Bund & Land die Rahmenbedinungen noch erheblich ändern könnten und es zudem gewisse Einblicke (Stichwort Tiefenprüfungen) brauche, um eine optimale Entlastungslösung zu erarbeiten.
Neuer Tarif oder Rettungsschirm
Die Sitzung war auch geprägt von einem ausführlichen Bericht des Stadtwerke-GF Reinhard Jennewein, Erklärungen der Aufsichtsräte sowie von juristischen Einschätzungen von RA Peter Ivankovics und Stadtamtsdirektor Philipp Ostermann-Binder.
Laut Jennewein leisten die Stadtwerke Wörgl mit einem jährlichen Umsatz von rund 21,5 Millionen Euro einen beträchtlichen Teil zur Wertschöpfung. In den letzten Jahren mussten allerdings insgesamt 18,52 Millionen Euro in Form von Annuitätentilgungen und Sonderdividenden geleistet werden.
"Die Stadtwerke waren die goldene Kuh, die über viele Jahre hinweg gemolken worden ist,"
betont der Geschäftsführer und weist gleichzeitig daraufhin, dass die damaligen Stadtführung ihre eigenen Verträge gebrochen und seine Warnungen ignoriert habe. Der neue Tarif habe allerdings nichts mehr mit Wave-Zahlungen zu tun und sei auch "keine Preisanpassung, sondern eine Produktbereinigung, "die keine böse Absicht, sondern wirtschaftliche Notwendigkeit ist." Ansonsten würde es bald einen Stadtwerke-Rettungsschirm in der Höhe von 6,5 bis 9 Millionen Euro brauchen. Die anwesenden Aufsichtsräte bestätigten die Ausführungen Jenneweins. Dass die Rücklagen weniger werden würden sei das eine, problematisch sei aber der geringe Cash-Bestand, so AR Hans Peter Hauser. Viele Fragen wurden nach Möglichkeiten im Sondergemeinderat beantwortet, einige werden noch in schriftlicher Form folgen. Wer mehr über den Strompreis, den Energiemarkt und grundlegende Prinzipien verstehen möchte, findet hier ein ausführliches Interview mit GF Reinhard Jennewein.
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